Daniel Koller, Head Investment Management Team BB Biotech AG, im Interview

Daniel Koller, Head Investment Management Team BB Biotech AG, im Interview
Daniel Koller, Head Investment Management BB Biotech. (Foto: BB Biotech)

von Sandra Willmeroth

Moneycab.com: Herr Koller, jede Krise eröffnet auch Chancen: Bieten sich in der derzeitigen „Corona-Baisse“ an den Börsen günstige Einstiegschancen?

Daniel Koller: Unserer Meinung nach war die Biotechnologie Branche vor der Krise attraktiv bewertet und das hat sich nun im Verlauf der Korrektur noch weiter akzentuiert. Die aktuelle Sektorbewertung befindet sich auf historisch niedrigen Niveaus. So kommen alle im Nasdaq Biotechnology Index enthaltenen profitablen Biotechs auf ein durchschnittliches 2021er-Kurs-Gewinn-Verhältnis von 13.

Können Sie einige besondere Beispiele nennen?

Vertex Pharma, eine unserer Kernpositionen, in der wir die ersten Positionen 2005 aufbauten, ist mit seinen drei zugelassenen Arzneien zur Behandlung von Zystischer Fibrose Weltmarktführer bei Therapien gegen diese erblich bedingte schwere Lungenerkrankung. Branchenexperten beziffern die jährlichen Spitzenumsätze in dieser Indikation auf bis zu 10 Mrd Dollar. Wenn man sich vor Augen hält, dass die Analysten bei Vertex in den nächsten zwei Jahren eine Verdoppelung des Konzerngewinns erwarten, ist die Aktie mit einem 2021er-KGV von 23 attraktiv bewertet.

Was war der Grund für die erfolgte Neuausrichtung ihres Portfolios?

Wir haben 2018 entschieden, dass Large Caps als etablierte Branchengrössen unsere Ansprüche an das erforderliche zukünftige Umsatz- und Gewinnwachstum im Hinblick auf unsere wichtigste Kennzahl, die mittel- und langfristige Zielrendite, nicht mehr erfüllen. Wir haben das Ziel, Zuwächse von 15 % p.a. zu erreichen. Ausserdem fokussieren wir uns seit einiger Zeit verstärkt auf neue Technologien wie RNA oder Zell-basierte Produkte und genetische Medikamente. Bereiche, in denen vor allem kleinere und mittelgrosse Gesellschaften aktiv sind und in denen es zuletzt einige bahnbrechende klinische Erfolge gegeben hat.

Reut sich nun die stärkere Ausrichtung des Portfolios in Richtung Small und Mid Caps?

Small und Mid-Caps wurden vom Abwärtstrend stärker getroffen. Meist handelt es sich aber um einen unspezifischen Ausverkauf von Aktien und hat wenig mit der fundamentalen Werthaltigkeit der Unternehmen zu tun. Sorgen macht, ob sich kleinere Unternehmen weiter finanzieren können und ob die frühen klinischen Studien unterbrochen oder verzögert werden. Auch Unternehmen, welche in diesen Tagen Produkte lanciert haben, leiden unter dieser zusätzlichen Unsicherheit, da der Fokus auf den Covid-19 gerichtet ist.

«Wir sind überzeugt, dass es sich um eine kurzfristige, durch das negative Sentiment der Investoren bedingte Bewegung handelt.»
Daniel Koller, Head Investment Management Team BB Biotech AG

Sind die Large Caps der Biotech-Branche resistenter gegenüber dem Gesamtmarkt?

Die globalen Aktienmärkte präsentieren sich seit der weltweiten Ausbreitung des Virus äusserst volatil. Da sich die Auswirkungen des Virus auf die Wirtschaft nur schwer einschätzen lassen, verringerten Anleger ihr Aktienengagement und flüchteten in sichere Häfen. Grosse Biotechunternehmen wie etwa Gilead, Biogen und Regeneron profitierten von dieser Marktverwerfung.

Wie wirkt sich die Krise derzeit auf ihr Beteiligungsportfolio aus?

Wir sind überzeugt, dass es sich um eine kurzfristige, durch das negative Sentiment der Investoren bedingte Bewegung handelt. Unsere Unternehmen sind fundamental gut aufgestellt und verfügen in der Mehrheit über eine solide Finanzierungslage. Der Investment Case ist intakt und wir erwarten von den Unternehmen unverändert ein grosses Wachstumspotenzial getrieben von der Innovationsstärke, die sich vor allem in den vielversprechenden neuen Technologien abzeichnet.

Biotechnologie wird in der Corona-Krise plötzlich vom Saulus zum Paulus, so scheint es?

Wir sehen es als einmalige Chance für die Industrie, sich in ein positives Licht zu rücken. Das Ansehen der Branche hat in der Öffentlichkeit gelitten, denn Themen wie Medikamentenpreise sind in den vergangenen Jahren intensiv geführt worden. Die Durchbrüche, etwa in der Gentherapie oder in der Krebsmedizin, gerieten demgegenüber in den Hintergrund.

„Das ist die einmalige Chance für die Industrie, sich in ein positives Licht zu rücken.“

Und jetzt, in der Corona-Krise?

Die Mehrheit der Unternehmen, die an der Bekämpfung des Covid-19-Virus arbeiten, sei es im diagnostischen Bereich oder in der Akutbehandlung und Impfstoffentwicklung, haben verkündet, dass sie den Zugang zu den Produkten als oberste Priorität haben und nicht die Gewinnmaximierung im Vordergrund steht. Viele wollen aktiv einen Beitrag zur Lösung eines gesellschaftlichen Notstandes leisten. Gelingt es, die Corona-Pandemie dauerhaft zu beseitigen, wird sichtbar, dass medizinische Innovation in ihrer Gesamtheit eine grosse gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Relevanz hat.

Anlässlich der Bekanntgabe des Geschäftsergebnisses 2019 deuteten Sie an, dass Sie im aktuellen Jahr mit weiteren „akzentuierten M&A Aktivitäten innerhalb des Sektors“ rechnen. Kristallisieren sich hier bereits erste Übernahmen heraus? Könnten solche durch die Corona-Krise beschleunigt werden?

Sollte sich im Jahresverlauf die Volatilität an den Finanzmärkten legen und sich die Firmenbewertungen wieder in einer stabilen Bandbreite einpendeln, werden die M&A-Aktivitäten nach unserer Einschätzung wieder an Tempo gewinnen. Audentes Therapeutics war unsere letzte Beteiligung, die im Dezember 2019 übernommen wurde. Die Akquisition durch Astellas Pharma brachte uns einen Gewinn von über 50 Mio Dollar. Auch Lizenzabkommen dürften vermehrt im Vordergrund stehen, wie wir es zwischen Incyte und Morphosys respektive Sangamo und Biogen gesehen haben.

Die öffentlichen Verwaltungen sind weltweit weitgehend eingeschränkt. Heisst das, dass im aktuellen Jahr weniger neue Arzneimittel zugelassen werden?

Die Auswirkung des Covid-19 auf die öffentliche Verwaltung ist schwer einzuschätzen. Wir rechnen sicherlich mit einer allgemeinen Verlangsamung der Prozesse. Wir erwarten jedoch, dass mögliche Verzögerungen bei Behörden in diesen Monaten im weiteren Verlauf des Jahres wieder aufholbar sind. Die FDA hat beispielsweise alleine im vierten Quartal 2019 20 Medikamente zugelassen. Und die Krisensituation kann die Prozesse auch beschleunigen: Der Fokus der Behörden auf Covid-19 kommt der Gesellschaft Moderna zugute, welche auf Hochtouren an einem prophylaktischen Vakzin gegen den Covid-19 arbeitet. In diesem Fall haben die Behörden Ausnahmen erlaubt, so dass der Impfstoffkandidat in nur 40 Tage Entwicklungszeit mit einer Phase 1 beginnen konnte.

Welche ihrer Beteiligungen werden in diesem Jahr noch von sich reden machen?

Erwähnenswert sind vier unserer Beteiligungen – Exelixis, Myokardia, Argenx und Ionis Pharma – welche in diesem Jahr über spätklinische Meilensteine berichten und hoffentlich zu einer Wertsteigerung in unserem Beteiligungsportfolio beitragen.

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