ING IM Market Express: Die USA steuern auf eine Fiskalklippe zu

ING IM Market Express: Die USA steuern auf eine Fiskalklippe zu
(Bild: lassedesignen - Fotolia.com)

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Frankfurt am Main – Die Haushaltsklippe in den USA ist zurzeit das wichtigste „Tail Risk“. Wenn auch Hoffnung auf einen baldigen Kompromiss besteht, so bleiben Unternehmen, Verbraucher und Anleger in den USA vorsichtig. Daher zieht ING Investment Management weiterhin europäische Aktien US-Titeln vor.

In diesem Jahr stand die Steuerung von Tail Risks, also Extremrisiken, im Mittelpunkt. Dabei dominierten vor allem die EU-Staatsschuldenkrise, eine mögliche harte Landung der chinesischen Volkswirtschaft und die US-Fiskalklippe das Geschehen. Während sich die Situation bei den beiden erstgenannten Risiken entspannt hat, besteht das Risiko der Haushaltsklippe unvermindert weiter.

Fortsetzung der US-Geldpolitik sehr wahrscheinlich
Damit bleibt die Haushaltsklippe. Mit der Wiederwahl Obamas endete die Ungewissheit im Hinblick auf den Wahlausgang. Zugleich steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es bei der lockeren Geldpolitik bleibt. Bei einem Sieg Romneys wäre dies wohl ein Unsicherheitsfaktor gewesen. Auch die Wahrscheinlichkeit, Fed-Chef Bernanke könne Anfang 2014 durch einen Nachfolger ersetzt werden, der einen geldpolitischen Kurswechsel einleitet, ist deutlich gesunken. Die Schlagkraft der US-Geldpolitik hängt in erster Linie davon ab, dass die Fed solange bereit ist, quantitativ zu lockern, bis die Realwirtschaft wieder an echtem Schwung gewinnt. Durch den Sieg Obamas bleibt es bei diesem Anspruch. Auch das hat wohl zur Rallye bei zehnjährigen US-Staatsanleihen beigetragen.

Kompromiss zwischen Demokraten und Republikanern?
Doch der grösste Risikofaktor, die Fiskalklippe, hält unvermindert an. Die Mehrheitsverhältnisse im Kongress haben sich durch die Präsidentschaftswahlen nicht geändert, insofern ist das Risiko eines Patts zwischen Republikanern und Demokraten hoch.

Unser Basisszenario geht davon aus, dass die Fiskalklippe umschifft werden kann, da niemandem an einer Rezession gelegen ist. Die jüngsten Verlautbarungen von Seiten der Demokraten und Republikaner machen Hoffnung, dass noch in diesem Jahr ein Kompromiss erreicht werden kann. Es besteht Einigkeit, dass der Wahlausgang als Mandat für einen Kompromiss zu sehen ist. Das erfordert allerdings Ausgabenkürzungen und eine Erhöhung der Einnahmen. Die Republikaner wollen sich auf keinen Fall auf eine Steuererhöhung für Besserverdienende einlassen, sind aber bereit, die Einnahmen durch eine Reform der Steuergesetze zu steigern. Obama ist seinerseits zu einem überparteilichen Kompromiss bereit, wie er auch in seiner Siegesrede ausdrücklich betont hatte.

Amerikaner bleiben vorsichtig
Dennoch besteht ein deutliches Risiko, dass die US-Konjunktur an der Fiskalklippe zerschellt, falls vor dem 1. Januar keine Einigung erzielt wird. Vorübergehend könnte dadurch dem Wirtschaftskreislauf ein Betrag in Höhe von 4 % des BIP fehlen. Hinzu kommt, dass bis spätestens Anfang März die Schuldendecke erhöht werden müsste. Insofern bestehen sicherlich genug Anreize für eine Einigung. Doch solange der Kompromiss noch nicht erreicht ist, wird die Unsicherheit die Ausgabenfreude bei Wirtschaft und Verbrauchern dämpfen. Kann die Fiskalklippe nicht umschifft werden, so würde es in den USA zu einer Rezession kommen, die die gesamte Weltwirtschaft mit sich zöge. Insofern betrifft die Fiskalklippe nicht nur die USA. Ein Kompromiss würde das Vertrauen bei den Unternehmen wieder herstellen und könnte die Investitionstätigkeit ankurbeln. Im Zuge der Entspannung am Immobilien- und Arbeitsmarkt könnte sich der Privatkonsum erholen.

Angst vor harter Landung Chinas stark zurückgegangen
Auch die Wirtschaftsdaten Chinas verbessern sich allmählich. Die jüngsten Daten zu Industrieproduktion, Sachinvestitionen und Einzelhandelsumsatz signalisieren einen moderaten Aufwärtstrend. Damit haben sich die Sorgen um eine harte Landung weitgehend gelegt. Zusätzliche fiskal- und geldpolitische Impulse verringern das Risiko weiter. Zudem hat sich die Dynamik bei Preisen und Kapitalflüssen an den EM-Aktien- und Anleihemärkten verbessert.

EWU-Risiko vorerst entschärft
Die EZB hat bereits Massnahmen ergriffen, um das systemische Risiko eines Zusammenbruchs der Eurozone bzw. einer Grossbank weitgehend zu reduzieren. Das ist zweifelsohne der Hauptgrund für die Outperformance europäischer Aktien im Allgemeinen und von Finanztiteln im Besonderen seit Jahresmitte. Dennoch: aus dem Schneider ist die EWU damit nicht. Das griechische Parlament hat kürzlich das dritte Memorandum of Understanding zu Haushaltskürzungen unterzeichnet und den Haushalt für 2013 verabschiedet. Griechenland wird zwar die nächste Tranche erhalten, doch die Kosten für die Regierungskoalition sind enorm: Viele ihre Parlamentarier sind inzwischen zur Opposition übergelaufen. Binnen fünf Monaten hat die griechische Regierung bereits ein Drittel ihrer Mehrheit eingebüsst. Während das Risiko eines „Grexit“ in den nächsten Monaten gering ist, könnte sich Reformmüdigkeit in Griechenland mittelfristig als fatal erweisen. Hinzu kommt, dass Spanien immer noch zögert, offiziell um Unterstützung durch den European Stability Mechanism anzusuchen.

Weiterhin Präferenz für europäische Aktien
Die anhaltende Ungewissheit wird sich in den nächsten Wochen zwangsläufig auf die Performance von risikoreicheren US-Werten auswirken. Unsere Übergewichtung bei europäi­schen Aktien sowie unsere Untergewichtung von US-Aktien beruhen auf der Annäherung der Risikodynamiken in Europa und den USA sowie der höheren Risikozuschläge in Europa. Solange diese Risikodynamiken bzw. die Differenz bei Risikoprämien anhält, wird ING Investment Management bei dieser Positionierung bleiben.

Als sicher geltende Werte profitieren von der politischen Ungewissheit, wie sich an den rückläufigen Renditen auf US Treasuries ablesen lässt. Der globale Konjunkturaufschwung dürfte insgesamt zu einem leichten Anstieg (um ein paar Zehntel Prozent) der Renditen führen. (ING IM/mc)

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