EUR/CHF kurzfristig unter Parität

EUR/CHF kurzfristig unter Parität
(Foto: pagomenos - Fotolia)

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Zürich – Die Finanzmärkte haben nach der überraschenden Aufhebung des SNB-Mindestkurses von 1,20 CHF zum Euro verrückt gespielt. Der Franken stieg innert Minuten in ungeahnte Höhen, die Kurssysteme waren zum Teil gar nicht mehr in der Lage, die Kursbewegungen abzubilden. Und aufgrund des kometenhaften Höhenflugs des Frankens auch zum US-Dollar crashten vor allem dollarsensitive Schweizer Aktienwerte regelrecht.

Genau um 10.30 Uhr verschickte SNB eine Meldung an die Presse, wonach sie ab sofort den Mindestkurs des Frankens zum Euro nicht mehr verteidigen werde. In den Minuten danach fielen die Währungspaare EUR/CHF sowie USD/CHF phasenweise wie ein Stein nach unten. EUR/CHF sackte laut Händlern phasenweise bis auf 0,8720, und damit das erste Mal unter die Parität. Zuletzt war das Währungspaar im August 2011 kurz vor Einführung der Mindestgrenze von 1,20 im September 2011 bis fast auf diesen Wert gesunken. Derzeit notiert das Währungspaar wieder über klar über der Parität bei 1,03 (Stand 12.30 Uhr).

Auch USD/CHF fiel extrem stark zurück, und zwar bis in den Bereich von 0,75 CHF pro US-Dollar. Einzig im August 2011 – ebenfalls kurz vor Einführung der Mindestgrenze – hatte das Paar auf einem ähnlichen Niveau notiert. Derzeit steht das Paar wieder bei 0,88. Auch die Spreads – die Unterschieden zwischen Kauf- und Verkaufskurse – stiegen in fast ungesehene Höhen; zudem zeigten die Kurssysteme Crossrates, die weit vom rechnerischen Wert entfernt lagen. Laut Händlern haben gewisse Devisenhäuser den Handel mit Devisen zumindest vorübergehend eingestellt.

Ein grosser Crash zeichnet sich aufgrund der Frankenstärke auch bei den Schweizer Aktien ab. Kurz nach Mittag notiert das wichtigste Schweizer Aktienbarometer SMI 13,2% im Minus bei 7’980 Punkten – die entspricht laut Händlern dem grössten Tagesverlust in der Geschichte. Die Kurse der Einzeltitel schwanken auch hier extrem hin und her, zur Berichtszeit sind Julius Bär (-22%), Sonova (-18%) oder Richemont (-17%) die grössten Verlierer.

«Mir fehlen die Worte»
Der Entscheid der SNB wurde unterschiedlich kommentiert. Ihm «fehlten die Worte», meinte ein Händler am Donnerstagvormittag gegenüber der AWP. «Das, was nicht passieren durfte, ist eingetreten – die Spekulanten haben gegen die Nationalbank gewonnen», kommentierte er. Damit sei die Glaubwürdigkeit der SNB dahin. Die Währungspaare seien wie ein Stein abgesackt, sagte ein anderer Händler. Falls die SNB die Franken-Aufwertung auf eine geordnete Weise habe durchführen wollen, sei sie kläglich gescheitert. Der Devisenmarkt habe heute Morgen eigentlich nicht mehr richtig funktioniert und warte derzeit, bis sich der Nebel lichte.

Einen neuen Mindestkurs werde es wohl nicht mehr geben, kommentierte ein Devisenanalyst der deutschen Helaba. Die Marktteilnehmer würden wohl kein Vertrauen mehr haben, dass dieser langfristig gehalten werde. «Der Euro-Franken wird nun den Marktkräften überlassen und es dürften sich Kurse im Bereich der Parität einstellen», so die Schlussfolgerung.

Zum Teil ein gewisses Verständnis bei Analysten
Die Analysten von Safra Sarasin sind zwar wie die SNB der Meinung, dass die Schweizer Wirtschaft mit einem leicht höheren Wechselkurs leben kann; sie zeigen sich aber überrascht, dass die SNB nicht versucht habe, den Wechselkurs länger und mit grösseren Beträgen zu verteidigen. Wirtschaftlich könnte dies zwar mittelfristig die richtige Entscheidung gewesen sein. Es dürfte die SNB aber Glaubwürdigkeit gekostet haben, vor allem in Bezug auf mögliche Devisen-Commitments.

Zum Teil zeigten Analysten auch ein gewisses Verständnis für den Entscheid der SNB. Das QE-Programm der EZB und eine allenfalls damit verbundene weitere Schwächung des Euro gegenüber dem USD hätte den Druck auf die SNB weiter erhöht, auch nachzulegen und die eigene Bilanz nochmal auszudehnen, meinte etwa UBS-Chefökonom Schweiz Daniel Kalt. «Die SNB war in einer Ecke», erklärte er am Donnerstag an einer Veranstaltung der Bank in Zürich. Der Effekt der Negativzinsen sei ja bereits nach ein paar Wochen verpufft gewesen. (awp/mc/pg)

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