Devisenhandel: Milliarden-Markt mit Wildwest-Regeln

Devisenhandel: Milliarden-Markt mit Wildwest-Regeln

Zürich – Weltweit ermitteln die Aufsichtsbehörden wegen angeblicher Manipulationen am Devisenmarkt – und treffen die Banken damit an einer empfindlichen Stelle. Denn in diesem Segment verdienen die Institute jedes Jahr Milliarden.

Das hat nicht nur damit zu tun, dass es der grösste Markt im Finanzsystem ist, es ist auch der am wenigsten regulierte. Das bietet den Geldhäusern viel Spielraum und macht es damit für manch eine Bank zum profitabelsten Geschäft überhaupt, wie aus Bankerkreisen zu erfahren ist.

Auf den ersten Blick erstaunt das, denn der Devisenhandel ist ein margenarmes Geschäft. Grosse Transaktionen etwa für Hedgefonds bringen Banken gerade mal vier bis neun Dollar pro gehandelter Million. Dass sich das Geschäft für die Institute trotzdem lohnt, hängt mit den riesigen Volumina zusammen.

Laut einer Berechnung der in Basel ansässigen Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) werden in der Spitze täglich mehr als fünf Billionen Dollar gehandelt – fast das Doppelte der jährlichen Wirtschaftsleistung Deutschlands.

Der Datenanalysefirma Coalition zufolge summierten sich allein die Devisenhandelseinnahmen der weltweit gut 200 Investmentbanken 2012 auf 29 Milliarden Dollar – was über zehn Prozent der Gesamterträge dieser Banken entspricht.

Und das ist noch nicht alles: In dieser Zahl sind nur die Geschäfte der Investmentbanken mit Grossanlegern wie Hegdefonds sowie Grosskonzernen enthalten. Die Geschäfte mit Geschäftsbanken und kleineren Firmen sind nicht mitgezählt. Ebenfalls nicht eingerechnet sind die Erträge anderer Geldhäuser, etwa der Privatbanken.

Margenschwund
Offen sagen, wie viel sie im Devisenhandel verdienen, wollen die wenigsten Banken. Eine Ausnahme ist die Schweizer Privatbank Julius Bär, die 2012 auf 255 Millionen Franken kam – ein Viertel weniger als im Vorjahr. Der Marktführer Deutsche Bank erwirtschaftete konservativen Schätzungen von Experten zufolge rund 2,2 Milliarden Dollar, die UBS als Nummer vier 1,2 Milliarden Dollar.

Dabei liefen die Geschäfte auch schon mal besser. Während die Volumen im Gesamtmarkt stetig stiegen, sanken Coalition zufolge die Erträge der Investmentbanken vom Spitzenjahr 2008 um ein Drittel. Diese gegenläufige Entwicklung erklärt Coalition-Analysechef George Kuznetsov vor allem mit dem markanten Margenschwund.

Investmentbanken verdienen im Devisenhandel am besten, wenn die Kurse stark schwanken. Das aber ist seit dem Lehman-Kollaps im Jahr 2008 weniger der Fall. Zudem werde ein immer grösserer Teil des Geschäfts über elektronische Plattformen statt über das Telefon abgewickelt.

Mit der besseren Vergleichbarkeit der Kurse sinken die Margen der Händelshauser. Analysten sprechen inzwischen von einem richtigen Preiskrieg. Die Untersuchungen der Aufsichtsbehörden in der EU, den USA und der Schweiz haben einem Londoner Fondsmanager zufolge dagegen bisher kaum zu einem Volumeneinbruch geführt.

Veraltete Infrastruktur
Bisher mussten sich die Akteure am Markt kaum vor den Aufsichtsbehörden fürchten. Der Devisenhandel (Forex) ist das am schwächsten regulierte Segment unter den grossen Finanzmärkten. «Forex wird kaum überwacht, Forex ist Wild West», erklärt ein Devisen-Händler.

Regeln gibt es schon: Banken in den USA und auch in der EU sind verpflichtet, eine Transaktion zum besten zu einem bestimmten Zeitpunkt verfügbaren Kurs abzuschliessen, erklärt Kern Alexander, Rechtsprofessor an der Universität Zürich.

Die Regeln werden einem Händler zufolge kaum durchgesetzt. Im Gegensatz etwa zu Aktienbörsen wird das Geschäft praktisch nicht überwacht und auch nicht systematisch aufgezeichnet. Entsprechend schwierig ist es nachzuweisen, dass ein Kunde nicht den besten Preis bekommen hat.

Die Kurse verändern sich oft in Sekundenbruchteilen, wenn auch nur in geringem Ausmass. «Bei den grossen Volumen kann man auch auf der vierten Nachkommastelle etwas rausholen», erklärt ein Händler.

Hedgefonds und andere professionelle Händler nutzten so lediglich die Ineffizienzen im Markt, erklärt Richard Olsen, Mitgründer des Deviseninformationsanbieters Oanda. «Weil die Devisenmärkte so komplex sind, öffnet das Tür und Tor, um Spiele zu spielen.»

Die Devisenmärkte bauten auf Abläufen auf, die aus einer Zeit stammten, als noch der Pöstler die Transaktionsbelege austeilte. «Wir müssen eine Finanzinfrastruktur schaffen, die berücksichtigt, dass 80 Prozent der Positionen lediglich 20 Minuten gehalten werden. Meine Vision ist ein einziger weltweiter elektronischer Markt.» (awp/mc/ps)

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