Weiterhin wenig Frauen in Führungspositionen der Schweizer Finanzbranche

Weiterhin wenig Frauen in Führungspositionen der Schweizer Finanzbranche
(Foto: Pixabay)

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Zürich – Frauen besetzen in der Finanzbranche nach wie vor nur selten Spitzenpositionen. Im internationalen Vergleich kommt die Schweiz vor allem bei der Besetzung der Geschäftsleitungen nicht aus einer hinteren Position heraus. Die Schweiz liegt beim Frauenanteil in der Geschäftsleitung nur auf Platz 30 von 32. Der Aufstieg von Frauen wird dabei vor allem durch kulturelle Barrieren gebremst. Auch international bleiben Unternehmen des Finanz- und Versicherungssektors bei der gleichberechtigten Förderung von Frauen und Männern hinter den Erwartungen ihrer Mitarbeiter zurück. Dies zeigt die zweite Auflage der Studie «Women in Financial Services» von Oliver Wyman, die 381 Finanzunternehmen in 32 Ländern untersucht.

Der Anteil von Frauen in den Verwaltungsräten und der Geschäftsleitung der zehn grössten Schweizer Finanzorganisationen verharrt auf niedrigem Niveau. Lediglich 22 Prozent der Verwaltungsratsmitglieder sind hierzulande weiblich; in der Geschäftsleitung liegt der Frauenanteil gar bei nur fünf Prozent. Seit 2003 hat sich der Frauenanteil von einer niedrigen Ausgangsbasis ausgehend in den Verwaltungsräten zwar verdoppelt – doch in der Geschäftsleitung der führenden Schweizer Finanzdienstleistungsunternehmen ist der weibliche Anteil kaum gestiegen und im Vergleich zu 2013 sogar wieder leicht rückgängig und um zwei Prozentpunkte gesunken.

Im internationalen Vergleich schneidet die Schweiz schlecht ab
Die Schweiz liegt damit der Oliver Wyman-Studie zufolge international bei den Verwaltungsräten mit Platz 12 unter den 32 untersuchten Ländern im Mittelfeld und bei der Geschäftsleitungsmitgliedern mit Platz 30 ganz unten, nur in Japan und Südkorea ist der Frauenanteil noch geringer. Im Durchschnitt aller betrachteten Finanzunternehmen beträgt der Frauenanteil in den Verwaltungs- beziehungsweise Aufsichtsräten 20 Prozent und in den Geschäftsleitungen 16 Prozent. Doch die Spanne ist gross, und an der Spitze stehen Länder wie Norwegen, Schweden und Thailand mit über 30 Prozent Frauenanteil in den Geschäftsleitungen.

Bliebe es bei dem derzeit langsamen Zuwachs an weiblichen Führungskräften in der Finanzbranche, würde weltweit erst in 30 Jahren (im Jahr 2048) ein Frauenanteil von 30 Prozent in den Geschäftsleitungen erreicht.

«Die grössten Schweizer Finanzunternehmen zählen zu den Instituten, die im internationalen Vergleich bei den Geschäftsleitungen ohne Dynamik am unteren Ende feststecken, während Länder wie Grossbritannien, die USA, Polen, Italien, die Niederlande und Österreich zu den Aufsteigern zählen», sagt Astrid Jäkel, Partnerin bei Oliver Wyman in Zürich und Leiterin der Studie.

Kulturelle Barrieren erschweren Frauen den Aufstieg
Ein kurzer Mutterschaftsurlaub, fehlender Vaterschaftsurlaub, wenig steuerliche Unterstützung für Eltern und hohe Kosten der Kinderbetreuung machen es Frauen in der Schweiz schwer, Familie und Karriere zu vereinbaren. Doch obwohl in Deutschland die Familienförderung Frauen weitaus stärker unterstützt, ist dort der Frauenanteil nicht wesentlich höher als hierzulande. Die strukturelle Förderung allein kann es also nicht sein, die den niedrigen Frauenanteil in Führungspositionen erklärt.

Vielmehr sind die Ursachen für das Zurückbleiben Schweizer und deutscher Finanzinstitutionen tiefer verwurzelt. Kulturelle Prägungen und Barrieren bremsen den Aufstieg von Frauen, wie die Interviews von Oliver Wyman mit Führungskräften zeigen: Traditionelle Rollenbilder sind nach wie vor in vielen Köpfen verankert und sehen für Frauen eher die Mutterrolle, gegebenenfalls kombiniert mit einer Teilzeittätigkeit, als eine ambitionierte Karriere vor. Aus der Studie geht hervor, dass in der Schweiz weniger als die Hälfte der befragten Frauen in der Finanzbranche aktiv eine Führungsposition anstrebt, während es im internationalen Vergleich fast zwei Drittel sind.

«Für uns ist dies ein Hinweis auf die stark ausgeprägten geschlechtsspezifischen Rollenbilder», sagt Jäkel. «Die Schweizer Finanzunternehmen können die nationale Kultur zwar nicht verändern – zumindest nicht kurzfristig. Aber sie können viel dafür tun, weibliche Führungskräfte zu stärken und so auch zu einem kulturellen Wandel beizutragen.»

Auch international klaffen Erwartungen und Leistungen auseinander
Die Befragungen von Oliver Wyman zeigen: Während die Mitarbeiter im Finanzsektor damit zufrieden sind, wie die Führungsspitzen die gleichberechtigte Förderung von Frauen und Männern als strategisches Ziel setzen, sehen sie in der praktischen Umsetzung viele Defizite.

Zu oft begreifen Unternehmen Geschlechter-Diversität nur als Teil ihrer Corporate Social Responsibility-Strategie – nicht aber als betriebswirtschaftlichen Imperativ, um im Wettbewerb zu bestehen. Ein Blick auf die Karrierewege von Frauen zeigt die daraus resultierenden Nachteile für Unternehmen der Finanzbranche. Während junge Frauen und Männer mit ähnlich stark ausgeprägten Karriereambitionen in die Unternehmen einsteigen, verlassen Frauen im unteren und mittleren Management ihre Arbeitgeber nicht nur deutlich öfter als ihre männlichen Kollegen, sondern auch mit einer 20 bis 30 Prozent grösseren Wahrscheinlichkeit als Frauen in anderen Branchen.

Für Frauen in Finanzunternehmen gilt nach wie vor: Die Kosten einer Karriere überwiegen häufig den erwarteten Nutzen. «Unsere Befragung zeigt, dass die halbherzige Unterstützung von Familien, wenig flexible Arbeitszeiten sowie intransparente Beförderungsprozesse und Gehaltsstrukturen die Bereiche sind, in denen die Leistungen der Finanzunternehmen als Arbeitgeber hinter den Erwartungen zurückbleiben,» sagt Jäkel.

Verstehen, Handeln, die Kultur verändern – so lässt sich die Vielfalt nutzen
Damit Finanzunternehmen mehr Frauen in Führungsverantwortung bringen und das Potenzial der Diversität in den Unternehmen voll ausschöpfen, sind mehrere Komponenten unabdingbar: Einer sorgfältigen Bestandsaufnahme, die unter anderem bestehende Gehaltsunterschiede und das Feedback der Mitarbeiter umfasst, müssen rasch konkrete Massnahmen folgen.

«Damit haben die Finanzunternehmen die Chance, sich trotz der in der Schweiz besonders schwierigen Rahmenbedingungen als fairer und attraktiver Arbeitgeber zu positionieren und so weibliche Führungstalente für sich zu gewinnen», sagt Jäkel. «Unterstützung bei der Kinderbetreuung zählt für mich ebenso dazu wie Sponsorenprogramme für den Führungsnachwuchs, gute Möglichkeiten für Home Office-Phasen und Teilzeitangebote – für Frauen und Männer.»

Schliesslich gilt es, im Arbeitsalltag durch positive Beispiele und ein klares Bekenntnis der Führungskräfte eine Unternehmenskultur zu verankern, in der Gleichberechtigung auf allen Managementebenen selbstverständlich ist. (Oliver Wyman/mc/pg)

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