Westen vor härteren Sanktionen nach Gräueltaten von Butscha

Westen vor härteren Sanktionen nach Gräueltaten von Butscha
Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell.

Kiew / Moskau – Angesichts der schockierenden Gräueltaten in der ukrainischen Stadt Butscha bereitet der Westen schärfere Sanktionen gegen Russland vor. Nach Angaben des EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell arbeitet die EU unter Hochdruck an neuen Strafmassnahmen. «Wir sind solidarisch mit der Ukraine und dem ukrainischen Volk in diesen düsteren Stunden», teilte der Spanier am Montag mit.

Die Bilder der Verbrechen aus Butscha lösten weltweit Entsetzen aus. In der Vorortgemeinde der ukrainischen Hauptstadt Kiew waren am Wochenende nach dem Rückzug der russischen Truppen Hunderte Leichen entdeckt worden. Einige lagen mit gefesselten Händen auf der Strasse. Die Zeitung «Ukrajinska Prawda» meldete unter Berufung auf einen Bestattungsdienst, bis Sonntagabend seien 330 bis 340 leblose Körper eingesammelt worden. Auch in anderen Gemeinden in der Umgebung Kiews wurden Todesopfer entdeckt.

Die Ukraine macht für das Massaker in Butscha russische Truppen verantwortlich, die vor einigen Tagen abgezogen waren. Moskau bestreitet das und spricht von «Fälschung». Die Suche nach weiteren Opfern dauerte am Montag an. Die ukrainischen Behörden waren weiter dabei, Spuren zu sichern. Dabei sollen sie in den kommenden Tagen internationale Hilfe bekommen. Mehr als 280 Tote wurden bereits in einem Massengrab beigesetzt. Am Montag reiste der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach Butscha, dort seien Kriegsverbrechen begangen worden, sagte er vor Journalisten. Die Frage eines Reporters, ob es nun immer noch möglich sei, mit Russland über Frieden zu verhandeln, bejahte der ukrainische Staatschef: «Die Ukraine muss Frieden bekommen», sagte er.

Borrell: «Das wahre Gesichts des brutalen Angriffskrieges»
Der EU-Aussenbeauftragte Borrell zeigte sich im Namen der Mitgliedsstaaten bestürzt: «Die erschreckenden Bilder von zahlreichen zivilen Todesopfern und Verletzten sowie die Zerstörung ziviler Infrastruktur zeigen das wahre Gesicht des brutalen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine und ihr Volk», heisst es in der Erklärung. «Die Massaker in der Stadt Butscha und anderen ukrainischen Städten werden in die Liste der Gräueltaten aufgenommen werden, die auf europäischem Boden verübt wurden.» Borrell machte zudem deutlich, dass aus Sicht der EU die russischen Behörden für die während der Besatzung verübten Grausamkeiten verantwortlich sind.

Steinmeier räumt erstmals Fehler ein
Der deutsche Bundespräsident Steinmeier sagte am Montag, sein Festhalten an der Gaspipeline Nord Stream 2 sei eindeutig ein Fehler gewesen. «Wir haben an Brücken festgehalten, an die Russland nicht mehr geglaubt hat und vor denen unsere Partner uns gewarnt haben.» Steinmeier war in den vergangenen Tagen dafür kritisiert worden, dass er sich bislang nicht zu eigenen Fehleinschätzungen insbesondere in seiner Zeit als Aussenminister geäussert habe. Nun sagte er, die Verantwortung für den Krieg liege bei Kreml-Chef Wladimir Putin. «Die sollten wir nicht auf uns ziehen. Das heisst aber nicht, dass wir nicht einiges zu überdenken haben, wo es unsererseits Fehler gegeben hat.»

Bundesregierung uneins über Stopp von Energielieferungen
Die Bundesregierung bleibt bislang bei ihrer Haltung, weiter Energie aus Russland zu beziehen – aus Sorge vor den Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. Entsprechend äusserten sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen und der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil. Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter, Vorsitzender des Europaausschusses im Bundestag, forderte erneut ein Embargo. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) will zumindest mit den europäischen Partnern darüber sprechen. Nach Schätzung der Brüsseler Denkfabrik Bruegel geben die EU-Staaten täglich rund 380 Millionen Euro für russisches Gas und etwa 360 Millionen Euro für Öl aus. Kritiker sehen darin eine indirekte Mitfinanzierung des Krieges in der Ukraine.

Habeck sagte am Montag auf die Frage, ob ein sofortiges Embargo ausgeschlossen sei, egal was Putin tue: «Wir arbeiten ja an der Unabhängigkeit von russischem Öl und von Kohle und Gas.» Finanzminister Christian Lindner schloss ein sofortiges Gas-Embargo ebenfalls aus, sprach sich aber dafür aus, alle wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland schnellstmöglich zu beenden.

«Es ist nichts vom Tisch» – Auch international Debatte um Gas-Embargo
Kommissionsvizepräsident Valdis Dombrovskis sagte unterdessen: «Was die Europäische Kommission betrifft, ist nichts vom Tisch.» Auch Italien zeigte sich am Montag bereit zu weitreichenden Massnahmen gegen den Energiesektor Russlands, man werde gegen solche Sanktionen kein Veto einlegen, sagte Aussenminister Luigi Di Maio. «Unsere Reaktion muss stark sein. Wir werden nicht diejenigen sein, die zu den Ländern gehören, die bei Kriegsverbrechen wegschauen und dann sagen, die wirtschaftlichen Interessen sind wichtiger.» Österreichs Finanzminister Magnus Brunner äusserte sich skeptischer: Sanktionen seien nur sinnvoll, wenn sie einen selbst nicht mehr träfen als den zu Treffenden. (awp/mc/pg)

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