Alastair Newton, Senior Political Analyst, Nomura International

Alastair Newton, Senior Political Analyst, Nomura International

Alastair Newton, Senior Political Analyst, Nomura International.

Von Martin Raab, Derivative Partners Media AG, www.payoff.ch

payoff im Gespräch mit Alastair Newton, Senior Political Analyst bei Nomura International, über die entscheidenden Faktoren für Amerikaner, das «fiscal cliff», die Tea Party und Wahlkampfstrategien am Capitol Hill.

payoff: Herr Newton, der Endspurt im US-Wahlkampf hat begonnen. Wie haben sich Obama und Romney nach Ihrer Meinung bislang geschlagen?

Alastair Newton: Obama hat am 9. Oktober wirklich keine gute Figur gemacht, wie auch schon bei der Nominierungsrede beim Parteikongress der Demokraten in Charlotte. Romney hat sich gut geschlagen und gilt als Typ, der eindrückliche Resultate erzielt, wenn er unter Druck kommt.

Politiker reden traditionell viel. Welche Faktoren entscheiden für den Amerikaner letztlich beim Urnengang?

Es bleiben die Wirtschaftslage und der Arbeitsmarkt, dort fühlt jeder am direktesten die Leistung der jeweiligen Regierung. Fiskalpolitik und Steuersätze sind für den Amerikaner zwar ein wichtiges, aber im täglichen Leben eher nachgelagertes Thema. Dennoch, viele Republikaner werden im Wahlkampf gegen Obama wählen, da er ihrer Meinung nach für alles steht, wogegen sie sind.

Welche Wählerschicht wird das «Zünglein an der Waage» werden?

Dieses Mal ist entscheidend, ob es Obamas mengenmässig überlegene freiwillige Wahlhelfer schaffen, die unter 30-jährigen Wähler und Wählerinnen sowie die Hispanics von einem potenziellen Überlaufen zu den Republikanern abzuhalten. In punkto religiöser Zugehörigkeit gilt es darüber hinaus, die Evangelikalen voll und ganz für die Demokraten zu gewinnen.

«Die unter 30-jährigen Wähler und die Hispanics müssen vom potenziellen Überlaufen zu den Republikanern abgehalten werden.»

Der US-Präsident macht bekanntlich nur bedingt Politik alleine. Wie wird die Lage im Repräsentantenhaus aussehen?

Egal wer Präsident wird, im «House» werden die Republikaner an einer reduzierten, aber entscheidenden Mehrheit festhalten können. Jedoch ist die wirkliche Frage – in Bezug auf zukünftige parteiübergreifende Verhandlungen –, wie viele Fraktionsmitglieder der Tea Party ihren Sitz verlieren werden oder nicht. Das ist aktuell noch völlig unklar, aber viele Beobachter gehen davon aus, dass die Tea Party deutlich an Momentum verlieren wird. Das ist ein deutliches Signal und sollte John Boehner mehr Spielraum für Verhandlungen geben als er noch in der ersten Amtsperiode von Präsident Obama hatte.

Und was erwartet den nächsten Präsidenten im US-Senat?

Jüngste Umfragen zeigen einen Netto-Zuwachs von einem Sitz für die Republikaner auf ingesamt 49 Sitze. Aber mein Gefühl ist, dass der Senat sich am Weissen Haus orientiert. Falls Romney gewinnt, streifen die Republikaner eine dünne Mehrheit.

Eine klare Mehrheit in den zwei Kammern ist also nicht zu erwarten?

Klare Mehrheiten werden es schwer haben. Ich gehe in den vor uns liegenden vier Jahren von einem hohen Mass an Stillstand bei allen Themen ausser bei der Steuer- und Abgabenpolitik aus. Nichtsdestotrotz, falls die Republikaner eine dünne Mehrheit erringen und dann zum grossen Kehraus blasen, ist davon auszugehen, dass sie das Gesetz zur Krankenversicherung, im Volksmund «Obamacare» genannt, mit dem gleichen Trick abschaffen, wie es die Demokraten zunächst eingeführt haben.

Mit Blick auf die Wirtschaft: Welche Einflüsse hätte ein Präsident Romney – und welche ein wiedergewählter Barack Obama?

Nach meiner Ansicht wird das viel zitierte «fiscal cliff» weitestgehend neutralisiert, egal wer das Rennen um das Weisse Haus gewinnt. Insgesamt bin ich vorsichtig optimistisch für die US-Wirtschaft im neuen Jahr 2013. Dennoch, die Anleger sollten ihre Erwartungen etwas herunterschrauben. Trotz allen positiven Signalen bei den Baubeginnen und Hypothekaranträgen muss sich der amerikanische Immobilienmarkt erst noch durch die Belastungen der Vergangenheit kämpfen. Auch beim Arbeitsmarkt gibt es noch einige Hausaufgaben abzuarbeiten.

«Die Anleger sollten ihre Erwartungen etwas herunterschrauben.»

Welchen Indikator sollten Anleger mit Blick auf 2013 besonders im Auge behalten?

Wichtig ist die NAIRU. Sie steht für diejenige Arbeitslosigkeit, ab der eine weitere Konjunkturbelebung nicht zu einer Verbesserung der Arbeitsmarktlage beiträgt, sondern in erster Linie die Inflation nach oben treibt. In den USA ist die NAIRU zeitlich versetzt angestiegen. Investoren sollten sich daher diese Entwicklung ansehen und nicht die offizielle Arbeitslosenrate.

Wie ist Ihre persönliche Einschätzung: Wer wird Präsident?

Das ist derzeit reine Spekulation. Wie bereits erwähnt, es liegt daran, wer es in ein paar Bundesstaaten besser schafft, am Wahltag die richtigen Wähler zu mobilisieren. Als wichtige Faustregel gilt: Wenn Obama in Ohio, Iowa, New Hampshire und auch Nevada oder Wisconsin gewinnt, hat er die zweite Amtszeit in der Tasche. Derzeit liegen – dank Joe Biden – die Demokraten wieder vorne.

Welcher Staat wird letztlich entscheidend sein?

Ohio. Kein republikanischer Kandidat hat jemals in Ohio verloren und das Weisse Haus gewonnen.

Der Gesprächspartner:
Alastair Newton ist seit 2005 Senior Political Analyst – zunächst für Lehman Brothers, dann im Rahmen des Lehman-Konkurs für Nomura International. Zuvor verbrachte Herr Newton über 20 Jahre im British Diplomatic Service. Er war in Zentralafrika (Sub-Sahra-Länder), Paris (OECD-Delegation des Vereinigten Königreiches) und in den USA (Washington/D.C.) stationiert. Nach Auslandsstationen wurde er in London leitender Geheimdienstkoordinator während des Golfkriegs 1990/91 sowie als Regierungsberater des britischen Premierministers tätig. Der gebürtige Schotte prsäidiert die British Society for Middle Eastern Studies, ist international bekannter Analyst, Kommentator und Mitglied im World Econoic Forums Council on the Future of the Middle East.

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