EU will Ermittlungsteams zu Kriegsverbrechen in die Ukraine schicken

EU will Ermittlungsteams zu Kriegsverbrechen in die Ukraine schicken
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. (© European Union, 2021 )

Brüssel – Die EU will zur Aufklärung mutmasslicher russischer Kriegsverbrechen Ermittlungsteams in die Ukraine schicken. Wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Montag nach einem Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj mitteilte, sind die EU-Justizbehörde Eurojust und die Strafverfolgungsbehörde Europol zu Unterstützung bereit. So könnte demnach die Arbeit einer bereits vereinbarten gemeinsamen Ermittlungsgruppe verstärkt werden. Diese soll Beweise sammeln und Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit aufklären.

Die eine Entsendung von EU-Ermittlungsteams in die Ukraine umgesetzt werden könnte, soll nun EU-Justizkommissar Didier Reynders mit dem ukrainischen Generalstaatsanwalt klären. «Die Kommission wird die erforderliche technische und finanzielle Unterstützung für alle EU-geführten Untersuchungen bereitstellen», erklärte von der Leyen.

«Globale Antwort»
Mit Blick auf das weitere Vorgehen sprach sich von der Leyen für eine «globale Antwort» aus. Ihren Angaben zufolge laufen derzeit Gespräche zwischen Eurojust und dem Internationalen Strafgerichtshof, «um Kräfte zu bündeln und den Strafgerichtshof in die gemeinsame Ermittlungsgruppe einzubinden». Ein solcher koordinierter Ansatz der ukrainischen Behörden, der EU, ihrer Mitgliedstaaten und Agenturen sowie des Internationalen Strafgerichtshofs werde es ermöglichen, die Beweismittel so vollständig und rechtswirksam wie möglich zu sammeln, zu analysieren und zu verarbeiten.

Über die aus befreiten ukrainischen Städten wie Butscha gemeldeten Gräueltaten zeigte sich von der Leyen schockiert. «Diese entsetzlichen Bilder dürfen und werden nicht folgenlos bleiben», kommentierte sie. «Die Urheber dieser abscheulichen Verbrechen dürfen nicht ungestraft davonkommen.»

Bilder von Einwohnern der kleinen Stadt Butscha, deren Leichen nach dem Abzug russischer Truppen auf den Strassen lagen, lösen seit dem Wochenende weltweit Entsetzen aus. Die ukrainische Seite macht russische Soldaten dafür verantwortlich. Selenskyj hatte bereits am Sonntag von «Völkermord» gesprochen. Moskau hingegen streitet die Schuld für den Tod der Menschen vehement ab.

Selenski besucht Butscha
Nach Bekanntwerden des Massakers an Zivilisten in Butscha ist der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski in die zerstörte Stadt gereist. In Butscha seien Kriegsverbrechen begangen worden, sagte Selenski am Montag vor Journalisten in der kleinen Stadt rund 25 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Kiew. «Die Welt wird das als Genozid anerkennen», sagte Selenski, der sich in Begleitung von bewaffneten Sicherheitskräften ein Bild von den Zerstörungen machte.

Biden: Putin sollte Prozess wegen Kriegsverbrechen gemacht werden
US-Präsident Joe Biden forderte, den russischen Staatschef Wladimir Putin wegen Kriegsverbrechen vor Gericht zu stellen. «Er sollte zur Rechenschaft gezogen werden», sagte Biden am Montag im Garten des Weissen Hauses. «Dieser Kerl ist brutal. Es ist abscheulich, was in Butscha passiert, und alle haben es gesehen», sagte Biden. Es handle sich um ein Kriegsverbrechen. Untersuchungen müssten nun «alle Details» dokumentieren, «damit es einen Prozess wegen Kriegsverbrechen geben kann», sagte Biden.

Der Präsident erklärte zudem, die USA würden ihre Sanktionen gegen Russland wegen des Angriffskriegs in der Ukraine weiter verschärfen. «Ich werde weiter Sanktionen hinzufügen», sagte Biden. Zudem würden die USA die Ukraine auch weiter mit Waffen für den Kampf gegen die russischen Angreifer versorgen, sagte er.

Pentagon: Grossteil der russischen Truppen um Kiew abgezogen

Washington – Russlands Militär hat nach Einschätzung der US-Regierung etwa zwei Drittel seiner Truppen rund um Kiew abgezogen. Die übrigen Soldaten seien weiter vor der ukrainischen Hauptstadt in Stellung gebracht, sagte ein hoher Pentagon-Vertreter am Montag. Es sei offen, ob und wann diese ebenfalls Richtung Norden abziehen würden.

«Wir gehen weiterhin davon aus, dass die Truppen umgerüstet, mit Nachschub versorgt und vielleicht sogar mit zusätzlichen Kräften verstärkt werden, um dann in die Ukraine zurückgeschickt zu werden», sagte der Regierungsvertreter weiter. Die US-Regierung vermutet, dass sie in den Donbass im Osten der Ukraine geschickt werden.

Die Gräueltaten in der ukrainischen Stadt Butscha seien «widerlich» und «abscheulich», sagte der Vertreter weiter. «Wir haben schon vorher gesagt, dass die Russen bei dieser Invasion brutal vorgehen würden, und das haben sie auch bewiesen.» Die US-Regierung gehe davon aus, dass Russland in der Ukraine Kriegsverbrechen begehe. Was man nun in Butscha sehe, bestärke diese Befürchtung, hiess es.

Ukraine verzeichnet weitere Artillerieangriffe auf Charkiw
Der ukrainische Generalstab verzeichnet weiter russische Artillerieangriffe auf die belagerte Grossstadt Charkiw in der Ostukraine. Auch bestehe die Wahrscheinlichkeit von Luft- und Raketenangriffen auf zivile Ziele in Charkiw, teilte der Generalstab in Kiew in einem Bericht am Montag mit.

Zudem habe Russland die Luftabwehr für seine Truppen in der Region und für die Stadt Belgorod auf russischer Seite der Grenze verstärkt. In Belgorod war vergangene Woche ein Tanklager in Flammen aufgegangen, russische Quellen sprachen von Beschuss durch zwei ukrainische Helikopter.

Der ukrainische Generalstab beobachtete nach eigenen Angaben die Bewegungen russischer Truppen, die aus dem Umland der ukrainischen Hauptstadt Kiew nach Belarus im Norden abgezogen worden seien. Von dort würden die Einheiten weiter in Richtung Russland transportiert, hiess es. Ziel sei mutmasslich, die Truppen dann in Kämpfen in der Ostukraine wieder einzusetzen. Die Angaben des ukrainischen Militärs zum Kriegsgeschehen waren zunächst nicht unabhängig überprüfbar. (awp/mc/pg)

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