Noch höhere Defizite in Griechenland und Portugal

Noch höhere Defizite in Griechenland und Portugal

Griechenlands Premierminister Giorgos Papandreou.

Luxemburg – Die finanzielle Lage der beiden Schuldensünder Griechenland und Portugal ist noch ernster als bislang bekannt. Die europäische Statistikbehörde Eurostat revidierte am Dienstag die Haushaltsdefizite beider Euro-Länder weit über die nationalen Daten hinaus nach oben. Nach neuesten Zahlen lag 2010 in Griechenland der Fehlbetrag im Haushalt bei 10,5 statt 9,6 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP).

Das Defizit Portugals belief sich auf 9,1 statt 8,6 Prozent. Erlaubt sind nach dem Maastricht-Vertrag höchstens drei Prozent. Portugal war vor drei Wochen unter den Euro-Rettungsschirm geschlüpft und hatte um Milliardenkredite gebeten. Die schlechten Zahlen dürften die Diskussion um eine mögliche Umschuldung des pleitebedrohten Griechenlands befeuern. Vor einem Jahr hatten die Europäer und der IWF ein Hilfspaket von 110 Milliarden Euro geschnürt, um Athen vor dem Staatsbankrott zu retten. Das griechische Finanzministerium führte das höhere Staatsdefizit am Dienstag vor allem auf den Einbruch der griechischen Wirtschaft zurück. Nach Angaben des Statistischen Amtes (ELSTAT) war die Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr um 4,5 Prozent geschrumpft, wodurch die Steuereinnahmen sanken. Die Talfahrt dauerte auch in den ersten drei Monaten des Jahres an. Laut Eurostat schlugen die aktualisierten Daten über die Verbindlichkeiten der Sozialversicherung negativ zu Buche.

Unbehagen an Märkten
An den Märkten und bei Volkswirten lösten die Daten Unbehagen aus. «Die heutigen Zahlen zeigen, dass der Weg zu einer nachhaltigen Stabilisierung der griechischen Staatsfinanzen noch sehr weit ist», schrieben Volkswirte der Commerzbank. Zwar habe Athen die Defizitquote im vergangenen Jahr gegenüber 2009 um knapp fünf Prozentpunkte von 15,4 auf 10,5 Prozent gedrückt. «Viele werden aber daran zweifeln, dass ähnliche Fortschritte in den kommenden Jahren möglich sein werden.» In Portugal loten derzeit Vertreter von IWF und EU den Finanzbedarf des Landes aus. Die Rede ist von rund 80 Milliarden Euro Krediten. Die Abweichung der neuen Daten erklärten die Experten damit, dass Unternehmen, die dem Staat gehören, bei der neuen Berechnung in den Haushalt einbezogen wurden. Dies habe auch die Staatsschulden nach oben getrieben, die sich 2010 auf 93 Prozent des portugiesischen BIP beliefen – etwa zehn Prozentpunkte höher als jüngst angenommen. «Weitere Sparmassnahmen und Steuererhöhungen werden notwendig sein, die der IWF und die EU für ihre finanzielle Hilfe auch fordern werden», schrieb die Commerzbank.

Irland mit höchstem öffentlichen Defizit
Die höchsten öffentlichen Defizite gemessen an der Wirtschaftsleistung meldete für das vergangene Jahr Irland mit 32,4 Prozent. Das Land leidet unter einer Bankenkrise und musste im November 2010 unter den Euro-Rettungsschirm flüchten. Irland erhält 85 Milliarden Euro Hilfe. Auf Platz zwei folgte Griechenland (10,5 Prozent Defizit), danach Grossbritannien mit 10,4 Prozent, Spanien (9,2 Prozent) und Portugal (9,1 Prozent). Deutschland lag mit 3,3 Prozent knapp über dem erlaubten Richtwert von drei Prozent. Der Schnitt aller Euro-Länder betrug 6,0 Prozent. Von allen EU-Ländern stand Griechenland im vergangenen Jahr auch am schlechtesten beim öffentlichen Schuldenstand gemessen am BIP dar. Mit 142,8 Prozent war Athen absoluter Spitzenreiter – erlaubt sind 60 Prozent. Danach folgten Italien (119 Prozent), Belgien (96,8 Prozent), Irland (96,2 Prozent) und Portugal (93 Prozent). Deutschland folgte mit 83,2 Prozent.

Athen bekräftigt Reform- und Sparwille
Das griechische Finanzministerium erklärte unmittelbar nach Bekanntgabe der neuen Zahlen, Griechenland bleibe konzentriert auf Kurs bei seinem Reform- und Sparprogramm. Nach Einschätzung der griechischen Presse muss Athen in den kommenden Monaten knapp drei Milliarden Euro zusätzlich einsparen. Der Sprecher von EU-Währungskommissar Olli Rehn lobte in Brüssel die Sparziele Athens: «Es gibt eine Reihe an Initiativen, die die Athener Regierung ergriffen hat, um alles Nötige zu tun, damit sie gemeinsam mit den Partnern die Sache in den Griff bekommt.» Auf die Frage nach Folgen sagte der Sprecher: «Es ist verfrüht, über mögliche Konsequenzen zu reden.» Schon mehrfach hat Eurostat die Zahlen für Griechenland nach oben revidiert. Das Land hatte zudem mit gefälschten Statistiken Schlagzeilen gemacht. Dieses Problem sei inzwischen aus dem Weg geräumt, sagte der Sprecher von Rehn. «Seit November 2010 sind die Daten Griechenlands zu 100 Prozent vertrauenswürdig.» Seitens des Athener Finanzministeriums hiess es, es sei wichtig, dass die Fakten, die aus Griechenland an die europäische Statistikbehörde übermittelt werden, nicht mehr in Frage gestellt werden. (awp/mc/upd/ps)

Eurostat

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