Laurent Genoud, Vermögensverwaltung Genoud Asset Management AG
Laurent Genoud, Vermögensverwaltung Genoud Asset Management AG. (Foto: zvg)
Zürich – Mehr Augenmass bei neuen Vorschriften für unabhängige Vermögensverwalter fordert Laurent Genoud von der Vermögensverwaltung Genoud Asset Management AG. Denn seiner Meinung nach haben sie andere Strukturen und damit auch einen anderen Regulierungsbedarf als die Banken.
INVESTORY: Herr Genoud, keine Branche ist gesellschaftlich derzeit so in Verruf wie die Finanzbranche. Viele sagen sie gefährdet permanent die Weltwirtschaft. Teilen Sie diese Ansicht?
Da gibt es zwei Seiten, einerseits haben sich die Finanzmärkte in den vergangenen Jahren als extrem stabil erwiesen, wenn es um die Verarbeitung realer Schocks ging. Denken Sie nur an die Katastrophe von Fukushima, Erdbeben, den arabischen Frühling, den Bürgerkrieg in Syrien – all das haben die Märkte gut verarbeitet. Auf der anderen Seite sind sie sehr labil. Das hat zum Beispiel der Flash Crash an der Wall Street im Jahr 2010 gezeigt.
Woher kommt diese Zweiteilung?
Die Banken haben unter dem Stichwort Investmentbanking eine neue Industrie aufgebaut, die sicher in Frage zu stellen ist. Dazu gibt es ein Schattenbankensystem, also unregulierte Finanzinstitute, die rund 60 bis 70 Billionen US-Dollar jährlich bewegen. Das entspricht ungefähr der gesamten Weltwirtschaftsleistung. Weil hier viel mit Derivaten und Hebel gearbeitet wird, ist der zugrunde liegende Nominalwert noch einmal rund zehnmal höher. Die Akteure verhalten sich dabei oft wie Spieler, und setzen ihr Geld auf eines von sehr vielen Szenarien. Da muss man sich fragen: Ist das nur noch ein Casinospiel?
Sind Derivate denn per se gefährlich?
Wenn sie als Versicherungen – zum Beispiel von Landwirten gegen Ernteausfälle – eingesetzt werden nicht. Aber die Mehrzahl der Investitionen in Derivate ist derzeit von der Realwirtschaft abgekoppelt, sie werden also alleine als Spekulation eingesetzt. Man muss über diese Industrie nachdenken, die sich auf dem Finanzsystem aufgebaut hat und keinen realen Bezug mehr zur Wirtschaft hat.
Die nationale und internationale Politik bemüht sich seit der Finanzkrise dieses Casinospiel mit neuen Regulierungen einzuschränken. Welche Schulnote würden Sie diesen Bemühungen so weit geben?
Also… knapp genügend. Die Pleite von Lehman Brothers hat gezeigt, dass etwas nicht stimmt, wenn der Chef 500 Millionen Dollar verdient und das Institut dann in Konkurs geht. Das schreit natürlich nach Regulierung und hier gibt es Erfolge. Andererseits gibt es in der Schweiz derzeit heftige Diskussionen um die GE Money Bank, die aggressiv um Konsumenten für Kleinkredite wirbt. Da hat man das Gefühl: Moment, wir hatten doch gerade eine Krise, wo das Finanzsystem nicht richtig funktioniert hat und zu viele Schulden erzeugt hat. Und dennoch wirbt hier jemand frisch fröhlich darum, Konsumenten zu mehr Verschuldung zu bringen. Ich habe also das Gefühl, dass sich in Manchem grundlegend nicht viel verändert hat. Auf der anderen Seite werden die guten Nachrichten, z. B. die Einführung einer Finanztransaktionssteuer für Hochfrequenzhändler in Italien, von den Medien oft klein gespielt – egal ob über Finanzmärkte oder Politik.
Welche der neuen Regulierungen betreffen auch kleinere Vermögensverwalter in der Schweiz?
Zum Beispiel das Thema Eigenkapitalforderungen, das trifft alle Finanzakteure. Die neuen Anforderungen können kleineren Gesellschaften das Kreuz brechen. Auch andere Vorschriften treffen kleinere Akteure meist härter als Banken. Sie können oft nicht die erforderlichen Strukturen zur Verfügung stellen. Grossbanken haben den Vorteil, dass sie seit längerem vorbereitet sind, sie führen die Diskussion zu einem grossen Teil mit. Es wäre daher sehr wichtig zwischen unabhängigen Vermögensverwaltern und Banken zu unterscheiden.
Aber eine Bank ist doch eigentlich nichts anders als ein Vermögensverwalter in gross?
Die Unterschiede werden grösser. Die Banken verlassen immer mehr den Dienstleistungssektor und werden zu Industriebetrieben. Es geht um Prozesse, um Verschlanken, um Effizienzen. Man definiert Marktsegmente wie Retail oder High Net Worth. Das kann man skalieren, das ist Industrie. Der Service, die Beratung, also all das was im Dienstleistungssektor zu Hause ist wird nur noch teilweise und nur gewissen Kundensegmenten angeboten. Das ist aber auch die Chance für unabhängige Vermögensverwalter und macht unsere Branche zukunftsträchtig.
Sollte die Politik die unabhängigen Vermögensverwalter bei neuen Vorschriften also aussen vor lassen?
Wenn die Regulierungen eine Bevormundung der Kunden und der Vermögensverwalter sind schon. Aber auch wir haben höheren Anforderungen gerecht zu werden. Damit sich der Anleger sicher fühlen kann, benötigen wir mit der Zeit auch andere Strukturen. Ich plädiere aber für Augenmass. Transparenz zum Beispiel ist wichtig und unsere Branche muss hier Regeln beachten. Doch gleichzeitig steigt mit ihr der Performancedruck und das führt zu mehr kurzfristigem Denken, was ein typisches Merkmal der Spekulation ist. Also: Ja, es gibt einen gewissen Handlungsbedarf, dieser darf aber weder zu mehr Bevormundung noch zu Spekulation führen.
Stehen sie als Vermögensverwalter bei Genoud Asset Management nicht ohnehin unter Performancedruck? Oder haben Sie besondere Kunden?
Unsere Anlagestrategie GV6 SwissFocus konzentriert sich auf Schweizer Aktien, weil das sowohl wir wie auch unsere Kunden mögen und verstehen. Damit können Sie durchaus eine sehr internationale Strategie abbilden, da diese Unternehmen einen Grossteil ihrer Umsätze im Ausland erwirtschaften. Es geht nicht um Spekulation sondern um die Auswahl von möglichst unterbewerteten Unternehmen. Im Grund ist das nicht so kompliziert wie viele gerne behaupten. Man muss sich der Risiken bewusst sein und sie tragen können. Ob die Strategie aufgeht bestimmen aber auf kurze Sicht eher die Börsen, was in schwierigen Börsenzeiten mehr Erklärungsbedarf mit sich bringt. Aber das gehört zum Geschäft. Wir sind eben ein People Business, es geht viel um persönliche Betreuung.
(Interview von Gisela Baur für INVESTORY/mc)
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