Assurinvest AG: Bürokratie bei Pensionskassen: Eine wachsende Herausforderung

Assurinvest AG: Bürokratie bei Pensionskassen: Eine wachsende Herausforderung
Simon Spiess, CEO Assurinvest (Bild: Assurinvest)

Pensionskassen spielen eine entscheidende Rolle bei der finanziellen Absicherung von Arbeitnehmenden – sowohl für den Ruhestand als auch während dem aktiven Erwerbsleben. Allerdings führt die wachsende Bürokratie in diesem Bereich dazu, dass immer mehr Ressourcen für administrative Aufgaben aufgewendet werden, anstatt dass dieses Geld der eigentlichen Alters- und Risikovorsorge hilft. Es stellt sich die kritische Frage, inwieweit die steigende Bürokratie die Effektivität und Nachhaltigkeit von Pensionskassen fördert oder gefährdet.

von Simon Spiess, Vorsitzender der Geschäftsleitung, Assurinvest AG

Die steigende Bürokratie bei Pensionskassen ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen. Dazu gehören verschärfte rechtliche Anforderungen und regulatorische Vorgaben, gestiegene Ansprüche an Transparenz und Berichterstattung, sowie der vermehrte Einsatz von Technologie, der neue Prozesse in der Datenverarbeitung mit sich bringt. Während viele dieser Massnahmen darauf abzielen, den Schutz der Versicherten zu erhöhen und die Stabilität der Pensionskassen sicherzustellen, besteht die Gefahr, dass sie gleichzeitig die operativen Abläufe komplexer und zeitaufwändiger machen.

Beispiele aus der Praxis
Seit Annahme der «Minder-Initiative» respektive deren damaligen Umsetzung via VegüV sind Vorsorgeeinrichtungen verpflichtet, ihr Stimmrecht bei den von ihnen gehaltenen Aktien an den Generalversammlungen auszuüben. Allerdings ist uns bis dato kein einziger Fall bekannt, wonach Pensionskassen ein gewichtiges Traktandum abgelehnt hätten und dieser Entscheid spürbare Folgen für das entsprechende Unternehmen gehabt hätte. Gleichwohl sind die Einrichtungen der Stimmabgabe verpflichtet und müssen dies zudem sinnvoll dokumentieren, damit die Versicherten bei Bedarf Einsicht erhalten können. Als gewichtiger Pensionskassendienstleister ziehen wir nach bald zehn Jahren und keinem einzigen Antrag auf Einsicht in das Abstimmverhalten einer durch uns verwalteten Pensionskasse das Fazit, dass diese Stimm- und Dokumentationspflicht einen klassischen Papiertiger darstellt und weder der Wirtschaft, der Gesellschaft noch der Ethik dient. Als einzige Nutzniesser sind Finanzdienstleister auszumachen wie Fondsanbieter oder Banken. Denn als Reaktion auf die Stimmpflicht schichteten viele Pensionskassen ihr Vermögen von Direkt- auf Kollektivanlagen um, womit sie der neuen Regelung entfliehen konnten.

(Versicherungstechnische) Gutachten zur Verpflichtungsseite oder teilweise auch ALM-Studien wurden seit der Strukturreform BVG in der Regel alle drei bis fünf Jahre eingefordert, was einen gewissen Spielraum offen liess. Blickt man etwas weiter in die Vergangenheit war es sogar üblich, die Verpflichtungen der Rentenbezüger nur alle 3 Jahre neu zu bewerten. Zwischenzeitlich wurde die Praxis von verschiedenen Aufsichtsbehörden für das Gutachten fix auf drei Jahre reduziert. Sammelstiftungen mit über 1’000 Destinatären sind gar verpflichtet, jedes Jahr ein Gutachten erstellen zu lassen. Die Kadenz wird also erhöht. Nun kann es bei Letzteren mit grösseren Veränderungen im Versichertenkreis durchaus Sinn machen, die Verpflichtungsseite öfters zu betrachten. Hingegen haben firmeneigene Pensionskassen oftmals wenig ausschlaggebende Fluktuation und zudem kennt der Stiftungsrat die Gegebenheiten aufgrund der Nähe zu den Mitarbeitenden sehr genau. Insbesondere bei finanziell blühenden Kassen verkommen solche Gutachten vielfach zu Rohrkrepierern, verursachen jedoch jedes Mal Kosten von mehreren Tausend oder Zehntausend Franken, welche gescheiter in Form von Besserverzinsungen an die Versicherten weitergegeben worden wären.

Weitere Beispiele sind einfach zu finden:

  • Langjährige Übergangsbestimmungen (z.B. laufende BVG-Revision) bergen die Gefahr von klassischen Fehlerquellen in der Verarbeitung, Unübersichtlichkeit für die Versicherten sowie von einer erschwerten Beratung.
  • Die jährliche Revision wird stetig aufwändiger hinsichtlich Transparenz und Compliance-Überlegungen.
  • Pensionskassen werden zwischenzeitlich angehalten, Spezialisten in Sachen ESG-Investing zu sein.
  • Das Datenschutzgesetz von 2023 hat einen erhöhten Einfluss auf Pensionskassen, da sie im Gegensatz zu Firmen als Bundesorgane gelten und damit gegenüber Firmen weitergehende Voraussetzungen zu erfüllen haben.

Kosten und Minderverzinsung für Versicherte
Die wachsende Bürokratie führt zweifelsohne zu negativen Auswirkungen. Sie erhöht insbesondere die Kosten für Pensionskassen, die letztlich von den Versicherten versteckt in Form von Minderverzinsungen getragen werden müssen. Zudem kann die verstärkte administrative Belastung dazu führen, dass der Fokus falsch gesetzt wird und wichtige Themen wie die Weiterentwicklung der Kasse, Innovation oder Beratung der Versicherten auf der Strecke bleiben. Mehr Komplexität bedeutet mehr Fachspezialisten, was wiederum die Zusammenarbeit erschwert und das Führungsgremium von Pensionskassen in ihren Entscheidungen verlangsamt.

Umfassende Balance
Um die wachsende Bürokratie bei Pensionskassen einzudämmen, bedarf es einer ganzheitlichen Herangehensweise. Eine Möglichkeit besteht darin, regulatorische Anforderungen zu überprüfen und zu rationalisieren, um unnötige Belastungen zu reduzieren. Augenmass der Aufsichten und Rücksicht auf die realen Gegebenheiten könnten Pensionskassen, die sich kaum oder nur langsam verändern, in Form von weniger Gutachten Entlastung bringen. Zudem sollte das BVG im Grundsatz für Versicherte einfacher aufgebaut sein: Koordinationsabzug, gesplitteter Umwandlungssatz, langjährige und komplizierte Übergangsbestimmungen, verschiedenste Zinssätze, etc. tragen kaum hierzu bei. Die verstärkte Nutzung von digitalen Lösungen und Automatisierung kann ebenfalls helfen, administrative Prozesse effizienter zu gestalten, wobei hier der Weg bereits offen steht.

Die zunehmende Bürokratie stellt eine ernsthafte Herausforderung für die Effizienz und Nachhaltigkeit in der Welt von Pensionskassen dar. Es ist wichtig, dass Regulierungsbehörden, Pensionskassen und andere Anspruchsgruppen gemeinsam daran arbeiten, das Gleichgewicht zwischen notwendiger Aufsicht und administrativer Effizienz zu finden. Nur so kann gewährleistet werden, dass Versicherte die bestmögliche Vorsorge erhalten, ohne unnötig von administrativen Hürden behindert zu werden. (Assurinvest/mc)

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