Derivatmarkt Schweiz: «Warm-Up» fürs neue Börsenjahr

Derivatmarkt Schweiz: «Warm-Up» fürs neue Börsenjahr

Von Martin Raab, www.payoff.ch

Innovation, Reorganisation und Neufokussierung prägten die Struki-Landschaft zuletzt sehr deutlich. Mit Blick auf 2013 werden viele neue Impulse erwartet. Ein aktuelles Stimmungsbild gibt interessante Antworten.

Das Jahresende rückt in greifbare Nähe. Aus Sicht der Strukturierte-Produkte-Industrie geht ein ereignisreiches Jahr zu Ende – turbulent und wendungsreich bis zuletzt. Das generelle Fazit fällt dabei extrem zweigeteilt aus. Während die einen Player mit Hochdruck und energiegeladen an vielen neuen Projekten arbeiten, geht es bei anderen Häusern um die Gewöhnung an neue Realitäten.

Bekenntnis der UBS zu Strukis
Glücklicherweise keine Kehrwertwende ist nach aktuellem Sachstand vom Schwergewicht UBS zu erwarten. Die Skizzen der künftigen Struktur lieferte Investment Banking-Chef, Andrea Orcel, jüngst: Die Grossbank plant Strukturierte Produkte auch weiterhin als Teil ihrer Investment Banking-Strategie anzubieten. Der (Eigen-)Handel von komplexen, institutionellen Strukturen wird hingegen aufgelöst. Kennern ist dabei längst klar: Ohne Investmentprodukte tut sich ein Wealth-Management schwer, erfolgreich zu sein. In der täglichen Praxis – fernab ggf. anstehender Top-Management-Entscheidungen – bleibt bei der UBS nach Auskunft von Patrick Stettler, Leiter Public Distribution Schweiz, der Fokus auf einem breit abgestützten Angebot. Man legt auch im Jahr 2013 Wert auf die konzeptionelle Qualität der Produkte sowie fortlaufende Education-Massnahmen für Anleger.

Online-Erweiterung bei der Credit Suisse
Beim weiteren Schwergewicht am Markt, der Credit Suisse, blickt man «sehr zufrieden» auf das vergangene Jahr zurück.  «Die nahtlose und erfolgreiche Integration des Bereichs Strukturierte Produkte der Clariden Leu in die Credit Suisse freut uns sehr», so Daniel Sandmeier, Leiter Marketing & Distribution Strukturierte Produkte. «Damit hat die Credit Suisse die Spitzenposition im Bereich Renditeoptimierungsprodukte an der Scoach übernommen und ist im Segment der börsenkotierten Strukturierten Produkte insgesamt in die Top 5 Emittenten aufgerückt.» Mit Blick nach vorne, wird die CS mit einem rundum erneuerten Online-Angebot aufwarten. «Unser Online-Portal zur Herstellung massgeschneiderter Strukturierter Produkte, wird neu über ein Cross-Asset Class Produktangebot verfügen und macht sich Expertise, Funktionalität und Angebot verschiedener existierender Plattformen innerhalb der Credit Suisse zu Nutze.» gibt Sandmeier einen Ausblick.

Goldman Sachs pusht Swiss DOTS
Im Schweizer Warrants-Markt, welcher bis dato sehr Einzeltitel-getrieben war, scheint sich eine deutlich grössere Nachfrage nach Index-Titeln, allen voran auf den DAX, zu formieren. «Zusammen mit einer grösseren Nachfrage nach US- und europäischen Titeln ist ein Trend zu beobachten, der etwas vom traditionell stark ausgeprägten Home Bias weggeht», stellt Lennart Wilhelm, Executive Director bei Goldman Sachs, fest. Die Investmentbank ist Gründungsgesellschafter von Swiss DOTS, dem OTC-Marktplatz für Hebelprodukte. Mit Blick auf 2013 plant man dort auch Anlageprodukte anzubieten. Zuletzt wurde das Angebot durch die Hinzunahme von Mini-Futures ergänzt. «Aktive Trader können bereits heute auf Swiss DOTS 38‘000 Hebelprodukte handeln, damit ist unser Angebot heute schon fast 50% grösser als das an der Scoach», unterstreicht Wilhelm. Auch ist geplant, die Plattform in Zukunft für weitere Emittenten zu öffnen. «Dies wird wahrscheinlich schon im kommenden Jahr passieren und wir befinden uns dazu derzeit in Gesprächen», so der Derivat-Experte.

Scoach gibt Gas beim Umbau
Diese Aktivitäten schmecken dem etablierten Platzhirsch Scoach naturgemäss nicht. Als Antwort zu den alternativen, unregulierten Handelsplätzen baut Scoach am Segment für OTC-platzierte Strukturierte Produkte. «Trotz einem herausfordernden Jahr mit vielen Wendungen und Wirrungen gehe ich davon aus, dass wir im Frühling 2013 bereit sein werden, um erste Geschäfte über das neue Segment abzuwickeln», gibt sich André Buck, Head of Marketing bei der Scoach, zuversichtlich. Mit Blick auf die Transparenz kommt für ihn der Zulassung und der Marktüberwachung bei Anlageprodukten eine absolut zentrale Funktion zu. «Ohne eine professionelle Prüfung sehen wir den Schutz des Anlegers stark gefährdet», unterstreicht Buck. Auf verschiedenen Kanälen wurden Beschwerden seitens der Privatanleger zu Tradeausführungen von Hebelprodukten bei alternativen Handelsplätzen geäussert. Konkrete Versäumnisse konnten aber letztlich keinem Emittenten zur Last gelegt werden.

EFG-Weltpremiere auf dem Kursblatt
Als Leuchtturm-Effekt für die Branche zählte ohne Zweifel der Börsengang von EFG Financial Products (EFG FP). Am 19. Oktober wagte sich der weltweit erste und reine Anbieter von Strukturierten Produkten auf das Parkett. Bisher oszilliert der Aktienkurs um 45 Franken, was auch dem Ausgabepreis entspricht. «Das IPO war mutig, doch das wird nun verdienterweise belohnt», hört man anerkennend in der Branche. Dennoch ist es für abschliessende Analysen noch zu früh. Auch sind noch sämtliche Mitarbeiteraktien gesperrt. Wichtig bleibt jetzt, das Tempo bei EFG FP zu halten. Die im Jahr 2007 von den Goldman Sachs- bzw. Lehman Brothers-Managern Jan Schoch, Michael Hartweg, Sandro Dorigo und Lukas Ruflin gegründete Firma blickt auf ein rasantes Wachstum zurück. Trotz herausforderndem Marktumfeld stieg der operative Ertrag zwischen 2009 und 2011 um jährlich rund 26%. In 2013 dürfte das Wachstum nach Schätzungen erneut über 20% liegen. Wie gut das nun endende Jahr war, wird am 21.02.2013 klar sein. Dann präsentiert EFG FP die Jahresergebnisse. «Quartalszahlen publizieren wir keine», erklärt Pedram Payami, Head of Investor Relations. Man hat sich bewusst gegen börsliches Kurzfristdenken entschieden.

Commerzbank fokussiert Trader
Äusserst kurzfristig, dies aber aus gutem Grund, ist hingegen der Handelshorizont der Hebeltrader. Diese Zielgruppe will die Commerzbank in 2013 bevorzugt für sich begeistern, «auch wenn die derzeitige Trendlosigkeit viele Anleger etwas mürbe macht», so Dominique Böhler, Head Structured Products & ETF bei der Commerzbank in Zürich. «Was wir jedoch seit dem Sommer beobachten konnten, ist das Bedürfnis nach Hebelanlagen auf Basiswerte mit stärkeren Schwankungen, wie beispielsweise Bankaktien», erklärt er weiter. Die Trading-orientierten Kunden stürzen sich auf Basiswerte, die sich bewegen. «Long oder Short ist den Tradern egal, Hauptsache eine Kursbewegung,» In Sachen Produktspektrum wird man die Palette der beliebten Faktorzertifikate in Kürze expandieren. «Wir werden damit versuchen, unsere Marktanteile bei den Hebelprodukten auszubauen», erklärt Böhler. Nicht ausgebaut, aber umgebaut wird das Struki-Team Schweiz der Commerzbank. Wie man am Markt hört, gibt es ab Januar offizielle News hierzu.

Vontobel expandiert nach Dubai und Singapur jetzt im UK
Über ambitionierte Pläne weiss auch die Bank Vontobel zu berichten. Die rund 18% Marktanteil im Schweizer Derivatmarkt möchte man in 2013 unbedingt verteidigen. «Wir sind gut aufgestellt, um weitere Kunden zu gewinnen, sowohl in den Kernmärkten Schweiz und Deutschland als auch in unseren neuen Standorten Singapur, Dubai und London», gibt Georg von Wattenwyl, Chef des Bereichs Strukturierte Produkte bei Vontobel Financial Products, zu verstehen. Neben dem weiteren Ausbau des Struki-Bereichs in Singapur auf jetzt vier Vollzeitkräfte auf Beratungs- und Vertriebsseite sowie zwei Mitarbeiter für den technischen Support von «deritrade» ist man nun auch seit kurzer Zeit über die Tochtergesellschaft Vontobel Europe im Londoner Nobeldistrikt Mayfair vertreten. Ziel ist der Auf- und Ausbau der Plattform für britische Kundschaft, vornehmlich Privatbanken und Vermögensverwalter. «Die Skalierbarkeit von deritrade hilft uns sehr bei der Expansion, insbesondere auch die jüngste Öffnung zur Multi-Issuer Plattform unterstreicht die zunehmende Attraktivität von Trading-Plattformen für Buy- und Sell-Side gleichermassen», erklärt Georg von Wattenwyl.

Substanz statt Volumenstreben bei Bank Bär
Expansion und das Beschreiten neuer Wege treibt derzeit die Bank Julius Bär an – auch im Bereich der Strukturierten Produkte. Marktkennern ist es nicht entgangen, dass die Bank Bär dieses Jahr zum ersten Mal Callable-Strukturen angeboten hat. «Auch unsere Long Leverage-Zertifikate auf fünf- und zehnjährige Zinssätze waren ein Dauerbrenner. Das Thema Zinsen werden wir weiter verfolgen», freut sich Willi Bucher, Head Structured Products Sales and Structuring bei der Bank Julius Bär. In Sachen Markttrends stellt er fest, dass «die Kunden in Bonds die Duration verlängern und/oder durch schlechtere Schuldnerqualität das Risiko bewusst oder unbewusst erhöhen, um einen attraktiveren Coupon zu erreichen». Auf der Gegenseite aber wird nur bedingt in Aktien investiert. «Man fragt sich, ob das Risiko vom Investor in den verschiedenen Anlageklassen nicht objektiv verglichen wird», so Bucher. Mit Blick auf das neue Jahr liegt ihm Substanz am Herzen: «Wir wollen im Derivatmarkt weiterhin eine gewichtige Rolle spielen. Eine solide, nachhaltige Schweizer Gegenpartei zu sein erscheint uns wichtiger als ein reines Volumenstreben um jeden Preis.»

ZKB mit klaren Plänen
Zufriedenstellendes «business as usual» zeigt sich bei den Kunden der ZKB. «Es gab keine besondere Reaktion auf die Entscheidung der US-Wahlen», kommentiert Sinah Wolfers, Sales Strukturierte Produkte. Positive Reaktionen gab es jedoch dank dem neuen ZKB Kredit Index Schweiz in den Versionen Diversifikation und Rendite (Valor 10716712). Damit ist der ZKB eine echte Innovation im Schweizer Markt gelungen. Man hat quasi einen Schweizer iTraxx erschaffen. «Wir folgen hier ganz klar dem Bedarf für eine konservative Anlageform ohne Zinsrisiken mit maximalem Bezug zur Schweiz», so Hans-Peter Vetter, Leiter Produktvertrieb. «Neben dem Produktangebot bauen wir auch unser StruktiFit Lerntool aus, welches gerade iPad-tauglich gemacht wird, und wir werden in 2013 für den überwiegenden Teil unserer Produkte ein anlegerfreundliches Reporting online anbieten», erklärt Vetter weiter. In punkto Vertriebsziele unterstreicht Hans-Peter Vetter: «Für uns stehen Kundennutzen und Qualität des Angebots an erster Stelle. Wir orientieren uns nicht an Marktanteilen.»

Faktor-Offensive bei der RBS
Bei der Royal Bank of Scotland (RBS) wurde unterdessen Taufe für das erste Faktorzertifikat FLSMI4 gefeiert. Im Unterschied zu den Faktorzertifikaten der Commerzbank sind die RBS-Faktorzertifikate ein gehebeltes Produkt – und kein Delta-One-Tracker auf einen gehebelten Index. «Unser SMI-Faktorzertifikat wird bald Gesellschaft von weiteren auf Indizes wie dem DAX oder S&P500 und Edelmetallen bezogenen Faktorzertifikaten bekommen. Die Hebel werden jeweils vier oder fünf sein», erläutert Florian Stasch von RBS Schweiz. Die Produktverbreiterung ist stimmig, bieten doch die Schotten schon heute vielzählige Mini-Futures und Warrants an. Ein perfekter Showcase für erstklassige Wertentwicklung ist der RBS Eurozone-Peripheriebasket PERID bzw. PERIP. Das Markettiming war hervorragend, die Performance bis dato ebenfalls. «Wir hatten viele Anfragen auf dieses Produkt, und die Volumen sind für ein Nischenangebot sehr zufriedenstellend. Mal sehen, welches Thema wir in 2013 kurzfristig aufgreifen können», äussert sich Florian Stasch verhalten optimistisch. Jüngst hat RBS Schweiz mit dem Ausscheiden von Irene Brunner eine wichtige Ressource verloren.

Kräftebündelung bei Sarasin
«Sehr grosse Verunsicherung» stellt man bei den Anlagekunden der Bank Sarasin fest. Diese Unsicherheit hat aber nichts mit dem Eigentümerwechsel des Bankhauses zu tun, sondern ist makroökonomisch getrieben. «Solange keine Aussicht auf Problemlösungen in der Eurozone besteht, dürfte sich das auch nicht ändern», ist Martin Schreier, Head Financial Engineering bei der Bank Sarasin, sicher. Auf der Agenda seines Teams steht derzeit die Schaffung der technischen Grundlagen, um künftig auch Strukis mit Call-Feature und Tracker-Zertifikate auf Obligationen und gemischte Portfolios über die Guernsey Branch emittieren zu können. «Zudem öffnet uns die künftig noch intensivere Zusammenarbeit mit der Safra-Gruppe den Weg in neue Märkte wie Brasilien. Unseren Kunden bieten wir über Strukturierte Produkte Zugang zu einem noch breiteren Anlageuniversum», so Schreier. Intern werden in den nächsten Monaten die Trading- und Treasury-Aktivitäten von Sarasin und Safra gebündelt. «In diesem Zusammenhang wird auch unsere Positionierung im Geschäft mit Strukturierten Produkten gestärkt», gibt Schreier einen Ausblick.

RBC steht kurz vor Listing
Mit viel Elan ist nach wie vor die Royal Bank of Canada (RBC) im Schweizer Markt engagiert. So ist für das Q1/2013 das erste Listing an der Scoach geplant, derzeit laufen noch die internen Funktionstests. Ferner evaluiert man attraktive Produktstrukturen für hiesige Vermögensverwalter und Privatanleger. Der RBC wird aufgrund der sehr soliden Ratings (Aa3/AA-/AA) und des kompetitiven Zugangs zu nordamerikanischen Basiswerten grosse Beachtung geschenkt. Die RBC gehört erwartungsgemäss – neben den anderen bekannten Playern – zu den Adressen, die auch im Jahr 2013 den hiesigen Markt für Strukturierte Produkte bereichern werden. Es bleibt in jedem Fall spannend.

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