Britische Regierung stellt sich gegen Murdoch

Britische Regierung stellt sich gegen Murdoch
Medienmogul Rupert Murdoch.

Medienmogul Rupert Murdoch.

London – Eine parteiübergreifende Koalition aus Regierung und Opposition stellt sich im Abhörskandal um britische Zeitungen gegen den Medienzar Rupert Murdoch. Die Konservativen von Premierminister David Cameron wollen sich einem Antrag der oppositionellen Labour-Partei anschliessen, der Murdoch zum Rückzug von seiner beabsichtigten Komplettübernahme des Fernsehkonzerns British Sky Broadcasting (BSKYB) auffordert.

«Wir beabsichtigen, das zu unterstützen», sagte ein Sprecher der Downing Street am Dienstag. Der kleinere Koalitionspartner der Konservativen, die Liberaldemokraten, hatte bereits zuvor angekündigt, im Zweifel mit der Opposition zu stimmen. Murdochs beabsichtigter Milliardendeal, mit dem er über seinen Medienkonzern News Corp. die 61 Prozent am britischen Bezahlsender BSkyB übernehmen will, die ihm noch nicht gehören, ist seit langem ein Zankapfel. Der Abhörskandal, in den vor allem Murdochs inzwischen eingestelltes Boulevardblatt «News of the World», aber möglicherweise auch die «Sun» und die «Sunday Times» verwickelt sind, hat die politische Grosswetterlage völlig verändert.

Murdoch muss Rechenschaft ablegen
Bis vor wenigen Wochen hatte die Regierung Cameron das Gebot Murdochs in Höhe von rund acht Milliarden Pfund (neun Milliarden Euro) noch mitgetragen und angedeutet, ihm eine langwierige Prüfung durch die Wettbewerbskommission zu ersparen. Am Montag war die Angelegenheit dann doch der Wettbewerbskommission übergeben worden. Ein Parlamentarier-Komittee forderte Murdoch sowie dessen Sohn James, der Chef von News International ist, für kommende Woche auf, vor dem Ausschuss Rechenschaft abzulegen. Auch Rebekah Brooks soll erscheinen. Die umstrittene Managerin von News International war zu Zeiten des Abhörskandals Chefredakteurin bei «News of the World» gewesen. News International kündigte Kooperation an. Am Dienstag taten sich neue Abgründe im Abhörsumpf auf. So hat der Skandal um abgehörte Handys und Bestechungsgelder bei britischen Zeitungen auch vor dem späteren Premierminister Gordon Brown nicht Halt gemacht. Er warf den Mitarbeitern von News International vor, mit Kriminellen zusammengearbeitet zu haben.

Auch Premierminister Brown betroffen
Brown berichtete in einem BBC-Interview über die Verzweiflung seiner Familie, nachdem sie erfahren habe, dass die «Sun» über eine eigentlich geheim gehaltene Krankheit seines kleinen Sohnes berichten werde. Nur die Familie und die Ärzte hätten über den Zustand des vier Monate alten Kindes Bescheid gewusst. Er wisse nicht, wie die Zeitung an die Informationen gekommen sein könne. Die damalige «Sun»-Chefin und heutige Managerin bei News International, Rebekah Brooks, habe ihn angerufen und ihn über die bevorstehende Veröffentlichung informiert. Die Murdoch-Vertraute Brooks steht in der Affäre massiv und Druck und sieht sich Rücktrittsforderungen gegenüber.

Informationen und Beweise zurückgehalten
Journalisten haben sich laut Brown zudem mit unlauteren Methoden Zugang zu Unterlagen seiner Anwälte und zu seinen Konten verschafft und sich als er selber ausgegeben. Dabei geht es laut BBC um Reporter der «Sunday Times», die ebenfalls zum Murdoch-Konzern gehört. Die Polizei warf dem Unternehmen am Dienstag vor, bis vor kurzem wichtige Informationen und Beweise zurückgehalten zu haben. Erst mit den neuen Erkenntnissen hätten die Ermittlungen im Januar wieder neu aufgenommen werden können, sagte der an den Ermittlungen beteiligte John Yates vor dem Parlamentarier-Ausschuss. Politiker hatten kritisiert, die Polizei hätte schon viel früher agieren müssen.

«News of the World» nach 168 Jahren eingestellt
Der Skandal um abgehörte Telefone und Bestechungspraktiken bei der «News of the World» läuft bereits seit Jahren. Nachdem vergangene Woche herausgekommen war, dass auch die Handys von Mord- und Terroropfern angezapft worden sein könnten, wurde das 168 Jahre alte Blatt am Sonntag eingestellt. Bereits 2007 waren ein Journalist und ein Privatdetektiv zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt worden, weil sie die Handys von Mitarbeitern der britischen Königsfamilie abgehört hatten. Am Dienstag wurde auch bekannt, das bislang nur 170 der fast 400 potenziellen Opfern kontaktiert worden sind.

Korruptionsverdacht
Die Londoner Polizei hatte bereits bestätigt, dass einige hohe Beamte womöglich Bestechungsgelder von der Zeitung angenommen haben. Es geht um eine Gesamtsumme von mehr als 100 000 Pfund (rund 113 000 Euro). Der frühere «News of the World»-Chefredakteur und spätere Regierungssprecher von Premierminister David Cameron soll die Zahlungen selbst abgezeichnet haben. Andy Coulson wurde unter anderem wegen des Verdachts der Korruption am vergangenen Freitag festgenommen und kam später gegen Zahlung einer Kaution wieder frei.

Vertrauen zurückgewinnen
News Corp. versucht derweil, mit einem gross angelegten Aktienrückkauf das Vertrauen der Anleger zurückgewinnen. Das von Rupert Murdoch kontrollierte Unternehmen kündigte am Dienstag an, für insgesamt 5 Milliarden Dollar (3,6 Milliarden Euro) Anteilsscheine aufkaufen zu wollen. Das treibt den Kurs, weil die verbleibenden Anteilseigner ein grösseres Stück am Unternehmen bekommen. Vorbörslich schoss die News-Corp.-Aktie an der Wall Street in New York um rund 5 Prozent nach oben.

Murdoch erwägt Verkauf britischer Zeitungen
Rupert Murdoch erwägt einem Medienbericht zufolge einen Verkauf seiner britischen Zeitungen, um weiteren Schaden aus dem Abhörskandal von seinem Imperium abzuwenden. Nach Informationen des «Wall Street Journal» (Mittwochausgabe) kursieren derzeit Verkaufsüberlegungen in der Zentrale von Murdochs News Corp. Das Wirtschaftsblatt berichtete unter Berufung auf eingeweihte Personen, dass das Management bereits vorgefühlt habe, ob es Interessenten gebe. Das «Wall Street Journal», das selbst zum Murdoch-Imperium gehört, schränkte allerdings gleich wieder ein, dass die Suche erfolglos verlaufen sei. Die wirtschaftliche Lage in der Zeitungsbranche sei einfach zu schlecht, als dass jemand habe zugreifen wollen. In sechs Monaten könnte die Idee aber erneut auf den Tisch kommen. Zur News Corp. gehören in Grossbritannien das auflagenstarke Boulevardblatt «Sun» sowie «The Times» und «The Sunday Times».

Weitreichendes Imperium
Auf der Insel herrscht die Sorge, dass der 80-Jährige einen zu starken Einfluss auf die öffentliche Meinung erhält. Mit dem Verkauf seiner britischen Zeitungen könnte Murdoch diese Sorgen zu zerstreuen versuchen. Allerdings schlägt sein Herz für das gedruckte Wort. Murdoch hat mit seinen Zeitungen in Australien und Grossbritannien den Grundstein für sein 40 Milliarden Dollar wertvolles Imperium gelegt, zu dem heute unter anderem das Filmstudio 20th Century Fox, die US-Fernsehsenderkette Fox sowie Buchverlage gehören. Hierzulande kontrolliert Murdoch den in einer Dauerkrise steckenden Bezahlsender Sky Deutschland (ehemals Premiere). (awp/mc/upd/ss)

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