Athen: EU vor «schwierigen Entscheidungen»

Athen: EU vor «schwierigen Entscheidungen»

EU-Währungskommissar Olli Rehn.

Brüssel – Für das vom Staatsbankrott bedrohte Griechenland geht es um alles. Die Verhandlungen über die dringend benötigten Finanzhilfen sind nach Informationen aus Athen und Brüssel kurz vor dem Abschluss. Nach Angaben von EU-Währungskommissar Olli Rehn stehen schon im laufenden Monat «schwierige Entscheidungen» an.

Eine Expertenrunde von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) prüft seit Wochen, ob Athen im laufenden Jahr genug spart, um bald eine neue Kredittranche von zwölf Milliarden Euro aus dem laufenden Rettungsprogramm zu erhalten. Berlin machte am Mittwoch klar, dass sich Deutschland und die Euro-Partnern nur gemeinsam mit dem IWF an Hilfszahlungen beteiligen werden – oder sie zurückhalten, sollten die Sparzusagen von Athen nicht erfüllt werden.

Weiteres Rettungsprogramm in Vorbereitung
Währungskommissar Rehn bestätigte in Brüssel, dass die Verhandlungen zwischen Athen und der Kontrollmission in «den nächsten Tagen» abgeschlossen werden sollen. «Bisher wurde guter Fortschritt gemacht bei den laufenden Gesprächen. Dabei geht es um die dringendsten Punkte: Massnahmen zur Schliessung der Haushaltslücke 2011 und die Umsetzung des Privatisierungsprogramm von 50 Milliarden Euro», sagte Rehn. Nach einem positiven Abschluss der Überprüfung würden die EU und der IWF – nicht näher bezeichnete – «weitere Schritte» vorbereiten, kündigte der Währungskommissar an. Dabei gehe es um ein Absichern der Finanz-Stabilität und ein Fortsetzen der wirtschaftlichen Reformen in Griechenland. Griechenland werde wohl nicht – wie ursprünglich geplant – Anfang kommenden Jahres an die Kapitalmärkte zurückkehren können. Laut Beteiligten wird für Griechenland bereits an einem neuen Rettungspaket von 60 bis 70 Milliarden Euro gearbeitet.

Merkel: «Stabilität der Eurozone am allerwichtigsten»
In Berlin betonte Schäuble-Sprecher Martin Kotthaus, er gehe davon aus, dass die Euro-Partner, EU-Kommission und IWF nur gemeinsam beim Rettungsprogramm für Griechenland vorgehen. Damit widersprach er anderslautenden Spekulationen. Der Bericht der sogenannten Troika zur Lage der Staatsfinanzen und zu den Reformfortschritten in Griechenland wird laut Kotthaus frühestens am Freitagabend vorliegen, vielleicht erst am Samstag oder Sonntag. Bundeskanzlern Angela Merkel (CDU) sagte bei einem Staatsbesuch in Singapur, erst nach Prüfung des Berichts werde entschieden, «was als nächstes zu tun ist». «Die Stabilität der Eurozone ist am allerwichtigsten», sagte sie. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) plädiere nach wie vor für eine Beteiligung der privaten Gläubiger, sollten weitere Massnahmen nötig sein, um Griechenland mehr Zeit zu geben, bekräftigte Kotthaus. Sollte der öffentliche Sektor mehr Zeit gewähren, könne sich der private Sektor nicht aus der Verantwortung zurückziehen.

Wiener Vereinbarung
Nach informierten Kreisen denkt man in Brüssel für ein neues Griechenlandpaket unter anderem an ein Vorgehen nach dem Muster der sogenannten Wiener Vereinbarung nach. Dabei würden private Gläubiger freiwillig neue Anleihen von der griechischen Regierung kaufen, wenn die alten auslaufen. Dieses Verfahren wurde bei der Rettungsaktion für osteuropäische Länder wie Ungarn, Rumänien, oder Lettland 2009 angewandt. Grosse Banken sagten damals zu, ihr Engagement nach dem oben beschriebenen Muster in Osteuropa aufrecht zu erhalten.

Private Geldgeber in die Pflicht nehmen
Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Carsten Schneider, forderte in Berlin, die privaten Geldgeber müssten einen nennenswerten Beitrag leisten und auf einen Teil ihrer Gewinne verzichten. Sie hätten bisher genug verdient. «Je länger wir warten, umso teurer wird es für den Steuerzahler.» Schon jetzt seien Kredite der Banken in grossem Umfang durch Kredite der Staaten und der EZB abgelöst, «für die am Ende wir alle einstehen müssten». Schneider hob die Wichtigkeit einer Beteiligung des IWF an Hilfszahlungen hervor. Sollte der IWF sich an der Auszahlung der nächsten Tranche nicht beteiligen, käme das einem Wegfall der Geschäftsgrundlage gleich. Dann müsste sich der Bundestag erneut damit befassen.

Treuhandanstalt für Athen?
Schäubles Sprecher betonte, Griechenland müsste bei weiteren Entlastungen zusätzliche Massnahmen anbieten. Auch müsse Athen deutlich machen, wie die Privatisierungspläne «ganz konkret und ganz nachvollziehbar» ablaufen und alle Verzögerungen beseitigt werden können. Offensichtlich gebe es in Athen Pläne für eine Treuhandanstalt zur Umsetzung der Privatisierungspläne, sagte Schäubles Sprecher. Die Regierung in Athen kündigte an, mehr als 70 kleinere staatliche Unternehmen und Behörden entweder abzuschaffen oder sie fusionieren zu lassen. Damit ist die berufliche Zukunft von rund 7000 Beschäftigten beim Staat unsicher. Athen will zudem eine unabhängige Institution gründen, über die zahlreiche Privatisierungen und der Verkauf von staatlichem Eigentum laufen sollen. Dadurch sollen 50 Milliarden Euro in die Staatskasse fliessen. Zudem müssen die Griechen bis 2015 rund 28 Milliarden Euro mit Sparmassnahmen und Steuererhöhungen sparen. (awp/mc/upd/ss)

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