OBT: HRM 2 – kantonale Unterschiede trotz Harmonisierung

OBT: HRM 2 – kantonale Unterschiede trotz Harmonisierung
(Foto: OBT)

St. Gallen – Mit der Publikation des Handbuchs «Harmonisiertes Rechnungsmodell für die Kantone und Gemeinden HRM 2» legte die Finanzdirektorenkonferenz die Grundlagen zur Einführung von HRM 2. Im folgenden Artikel beleuchten wir die unterschiedlichen Ansätze zur HRM-2-Umstellung und -Anwendung. Anhand von Beispielen aus Gemeinden der Kantone St. Gallen, Thurgau und Zürich zeigen wir auf, wie unterschiedlich die Umsetzung von HRM 2 erfolgt.

Eines der Hauptziele von HRM 2 war, die Rechnungslegung zwischen Kantonen und Gemeinden weitestgehend zu harmonisieren. Allerdings bietet das von der Finanzdirektorenkonferenz publizierte Handbuch in vielen Fachempfehlungen Wahlmöglichkeiten, wodurch die Vergleichbarkeit erheblich leidet und das Harmonisierungsziel abgeschwächt wird. Bei den nachfolgenden Themen zeigen sich die grössten Differenzen:

1. Anlagenbuchhaltung
Im Zuge der Umstellung auf HRM 2 bzw. RMSG(1) wurde für die öffentlichen Verwaltungen die Anlagenbuchhaltung eingeführt. Diese Nebenbuchhaltung enthält detaillierte Angaben zum Bestand, zur Bewertung und zur Entwicklung der einzelnen Anlagen (Investitionen) einer Gemeinde.

1.1 Aktivierungsgrenze
Die Aktivierungsgrenze, ab der Investitionen in der Bilanz und somit in der Anlagenbuchhaltung ausgewiesen werden müssen, wird von jeder Gemeinde individuell festgelegt. Sie orientiert sich in der Regel an der Grösse der Gemeinde, wobei kleinere Gemeinden eine niedrigere Grenze als grössere Städte haben. Der maximal zulässige Betrag variiert jedoch erheblich zwischen den Kantonen, was zu signifikanten regionalen Unterschieden führt.

Gemeinden im Kanton St. Gallen geniessen aufgrund dieser Bestimmungen im Vergleich zu den Zürcher Gemeinden einen grösseren Spielraum. So könnte eine St. Galler Gemeinde Investitionen von beispielsweise 150’000 Franken unmittelbar im Aufwand verbuchen, während eine Zürcher Gemeinde diese als Investition behandeln und über die kommenden Jahre abschreiben müsste.

2.1 Nutzungsdauer
Im Verwaltungsvermögen werden in der Anlagenbuchhaltung die planmässigen jährlichen Abschreibungen berechnet. Die Abschreibungsdauer orientiert sich an der Nutzungsdauer der jeweiligen Anlagekategorie. Um die unterschiedlichen Grundsätze aufzuzeigen, verwenden wir das Beispiel einer Strasse, die von einer Gemeinde für 500’000 Franken totalsaniert wurde.

Nebst der unterschiedlichen Nutzungsdauer wird zudem im Kanton Zürich unterschieden, ob eine Strasse totalsaniert oder nur teilsaniert wird. Bei einer Teilsanierung erfolgt die Abschreibung der Investition über zehn Jahre. Diese Unterscheidung findet in den Kantonen St. Gallen und Thurgau keine Anwendung.

3.1 Abschreibungen
Die Abschreibungen erfolgen linear über die Nutzungsdauer und mit Beginn der Nutzung. Bei Gemeinden im Kanton St. Gallen wird eine Investition frühestens im Jahr der Nutzung und spätestens im darauffolgenden Jahr erstmals abgeschrieben. Hinsichtlich der zusätzlichen Abschreibungen gibt es erneut Unterschiede.

4.1 Vorfinanzierungen
Vorfinanzierungen dienen dazu, für noch nicht beschlossene Vorhaben Reserven im Eigenkapital zu bilden und die finanzielle Belastung grosser Investitionen über mehrere Jahre zu verteilen. In den Gemeinden der Kantone St. Gallen, Thurgau und Zürich ist es zulässig, Vorfinanzierungen zu bilden, wobei der Zweck klar definiert und objektgebunden sein muss. Bei der Auflösung bestehen folgende Unterschiede:

Ab 2025 wird im Kanton Thurgau die Transparenz erhöht. Daher muss ab dem Rechnungsjahr 2025 im Anhang ein separater Nachweis zu den einzelnen Vorfinanzierungen erstellt werden.

Das Amt für Gemeinden und Bürgerrecht des Kantons St. Gallen empfiehlt den Gemeinden, zu prüfen, ob statt einer Einlage in die Vorfinanzierung nicht eine Einlage in die Ausgleichsreserve erfolgen soll. Die Ausgleichsreserve dient dem kurz- bis mittelfristigen Ausgleich der Erfolgsrechnung und wird im Eigenkapital geführt.

5.1 Neubewertungsreserve Finanzvermögen
Im Umstellungsjahr von HRM 1 auf HRM 2 bzw. RMSG standen die Gemeinden vor der Aufgabe, unter anderem einzelne Bilanzpositionen neu zu bewerten und zu bereinigen. So wurde beim Übergang auf HRM 2 beispielsweise das Finanzvermögen anhand der Verkehrswerte neu bewertet. Diese Bewertungskorrekturen wurden über das jeweilige Anlagenkonto sowie das Passivkonto «Neubewertungsreserve Finanzvermögen» verbucht. Eine Wertminderung des Finanzvermögens führte zu einer Reduktion des Eigenkapitals, während eine Wertsteigerung das Eigenkapital erhöhte.

Die Neubewertung erfolgte erfolgsneutral über das Eigenkapitalkonto «Neubewertungsreserve Finanzvermögen». Die Handhabung dieses Eigenkapitalkontos variierte jedoch bei den Gemeinden der Kantone St. Gallen, Thurgau und Zürich.

Gemeinden im Kanton St. Gallen
Zur Verwendung der «Neubewertungsreserve Finanzvermögen» standen bei der Umstellung eine oder mehrere der folgenden drei Optionen zur Verfügung:

  • Option 1: Überführung per Umstellungszeitpunkt (31.12.) in den Bilanzüberschuss
  • Option 2: Überführung per Umstellungszeitpunkt (31.12.) in die Ausgleichsreserve
  • Option 3: Einlage in die Reserve «Werterhalt Finanzvermögen» (bis zur maximal zulässigen Höhe)

Die Umbuchungen (Optionen 1 bis 3) hatten bis spätestens 31.12. des Umstellungsjahres auf RMSG zu erfolgen. Danach durfte das Konto «Neubewertungsreserve Finanzvermögen» keinen Bestand mehr aufweisen.

Reserve «Werterhalt Finanzvermögen»
Die Reserve im Eigenkapital dient a) der Finanzierung von zukünftigen Unterhalts- und Erneuerungsarbeiten an Liegenschaften im Finanzvermögen und b) dem Ausgleich von Wertschwankungen des Finanzvermögens. Der Bestand der Reserve ist für die beiden Bereiche gesondert auszuweisen (Bilanzkonto 29411 und 29412). Schulgemeinden können keine Reserve «Werterhalt Finanzvermögen» führen. Die Bildung der Reserve bedarf eines Reglements, das dem fakultativen Referendum zu unterstellen ist. Das Reglement bestimmt wenigstens die Höhe der fixen jährlichen Einlage aus Erträgen der Finanzliegenschaften als Prozentsatz des Neuwerts dieser Liegenschaften, die Höhe zusätzlicher Einlagen aus Wertsteigerungen von Finanz- und Sachanlagen des Finanzvermögens sowie den höchsten Bestand der Reserve.

Spezialfall Schulgemeinden
Schulgemeinden überführten die «Neubewertungsreserve Finanzvermögen» bis spätestens 31.12. des Umstellungsjahres auf RMSG in ein zinsloses Darlehen der betroffenen Gemeinde. Erstreckte sich eine Schulgemeinde über mehrere politische Gemeinden, teilte sie die «Neubewertungsreserve Finanzvermögen» anteilmässig auf. Massgebend für die Aufteilung war die Zahl der Schülerinnen und Schüler im Durchschnitt der fünf Jahre vor Vollzugsbeginn dieses Erlasses.

Gemeinden im Kanton Thurgau
Die Neubewertungsreserve durfte während der ersten fünf Jahre nach der Einführung(2) von HRM 2 gemäss § 63 RRV Gde-RW nicht verändert werden. Ausgenommen war die Verwendung zur Deckung von Verlusten aus späteren Neubewertungen oder Veräusserungen. Ab dem sechsten Jahr nach der Einführung von HRM 2 wurde die Neubewertungsreserve zugunsten des Bilanzüberschusses oder einer Vorfinanzierung aufgelöst. Die Überführung erfolgte innerhalb von fünf Jahren, wobei die Tranchen frei wählbar waren.

Gemeinden im Kanton Zürich
Zum Abschluss des ersten Rechnungsjahres wurde die «Neubewertungsreserve Finanzvermögen», die durch die Umstellung auf HRM 2 entstanden war, per 31.12. aufgelöst und dem Eigenkapitalkonto des steuerfinanzierten Haushalts gutgeschrieben.

(1) RMSG: Rechnungslegungsmodell der St. Galler Gemeinden
(2) Einführungsjahr HRM 2: 2019

Fazit
Insgesamt zeigt sich, dass die kantonalen Ausprägungen des HRM-2-Modells die angestrebte Harmonisierung der Rechnungslegung nur bedingt erreichen. Die Wahlmöglichkeiten und regionalen Unterschiede bieten Flexibilität, führen jedoch zu einer erschwerten Vergleichbarkeit und zu divergierenden finanziellen Darstellungspraxen zwischen den Gemeinden.

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