Luxemburgs Steuergeheimnis fällt Anfang 2015

Luxemburgs Steuergeheimnis fällt Anfang 2015

Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude Juncker.

Luxemburg – Das Steuergeheimnis für Anleger aus anderen EU-Staaten in Luxemburg wird Ende 2014 aufgeweicht. Ab 1. Januar 2015 wird Luxemburg die Steuerbehörden der anderen EU-Länder automatisch über Zinszahlungen informieren, die an Personen in diesen Staaten gezahlt werden. Das teilte die Regierung am Mittwoch in Luxemburg mit. Andere Zahlungen – etwa Dividenden auf Aktien – sind nicht betroffen.

Die EU-Kommission begrüsste die Ankündigung «wärmstens». Sie hofft nun auf die rasche Annahme einer neuen Richtlinie über die Zinsbesteuerung in der gesamten EU. Sie wurde seit 2008 von Luxemburg und Österreich blockiert.

Umdenken wegen «radikaler Position» der USA
Vor allem Druck der USA sei für die Bereitschaft zum automatischen Datenaustausch verantwortlich, sagte Regierungschef Jean-Claude Juncker am Mittwoch vor dem Parlament des Grossherzogtums. Die USA hätten eine «radikale Position» bezogen, indem sie den Datenaustausch zur Vorbedingung für Finanzbeziehungen machten. «Das geschieht nicht unter europäischem Druck, aber ein internationaler Finanzplatz kann sich nicht vom amerikanischen Markt abschneiden», sagte Juncker. «Und wir können den Europäern nicht verweigern, was diese den Amerikanern in bilateralen Verträgen geben müssen.»

Ein absehbarer Schritt
«Der Schritt zum automatischen Informationsaustausch kommt nicht über Nacht, das ist keine hektische Reaktion», sagte Juncker. Er sei schon seit längerem absehbar gewesen: «Wir knicken nicht unter dem deutschen oder preussischen Druck ein.» Der automatische Informationsaustausch verlange Anpassungen von den Banken, sei aber «nicht das Ende des Finanzplatzes Luxemburg». Die 141 Banken in Luxemburg erwirtschaften 36 Prozent des Bruttoinlandsproduktes des Landes.

Entwicklungen steuern auf automatischen Informationsaustausch hin
In einer Mitteilung der Regierung heisst es, man habe zur Kenntnis nehmen müssen, «dass die internationalen Entwicklungen eher auf den automatischen Informationsaustausch hinsteuern». Die jetzige Entscheidung trage der «künftigen Ausrichtung der internationalen Finanzwelt» Rechnung und sei «ein Meilenstein in der Weiterentwicklung des Luxemburger Finanzplatzes als modernes und transparentes Zentrum».

Verhandlungsbereitschaft Österreichs
Nach der Wende in Luxemburg ist Österreich das einzige EU-Land, das die automatische Information der Steuerbehörden anderer Länder ablehnt. Österreich erhebt ebenso wie bisher Luxemburg eine Quellensteuer, hat aber Verhandlungsbereitschaft erkennen lassen. «Wir hoffen, sie werden der luxemburgischen Führung folgen», sagte eine Sprecherin der EU-Kommission. Die Behörde begrüsse, wenn einzelne Staaten den Informationsaustausch noch vertiefen wollten. Wichtig sei jedoch zunächst, dass die bereits auf dem Tisch liegenden Instrumente genutzt werden.

EU-Kommission sieht Mandat für Verhandlungen mit der Schweiz in Griffnähe
Seit längerem will die EU-Kommission mit der Schweiz über eine Ausweitung des Zinsbesteuerungsabkommen verhandeln, um so Steuerschlupflöcher zu stopfen. Doch Österreich und Luxemburg blockierten mit Blick auf ihr eigenes Bankgeheimnis bis anhin Neuverhandlungen. Dies dürfte sich nun ändern. Die neusten Entwicklungen gingen in jene Richtung, welche von der EU-Kommission schon länger angestrebt werde, sagte die Sprecherin von Steuerkommissar Algirdas Semeta vor den Medien in Brüssel.

Angesprochen auf ein Mandat mit der Schweiz über eine Ausweitung des Anwendungsbereichs des bestehenden Zinsbesteuerungsabkommens gab sie sich zuversichtlich, dass ein solches nun von den Mitgliedstaaten bald verabschiedet werden kann. Über den konkreten Inhalt des Mandates müssten diese jedoch entscheiden, sagte die Sprecherin. Denn damit die EU-Kommission mit der Schweiz und weiteren Drittstaaten Verhandlungen aufnehmen kann, braucht sie ein Mandat der EU-Mitgliedstaaten.

Entscheid laut Experte für Schweiz nicht gravierend
Die Entscheidung Luxemburgs zu mehr Transparenz in der Zinsbesteuerung wird den Druck auf die Schweiz erhöhen. Grosse Folgen für die Finanzindustrie hat dies aber nicht, sagt Rechtsexperte Jürg Birri. «Ich glaube, dass der Druck bei der Zinsbesteuerung zunehmen wird. Nach der Ankündigung Luxemburgs bleibt noch Österreich, wo es die anonyme Abwicklung der Zinsbesteuerung im grenzüberschreitenden Geschäft gibt», sagt Birri, Partner bei der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsfirma KPMG, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Diesbezüglich dürfte es in der EU Bewegung geben.

Bei der Diskussion geht es aber nur um Zinsen und deren Besteuerung. «Viele Schweizer Finanzinstitute haben die Produkte für ihre Kunden bereits so gestaltet, dass die EU-Zinssteuer häufig kein Problem ist», sagte Birri. Die Entscheidung Luxemburgs sei daher für die Schweiz nicht so gravierend. «Ich denke, dass auch Luxemburg für seine Entscheidung keinen so grossen Preis bezahlen wird», sagte Birri weiter.

SIF beobachtet Europa
Die Schweiz begrüsse grundsätzlich alle Schritte, die das Ziel hätten, eine faire Besteuerung sicherzustellen, liess das Staatsekretatiat für Internationale Finanzfragen (SIF) verlauten. In der EU gebe es derzeit keine gefestigte Position der Mitgliedstaaten. «Die Schweiz hat sich bereits seit langem bereit erklärt, mit der EU über eine Ausweitung des Zinsbesteuerungsabkommens zu diskutieren, um Schlupflöcher zu stopfen», schrieb das SIF.

Die Schweiz beobachte die Entwicklung in der EU aufmerksam. Für die Beurteilung der Rahmenbedingungen flössen nicht nur Entwicklungen in der EU ein, sondern auch solche auf anderen global ausgerichteten Finanzplätzen in Amerika und Asien.

«Man hat Zeit verloren»
Für den Genfer Steueranwalt Philippe Kenel bedeutet die Entscheidung Luxemburgs hingegen das Ende des Bankgeheimnisses in Europa und in der Schweiz. «Das ist die Niederlage der Strategie der Schweizer Bankwelt», schätzt der Experte im Gespräch mit der sda die Lage ein. Die Schweiz hätte schon 2009 und 2010 über einen automatischen Informationsaustausch verhandeln sollen, sagte Kenel. «Man hat Zeit verloren.» Der Druck werde steigen, und die Schweiz könne nicht mehr nein sagen. (awp/mc/pg)

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