Italien lenkt nach EU-Kritik an Haushaltszielen ein

Italien lenkt nach EU-Kritik an Haushaltszielen ein
Italiens parteiloser Finanzminister Giovanni Tria.

Rom – Italiens Regierung will nach dem Wirbel um ihre Haushaltsplanung und dem Ärger mit der EU zu einem gewissen Grad einlenken. Man werde zwar weiterhin für kommendes Jahr bei den Staatsfinanzen ein Defizit von 2,4 Prozent der Wirtschaftsleistung anpeilen, sagte Vize-Premier und Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, am Mittwoch in Rom. Danach sei aber geplant, die Neuverschuldung zu senken. Finanzminister Giovanni Tria sprach von einer «schrittweisen» Reduzierung in den Folgejahren.

Man sei gewillt, die Staatsschulden in Richtung des mit der Europäischen Union (EU) vereinbarten Ziels zu reduzieren, sagte Tria. Dafür sei aber wirtschaftlicher Schub nötig. Ein Teil der aufgenommenen Mittel werde in Investition fliessen. Zudem wolle man mehr Arbeitslose in Lohn und Brot bringen. Steuersenkungen kämen kommendes Jahr nur für Unternehmen infrage, nicht aber für Privatpersonen, sagte der Minister.

Zuvor hatten italienische Medien berichtetet, dass die Regierung für 2020 und 2021 den Zielwert bei der Neuverschuldung auf 2,2 beziehungsweise 2,0 Prozent reduzieren wolle. Zuletzt hatte die europakritische Koalition aus Sterne-Bewegung und rechter Lega auch für 2020 und 2021 ein Minus von 2,4 Prozent angepeilt. Die Parteien wollen vor allem teure Wahlversprechen wie ein Bürgereinkommen und Steuersenkungen einlösen.

Deutliche Kritik an italienischen Finanzplänen
Italien ist die drittgrösste Volkswirtschaft des gemeinsamen Währungsgebiets. Nach den EU-Regeln ist das Land angesichts seines gewaltigen Schuldenbergs in Höhe von 2,3 Billionen Euro – mehr als 130 Prozent der Wirtschaftsleistung – dazu verpflichtet, besser zu haushalten. Aus Brüssel gab es daher zuletzt deutliche Kritik an den Finanzplänen. Die genauen Details sind allerdings noch gar nicht bekannt. Eigentlich sollten sie bereits Ende September veröffentlicht werden.

Ein Sprecher der EU-Kommission sagte, das Prozedere mit Italien sei dasselbe wie mit allen anderen Ländern. Rom müsse den Budgetplan bis Mitte Oktober einreichen und dann würden die Diskussionen beginnen – «wie mit jedem anderen auch». In EU-Kreisen in Brüssel hiess es, Italien müsse nun Dokumente vorlegen, damit man letztlich sehen könne, wie die Zahlen zusammenpassten und vor allem ob sie im Einklang mit Italiens Haushaltsverpflichtungen im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts seien.

Lega-Wirtschaftsexperte sorgt für Wirbel
Für Wirbel hatte zuletzt auch ein euro-kritischer Kommentar aus den Reihen der Regierungspartei Lega gesorgt. Claudio Borghi, Wirtschaftsexperte der Partei, hatte im italienischen Radio gesagt, dass Italien mit einer eigenen Währung in der Lage wäre, die gegenwärtigen wirtschaftlichen Probleme zu lösen. Der Euro sei hingegen «nicht ausreichend», um die fiskalischen Probleme Italiens zu bewältigen. Regierungschef Giuseppe Conte sah sich gezwungen, mögliche Szenarien eines Ausstiegs seines Landes aus der Euro-Zone zurückzuweisen.

Die Anleger an den Finanzmärkten reagierten diese Woche stark verunsichert. Der Euro war am Dienstag im Verhältnis zum US-Dollar auf den schwächsten Stand seit sechs Wochen gefallen; die Rendite auf italienische Staatspapiere mit zehnjähriger Laufzeit kletterte auf gut 3,4 Prozent und damit auf das höchste Niveau seit vier Jahren. Der Risikoaufschlag für italienische Staatspapiere im Vergleich zu deutschen Bundesanleihen stieg auf ein Fünfjahreshoch. Am Mittwoch entspannte sich die Lage aber wieder etwas.

Haushaltsdefizit in der ersten Jahreshälfte deutlich gesunken
Bekannt wurde unterdessen, dass das Haushaltsdefizit Italiens im ersten Halbjahr 2018 deutlich zurückgegangen ist. Nach Angaben des Statistikamts Istat betrug das Minus 1,9 Prozent der Wirtschaftsleistung (BIP). Im gleichen Zeitraum des Vorjahres waren es noch 3 Prozent gewesen. Allerdings dürfte das damalige Defizit durch Rettungsmassnahmen der Regierung überzeichnet gewesen sein. Der Staat musste für zwei Regionalbanken einstehen. Istat beziffert die angefallenen Kosten auf 1,1 Prozent des BIP vom zweiten Quartal 2017. (awp/mc/pg)

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