EU-Kommissionspräsidentin in Kiew – Russland schiesst Raketen auf Ukraine

EU-Kommissionspräsidentin in Kiew – Russland schiesst Raketen auf Ukraine
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. (Bild: president.gov.ua)

Kiew / Moskau – Kurz vor einem Besuch von Ursula von der Leyen in der Ukraine hat Russland mehr als zwei Dutzend Raketen auf das Land abgeschossen. Die EU-Kommissionschefin beging gemeinsam mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj am Dienstag in Kiew den Europatag. Sie lobte den Fortschritt Kiews auf dem Weg zu einem EU-Beitritt. Die CDU-Politikerin musste sich von ihrem Gastgeber aber auch Kritik wegen der Einfuhrbeschränkungen für ukrainisches Getreide gefallen lassen. Russland feierte den Sieg über Nazideutschland vor 78 Jahren mit einer Parade in Moskau.

Russland feuert über Nacht 25 Raketen auf Ukraine
Russland schoss in der Nacht zum sogenannten «Tag des Sieges», der dem sowjetischen Sieg über Nazi-Deutschland gewidmet ist, rund zwei Dutzend Raketen auf die Ukraine ab. Von insgesamt 25 Raketen konnten laut ukrainischer Luftwaffe am Dienstag 23 abgefangen werden. Die Behörden der Hauptstadt Kiew sowie der Gebiete Dnipropetrowsk und Tscherkassy meldeten Schäden durch Raketentrümmer. Über mögliche Opfer war zunächst nichts bekannt.

Moskau bezeichnete die Raketenangriffe als Erfolg. «Das Ziel des Schlags wurde erreicht. Alle festgelegten Objekte wurden getroffen», sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Dienstag in Moskau. Es seien Truppen der ukrainischen Reserve und Munitionslager mit Hochpräzisionswaffen beschossen worden.

Der 9. Mai ist in Russland ein Feiertag, an dem traditionell an den sowjetischen Sieg über Nazi-Deutschland im Zweiten Weltkrieg gedacht wird. Dieses Jahr marschierten bei der grossen Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau auch russische Soldaten mit, die im seit schon mehr als 14 Monaten andauernden Angriffskrieg gegen die Ukraine kämpften. Angesichts dessen sprach der Berater des ukrainischen Präsidentenbüros, Mychajlo Podoljak, von einer «Mörderparade».

Putin stellt sich als Opfer des eigenen Angriffskriegs dar
Russlands Präsident Putin wiederholte bei einer Rede zum «Tag des Sieges» auf dem Roten Platz in Moskau die Propaganda-Behauptung, sein Land verteidige sich in der Ukraine gegen einen neu erstarkenden Faschismus. Militärische Erfolge konnte der 70-Jährige auch nach deutlich mehr als einem Jahr Krieg nicht vorweisen.

«Gegen unser Vaterland wurde ein echter Krieg entfesselt», sagte Putin mit Blick auf die in der Ukraine tobenden Kämpfe, die er vor mehr als einem Jahr selbst anordnete. «Aber wir haben den internationalen Terrorismus zurückgeschlagen, wir werden die Einwohner des Donbass beschützen und wir werden unsere Sicherheit gewährleisten», sagte der Kremlchef. Einmal mehr behauptete er zudem, die Ukraine sei zur «Geisel» westlicher Staaten geworden, die Russland zerstören wollten. «Ihr Ziel besteht (…) im Zerfall und in der Zerstörung unseres Landes.»

In Abgrenzung zu Kriegsgegner Russland hat die Ukraine mittlerweile entschieden, das Gedenken an den Sieg über die Wehrmacht auf den 8. Mai vorzuverlegen. Am 9. Mai soll nun hingegen in Kiew der Europatag gefeiert werden.

Von der Leyen lobt ukrainische Bemühungen für EU-Beitritt
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zollte der Ukraine bei ihrem Besuch tiefen Respekt für deren Bemühungen um einen schnellen Beitritt zu der Staatengemeinschaft. Das Land arbeite «unermüdlich und intensiv» daran, die Voraussetzungen für den Start von Beitrittsverhandlungen zu erfüllen, sagte sie. Und dies trotz der Schwierigkeiten, Reformen in einem blutigen Krieg durchzuführen.

Eine erste Bewertung der aktuellen Reformanstrengungen der Ukraine wird die EU-Kommission nach den Angaben von der Leyens bereits im Juni mündlich an den Rat der Mitgliedstaaten übermitteln. Im Oktober soll es dann einen schriftlichen Bericht geben, auf Grundlage dessen dann eine Entscheidung über den Start von Beitrittsverhandlungen getroffen werden soll. Die Ukraine ist seit vergangenem Sommer bereits Beitrittskandidat. Über Verhandlungen müssen die 27 EU-Staaten einstimmig entscheiden.

Selenskyj kritisiert «Protektionismus» der Nachbarstaaten
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nutzte den Besuch von der Leyens für Kritik an Einfuhrbeschränkungen für Agrarprodukte, die er als «protektionistischen Massnahmen der Nachbarn» bezeichnete. «Jegliche Beschränkungen unseres Exports sind jetzt absolut unzulässig», sagte er bei einer Pressekonferenz. Der 45-Jährige mahnte an, dass Handelsbeschränkungen nur nach Beratung mit Kiew verhängt werden sollten und forderte deren Aufhebung.

Im April haben die an die Ukraine grenzenden EU-Staaten den Import einer Reihe von ukrainischen Agrarprodukten blockiert. Seit Anfang Mai gilt ein Importverbot für ukrainisches Getreide in fünf EU-Staaten. Dieses soll Anfang Juni auslaufen. Bauern in Polen, der Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien hatten nach der Aufhebung von Importzöllen über massive ukrainische Konkurrenz geklagt. Aus der Ukraine ist der gewohnte Export über die Schwarzmeerhäfen aufgrund des von Russland vor über 14 Monaten gestarteten Krieges eingeschränkt.

Wagner-Chef klagt wieder über ausbleibende Munitionslieferungen
Die russische Söldnertruppe Wagner hat nach eigenen Angaben die vom Verteidigungsministerium in Moskau versprochenen Munitionslieferungen noch nicht erhalten. Insgesamt sei auch nur die Hälfte der angefragten Positionen bewilligt worden und davon nur ein Bruchteil der jeweils angefragten Munitionsmenge, klagte Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin in einem Video, das sein Pressedienst am Dienstagvormittag auf Telegram veröffentlichte.

Die Wagner-Söldner kämpfen in dem seit mehr als 14 Monaten andauernden russischen Angriffskrieg um die ostukrainische Stadt Bachmut, der sich zum Schwerpunkt des Kriegs in der Ukraine entwickelt hat. Die Stadt, in der vor dem Krieg gut 70’000 Menschen lebten, ist inzwischen fast völlig zerstört.

Wegen der hohen Verluste und wegen Munitionsmangels drohte Prigoschin vor einigen Tagen dem Kreml mit dem Abzug seiner Einheiten aus Bachmut bis Mittwoch. Kurz darauf erklärte er, dass ihm doch ausreichend Artilleriegeschosse zugesichert worden seien. Nun klagte er, das Versprechen sei bisher noch nicht eingelöst worden. (awp/mc/ps)

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