Nationalbank hebt Mindestkurs auf und senkt Zinsen

Nationalbank hebt Mindestkurs auf und senkt Zinsen
SNB-Direktoriumspräsident Thomas Jordan. (© SNB)

SNB-Direktoriumspräsident Thomas Jordan. (Foto: SNB)

Zürich – In der Schweizer Geldpolitik ist ein neues Kapitel aufgeschlagen worden. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat am Donnerstag überraschend die Aufhebung des seit Herbst 2011 geltenden Mindestkurses des Euro zum Franken von 1,20 CHF bekanntgegeben. Der Franken hat sich in der Folge am Devisenmarkt stark aufgewertet, während die Schweizer Aktienbörse einen «schwarzen Donnerstag» erlebte.

SNB-Chef Thomas Jordan begründete die Aufgabe des Mindestkurs mit den jüngsten internationalen Entwicklungen. So hätten sich die Unterschiede in der geldpolitischen Ausrichtung der bedeutenden Währungsräume in letzter Zeit markant verstärkt und dürften sich noch weiter akzentuieren. Zudem habe sich der Franken mit dem Euro gegenüber dem US-Dollar deutlich abgeschwächt.

Der Franken sei zwar hoch bewertet, die Überbewertung habe sich seit der Einführung des Mindestkurses aber insgesamt reduziert, so Jordan. Die Aufrechterhaltung des Mindestkurses unter diesen Bedingungen sei nicht mehr nachhaltig gewesen – es habe mittelfristig keinen Sinn gemacht, daran festzuhalten. «Es war von Anfang an absehbar, dass es sich beim Euro-Mindestkurs um eine temporäre Massnahme handelte.»

Zinsen weiter gesenkt
Gleichzeitig mit der Aufhebung des Mindestkurses hat die SNB auch den Negativzins für Guthaben auf ihren Girokonten, die einen bestimmten Freibetrag übersteigen, um 0,5 Prozentpunkte auf -0,75% gesenkt. Zudem hat sie das Zielband für den Dreimonats-Libor weiter in den negativen Bereich verschoben: Dieses liegt nun bei -1,25% bis -0,25% nach bisher -0,75% bis 0,25%.

Der Negativzins werde auch die Kapitalzuflüsse in die Schweiz bremsen – das Halten von Franken zu spekulativen Zwecken werde nun «sehr teuer», gab sich Jordan überzeugt: «Der Negativzins wird sehr stark wirken». Er gehe allerdings weiterhin nicht davon aus, dass Kleinsparer als Folge des verstärkten Negativzinses mit negativer Verzinsung ihrer Sparguthaben rechnen müssten.

Der SNB-Präsident räumte vor den Medien ein, dass die Aufwertung des Frankens in kurzer Frist die Inflation in der Schweiz noch weiter nach unten drücken könnte. Er rechne aber nicht damit, dass die Schweiz nun in eine Deflationsspirale fallen werde. Insbesondere werde sich der Negativzins wie auch der stark gefallene Ölpreis positiv auf die Konjunktur in der Schweiz auswirken.

Turbulenzen an den Finanzmärkten
Die Finanzmärkte reagierten auf die überraschende Massnahme mit Turbulenzen. Der Kurs des Euro fiel nach der Bekanntgabe teilweise unter einen Franken und pendelte bis am Abend auf einen Kurs von etwa 1,04 CHF ein. Auch der US-Dollar verlor zum Franken stark an Wert und tauchte von einem Stand von 1,02 CHF zeitweise bis gegen 70 Rappen – am Abend notierte die US-Währung dann leicht unter 90 Rappen.

Am Schweizer Aktienmarkt kam es am Donnerstag zu einem veritablen Kursrutsch. So schloss der Leitindex SMI um 8,7% im Minus bei knapp 8’400 Punkten. Starke Verluste entfielen nicht zuletzt auf typische Exportwerte wie Lonza, Swatch und Richemont (je rund -16%) wie auch auf die Grossbankentitel CS (-11%) und UBS (-12%), die alle Verluste von mehr als 10% hinnehmen mussten. Die defensiven Schwergewichte Novartis und Roche lagen am Ende um rund 9% im Minus, Nestlé verloren gut 6%.

SNB-Glaubwürdigkeit angekratzt
Händler und Analysten zeigten sich am Donnerstag von der Aufhebung des Mindestkurses vollkommen überrascht. Die SNB habe nun «das Handtuch geworfen», hiess es etwa. Teilweise wurde auch die Glaubwürdigkeit der SNB angezweifelt: «Die Spekulanten haben gegen die Nationalbank gewonnen», kommentierte ein Händler. Die Interventionen der vergangenen Wochen seien wohl für die eidgenössischen Währungshüter zu viel gewesen, meinte auch die liechtensteinische VP Bank.

Viele Marktteilnehmer stellten allerdings auch einen Zusammenhang der SNB-Entscheidung mit der Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) von kommender Woche her: Ein breites Anleihenkaufprogramm der EZB hätte die Beibehaltung des Mindestkurses noch weiter erschwert, so ein Devisenanalyst.  (awp/mc/pg)

 

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