BearingPoint: Europäische Banken als Fels in der Brandung

Zürich – Europäische Banken zeigen sich widerstandfähig in schwierigen Zeiten. Das geht aus der aktuellen Bankenstudie von BearingPoint hervor. Die Institute konnten ihre Liquidität steigern und ihre Gewinne stabilisieren. Eine prägende Herausforderung der kommenden Jahre stellen neue Regulatorien dar. Die Schweizer Banken konnten laut der Studie ihr Eigenkapital dank der Gewinne der Vorjahre weiter aufbauen, sie liegen jedoch im europäischen Vergleich bei der Profitabilität zurück, was unter anderem auf das niedrige Zinsniveau zurückzuführen ist. Zudem sind die Auswirkungen der Übernahme der Credit Suisse weiterhin spürbar.
In einem weiterhin schwierigen wirtschaftlichen Umfeld zeigt sich der europäische Bankensektor widerstandfähig und zukunftsorientiert. Das geht aus der aktuellen Bankenstudie hervor, die von der Management- und Technologieberatung BearingPoint zum siebten Mal durchgeführt wurde. Die Banken konnten laut der Studie im Vergleich zum Vorjahr ihre Liquidität weiter stärken, ihre Nettogewinne stabilisieren oder sogar steigern – und sie investieren zunehmend in Technologien sowie nachhaltige Geschäftsmodelle. „Die Ergebnisse aus Schweizer Sicht zeigen, dass die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS weiterhin massive Auswirkungen auf Veränderung der Bankbilanz und die Kreditvergabe in der Schweiz hatte. Besonders stark war der Rückgang des Kreditvolumens bei Lombard- und Immobilienkrediten. Zudem ist eine Reduktion der Einlagen bei den Zentralbanken zu verzeichnen, was die sinkenden Zinsertragschancen und die Reduzierung der Überschussliquidität widerspiegelt“, erklärt Marco Kundert, Partner Banking & Capital Markets in der Schweiz bei BearingPoint.
Mehr Kapital, höhere Gewinne, stabile Erträge
Der leichte Anstieg der durchschnittlichen Gesamtkapitalquote der europäischen Banken zeigt die gestärkte Widerstandsfähigkeit des Sektors. Sie liegt im Jahr 2024 bei 23,5 Prozent – und steigt damit das dritte Jahr in Folge (2023: 23 Prozent, 2022: 22 Prozent). Ein besonders starkes Signal ist, dass die Institute ihr Eigenkapital stärken konnten – durch Vorjahresgewinne war ein Anstieg um 4,7 Prozent im Jahr 2024 möglich. Deutschland (+15,4 Prozent) und die Mittelmeerländer (+11,7 Prozent) stechen besonders hervor.
Auch die Ertragslage bleibt stabil: Viele Banken konnten ihre Nettogewinne trotz gestiegener Kosten halten oder sogar ausbauen. Vor allem das Provisionsgeschäft entwickelt sich positiv und wird zunehmend zur tragenden Säule der Profitabilität – und ergänzt so die Hauptertragsquelle der Banken, den Zinsüberschuss.
Starke Liquiditätslage und stabile Gewinne zeigen Stressresilienz
Die BearingPoint-Studie zeigt, dass die Banken ihre Liquiditätskennzahlen weiter verbessern konnten. Die durchschnittliche Liquidity Coverage Ratio (LCR) stieg auf 230 Prozent – ein Beleg für die Stabilität des Sektors. Auffällig ist dabei der Unterschied zwischen grossen und kleinen Banken: Während Grossbanken mit einer LCR von 167 Prozent operieren, zeigen kleinere Institute konservativere Ansätze mit Werten von bis zu 270 Prozent. Auch strukturell gelingt es den Banken, stabile Refinanzierungsquellen zu nutzen. Die Net Stable Funding Ratio (NSFR) lag im Jahr 2024 bei durchschnittlich 146 Prozent und steigt damit – wie auch die LCR – das dritte Jahr in Folge (2023: 144,5 Prozent, 2022: 143,9 Prozent).
Investitionen und Innovationen
Nach Jahren der Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen, die durch die Niedrigzinsphase notwendig waren, investieren Banken wieder verstärkt – beispielsweise in ihre IT-Infrastruktur. Besonders bemerkenswert ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI), wie ein Beispiel einer internationalen Grossbank zeigt: Ihr KI-gestütztes System zur Betrugserkennung erreicht eine Genauigkeit von 97 Prozent und konnte die Bearbeitungszeit von Dokumenten um 40 Prozent reduzieren. Die sogenannte Agentic AI ist generell eine zentrale Entwicklung im Bereich der Künstlichen Intelligenz. Sie handelt autonom innerhalb definierter Parameter. Prognosen zeigen, dass bis 2030 ein erheblicher Anteil der Finanzinteraktionen in entwickelten Volkswirtschaften durch agentengesteuerte Systeme erfolgen wird. Diese Agenten sind in der Lage, komplexe finanzielle Entscheidungen zu treffen, Risiken zu bewerten und individuelle Finanzstrategien zu entwickeln.
Nachhaltigkeit als strategischer Vorteil
Ein weiteres Signal für Wandel in der Branche ist die zunehmende Bedeutung von Nachhaltigkeit. Die Green Asset Ratio (GAR), die seit zwei Jahren offengelegt wird, zeigt: Nachhaltigkeit ist längst kein Randthema mehr. Grössere Banken weisen tendenziell höhere Werte auf, was auf ihre stärkeren Ressourcen und den Druck von Investoren zurückzuführen ist. Allerdings lassen sich die Nachhaltigkeitsleistungen eines Finanzinstituts mit dem GAR nur begrenzt abbilden. „Auch für Schweizer Banken wird Nachhaltigkeit zunehmend zur regulatorischen Pflicht“, sagt Katharina Casanova, Partner Banking & Capital Markets in der Schweiz bei BearingPoint. „Mit CRR III, CSRD und den Vorgaben der FINMA steigt der Druck, ESG-Risiken nicht zur erfassen, sondern aktiv zu steuern und transparent offenzulegen. Wer hier frühzeitig handelt, stärkt seine Position im Markt und erfüllt die Erwartungen von Aufsicht und Investoren.“
Cost Income Ratio steigt
Die Bankenstudie 2025 von BearingPoint zeigt jedoch auch weniger erfreuliche Entwicklungen in der Branche auf: So hat sich die Cost Income Ratio (CIR) – der Gradmesser für die Profitabilität – erhöht und damit verschlechtert: Im Jahr 2024 stieg die CIR in Europa nach der signifikanten Reduzierung im Vorjahr wieder leicht auf 53,5 Prozent (+0,8 Prozentpunkte) an. Haupttreiber sind gestiegene Personal- und IT-Kosten.
Europaweit mehr „faule Kredite“, Deutsche Banken kämpfen mit Unternehmensinsolvenzen
Dass Banken nach wie vor mit Krisen am Markt zu kämpfen haben, zeigt die leichte Erhöhung der „faulen Kredite“, der NPL-Quote (Non-Performing Loans) europäischer Banken (+1,1 Prozent gegenüber 2023). Deutschland verzeichnet mit einem Anstieg von 24,9 Prozent das deutlichste NPL-Wachstum in Europa. In Hauptursache hierfür sind die stark gestiegene Anzahl an Unternehmensinsolvenzen sowie die massiven Wertverluste und steigenden Kreditausfälle im gewerblichen Immobiliensektor. In der Schweiz hingegen sank die Zinslast für die Kreditnehmer getrieben durch die expansive Geldpolitik der SNB. Dadurch kam es zu einer Reduzierung der NPL um -1.5% gegenüber 2023.
Regulatorische Herausforderungen und Wirtschaftskrisen
Neue regulatorische Anforderungen wie DORA (Digital Operational Resilience Act) und CRR III sind nach Jahren der Vorbereitung nun in die Umsetzung gegangen – und stellen die Branche in ganz Europa vor Herausforderungen.
Marco Kundert kommentiert: „Steigende Anforderungen an Kapital, Nachhaltigkeit und Technologie werfen eine zentrale Frage auf: Gestalten Banken die Regulierung aktiv mit – oder werden sie gestaltet? Wie die aktuelle Diskussion über die neuen Kapitalanforderungen zeigt, involvieren sich die grösseren Banken aktiv in die Diskussion, während die kleineren Institute bestehende Vorgaben nachholen.“
Zudem sorgen makroökonomische Unsicherheiten und geopolitische Krisen für einen Anstieg der risikogewichteten Aktiva (RWA) und der Risikovorsorge. Die europäischen Banken verzeichneten 2024 einen moderaten Anstieg um 1,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Anhaltende Unsicherheiten (Ukraine-Russland Konflikt, Handelskrieg USA-China) lassen den Banken noch keinen Spielraum Risiken aus ihren Bilanzen zu kürzen – es lässt sich jedoch bereits eine erste Erholung feststellen (Anstieg RWAs von 2022 auf 2023 noch bei 4,3 Prozent).
Katharina Casanova resümiert: „Unsere Analyse zeigt: Die IT-Kosten in der Schweiz sind im Jahr 2024 um 16,4% gestiegen, bedingt durch die Integration der Credit Suisse und die fortschreitende digitale Transformation. Die Cost-Income-Ratio (CIR) der Schweizer Banken bleibt im europäischen Vergleich hoch bei 65,3%, dies natürlich auch aufgrund des starken Fokus der Schweizer Banken auf Internationales Wealth Management. (BearingPoint/mc/ps)
Über die Studie
Die BearingPoint Bankenstudie 2025 basiert auf der Analyse der Jahresabschlüsse von 163 europäischen Banken der letzten drei Jahre (Zeitraum 2022 bis 2024). Alle Institute stehen unter Aufsicht der Europäischen Zentralbank (EZB) oder einer nationalen Aufsichtsbehörde. Insgesamt machte die aggregierte Bilanzsumme der betrachteten Banken im Jahr 2024 rund 40 Billionen Euro aus und umfasst dabei Finanzinstitute in der Eurozone sowie in weiteren Mitgliedsstaaten der EU und Nicht-EU-Ländern wie Grossbritannien, Schweiz und Norwegen. Die vollständige Studie steht hier zum Download zur Verfügung.