Angeschlagene europäische Banken treten auf der Stelle

Angeschlagene europäische Banken treten auf der Stelle

Christian Fischer, Partner der Independent Credit View AG (I-CV). (Bild: I-CV)

Zürich – In ihrer neuen Bankenstudie unterzieht die Independent Credit View die Bonität internationaler Banken einer umfassenden Analyse inklusive Stresstest. Dabei legen die Finanzprofile der Kreditinstitute insgesamt erneut leicht zu, aber zwischen den einzelnen Banken bestehen weiterhin markante Unterschiede. Positive Perspektiven finden sich vorwiegend in Nordamerika, einzelnen Schwellenländern sowie europäischen Staaten mit intakter Bonität – genannt seien Norwegen, Schweden und die Schweiz. Ansonsten bleibt der europäische Kontinent das Sorgenkind aus Bonitätssicht.

Die auf unabhängige Kreditanalyse spezialisierte Independent Credit View (I-CV) verfeinerte in der achten Auflage ihrer Studie ihr analytisches Modell und vergrösserte das Universum der untersuchten Banken um weitere Emittenten aus den Märkten Asiens, des Mittleren Ostens und Lateinamerikas. «Dieser Ausbau erfolgt im Investoreninteresse und gibt unserer Studie ein noch höheres Gewicht. Nachdem sich im Jahr 2012 die Ratings im Durchschnitt auf BBB+ Niveau stabilisiert haben, verzeichnen wir in 2013 eine leichte Verbesserung in Richtung A-.

Diese Entwicklung ist primär getrieben durch die bessere Bonität bei US-Banken sowie bei europäischen Banken in AAA-Staaten (Norwegen, Schweden und die Schweiz). Doch darf dieser Durchschnittswert keinesfalls darüber hinwegtäuschen, dass sich vor allem in Europa und in den Emerging Markets ein heterogenes Bild präsentiert. Generell öffnet sich die Schere zwischen bonitätsstarken und -schwachen Banken weiter», sagt Christian Fischer, Partner von I-CV.

Einflussfaktoren auf Bonität der Banken
Neben dem wirtschaftlichen Umfeld sind es aus Sicht der Analysten von I-CV vor allem die Ausweitung der Bilanzen, die Höhe und Qualität des Eigenkapitals sowie die geplanten Regeln zum „Bail-In“ bisher erstrangiger Gläubiger, die die künftige Kreditwürdigkeit der Banken massgeblich beeinflussen. «Diese vier Brennpunkte stellen für uns die akuten Risikoherde in der Bankenlandschaft dar. So hat sich beispielsweise die ‹too big to fail› Problematik seit Ausbruch der Krise aufgrund der grosszügigen Refinanzierung durch die Zentralbanken eher noch verschärft. Die strukturelle Nachrangigkeit der ungesicherten Gläubiger nimmt somit schleichend zu, während die notwendige Strukturbereinigung im europäischen Bankensystem weiter aufgeschoben wird. Die Eigenkapitalratios haben auf Druck des Regulators (Basel III) zwar deutlich zugenommen. Doch betrachtet man die zugrundeliegende Qualität des Eigenkapitals, weisen viele Institute substanzielle Schwächen auf», so Fischer.

„Das trübe wirtschaftliche Umfeld belastet vielerorts die Banken und hemmt in der Folge ihre Kreditvergabe an die Privatwirtschaft“, erklärt Bankenspezialist und Mitautor der Studie Guido Versondert. „Die stark strapazierten Staatshaushalte wecken unverändert Zweifel am effektiven politischen und wirtschaftlichen Handlungsspielraum staatlicher Schuldner – und damit an der Bonität der Banken. Gerade die angeschlagenen europäischen Banken treten daher mit Blick auf ihre fundamentale Kreditqualität weiterhin auf der Stelle.“

Hoher Kapitalbedarf in Europa
I-CV schätzt, auf der Basis differenzierter Analysen und Stresstests, für die untersuchten Banken den kumulativen Bedarf an frischem Kapital auf 1‘028 Milliarden Euro. Der Löwenanteil entfällt auf Europa mit 776 Milliarden Euro, gefolgt von den BRIC-Staaten und der Türkei mit 303 Milliarden Euro und Australien mit 22 Milliarden Euro. Nordamerika und der Nahe Osten sowie Singapur und die AAA-Staaten Europas zeigen sich in guter Verfassung und haben keinen zusätzlichen Bedarf. Zu den Gewinnern der I-CV Bankenstudie zählen mit dem Rating AA- die Svenska Handelsbank und die Royal Bank of Canada, während die Bank of Ireland mit BB und die spanische Banco Popular mit BB- die niedrigsten Einstufungen aufweisen.

Banken mit Kapitalüberschüssen verfügen über eine gute Ausgangslage, dank ihrer soliden Bonität und Solvabilität im Wettbewerb um Kunden und Märkte dauerhaft Vorteile zu gewinnen und externe Schocks besser zu verkraften. Zudem sind sie in der Lage, strengere aufsichtsrechtliche Anforderungen wie etwa Basel III leichter zu implementieren. Dagegen steht den Verlierern aufgrund ihrer schwachen Kapitalbasis unter Umständen eine Erosion der Kundenbasis ins Haus. Weiter besteht gerade für die unbesicherten Gläubiger das latente Risiko einer (Teil-) Verstaatlichung oder einer Restrukturierung der Schulden – die Stichworte lauten Haircut oder Bail-in. Hinzu kommen eine Verwässerung der Altaktionäre durch den hohen Kapitalbedarf und Schwierigkeiten bei der Erfüllung der regulatorischen Vorgaben.

Neue Realität für Bondinvestoren
Die angestrebte europäische Bankenunion macht nur langsam Fortschritte und birgt erhebliche regulatorische Risiken für Banken und Bondinvestoren. Aktionäre und Gläubiger werden in neuen Rettungs-Paradigmen die Hauptlast der Sanierung überschuldeter Banken und Staaten tragen müssen. «Bail-in Risiko bei Banken und Umschuldungsmassnahmen von Staaten sind die neue Realität für Bondinvestoren – sie erzwingt eine grundlegende Revision der Bonität dieser Gläubiger und verlangt angesichts struktureller Nachrangigkeit nach einer besseren Risikoanalyse und deutlich höheren Risikoprämien. Eine nachhaltige Verbesserung des Bankensystems kann nur durch eine Reduktion der Interdependenzen zwischen Banken und Staaten erfolgen», erläutert Fischer. Mit der umfassenden Bankenstudie gibt I-CV Investoren eine Orientierungshilfe, um bei künftigen Anlageentscheidungen die Kapitalmarktschuldner zu filtern, die im Rahmen einer Strukturbereinigung durch Stabilität und gute Bonität aufwarten.

(Independent Credit View/mc/ps)

Über Independent Credit View AG
Independent Credit View AG (I-CV) agiert seit 2003 erfolgreich als erste unabhängige Research Boutique für institutionelle Bondinvestoren. In ihrer Funktion als Beraterin analysiert, beurteilt und überwacht I-CV die Kreditqualität von nationalen und internationalen Emittenten und gibt entsprechende Anlageempfehlungen. Das Unternehmen verfügt über ein erfahrenes Spezialistenteam und robuste Analyseverfahren, welche in einem I-CV Rating und einer Empfehlung resultieren. Das I-CV Rating hat sich im Markt als unabhängige Einschätzung der Kreditqualität etabliert und als akkurater Frühwarnindikator bewährt. I-CV handelt ausschliesslich im Interesse der Investoren und generiert durch umfassende Studien unmittelbaren Mehrwert, indem Marktverschiebungen frühzeitig erkannt werden (vgl. I-CV Banken- und Länderstudien). Die Nähe zum Kunden sowie die Unabhängigkeit zählen zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren des Unternehmens.

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