Euler Hermes: Welche wirtschaftlichen Folgen das italienische „Nein“ hat

Euler Hermes: Welche wirtschaftlichen Folgen das italienische „Nein“ hat
(Foto: Pixabay)

Wallisellen – Das italienische „Nein“ zum Verfassungsreferendum dürfte für den Stiefelstaat wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen. Welche genau hat der führende Kreditversicherer Euler Hermes in einer aktuellen Studie „Italy: The show must go on“ analysiert. Das wahrscheinlichste Szenario ist demnach, dass das Nein zunächst keine Nebenwirkungen auf Banken oder den Anleihenmarkt haben dürfte. Aber auch ohne diese kostet die Ablehnung die Italiener rund 0,3 Prozentpunkte (pp) beim Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP).

Politische Unsicherheit kostet Wirtschaftswachstum und löst Vertrauenskrise aus
„Das Nein zum Referendum in Italien ist zunächst kein Grund zur akuten Panik“, sagte Ludovic Subran, Chefökonom der Euler Hermes Gruppe. „Die wirtschaftlichen Auswirkungen dürften wesentlich geringer sein als beim Brexit. Trotzdem ist eine Reflexreaktion vorprogrammiert. Ein um 0,3 pp langsameres Wachstum bedeutet, dass die italienische Wirtschaft 2017 nur noch um 0,6% zulegt. Das ist wenig, vor allem auch im Vergleich zu anderen europäischen oder auch südeuropäischen Staaten.“

Unternehmen zahlen die Zeche – Wirtschaft kommt seit Jahren nicht von der Stelle
Unternehmen vor Ort werden dadurch noch weiter ausgebremst. „Es sind keine guten Nachrichten für italienische Unternehmen, deren Handelspartner oder die italienische Wirtschaft. Auch die Schweiz, als eine der wichtigsten Handelspartner Italiens, wird vom Entscheid betroffen sein“, sagte Stefan Ruf, CEO von Euler Hermes Schweiz. „Die italienische Wirtschaft ist neben Bankenkrise sowieso schon durch eine seit Jahren anhaltende Wachstumsschwäche, Überschuldung, geringe Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit, hohe Personalkosten und hohe Arbeitslosigkeit gebeutelt. Jetzt kommt also auch noch politische Instabilität hinzu. Italienische Unternehmen sind wirtschaftlich die Leidtragenden einer Vertrauenskrise, auch wenn diese eher mild ausfallen dürfte.“

Geringe Kapitalabflüsse aus dem Ausland und etwas schwierigere Finanzierungsbedingungen dürften die Folgen sein. Das bedeutet, Investitionen stagnieren insgesamt – statt wie bisher angenommen um 2% in 2017 zu wachsen. Vor allem aber kämpfen sie mit anhaltenden und bereits altbekannten Problemen.

„Die geringe Profitabilität und hohe Lohnkosten verringern die Wettbewerbsfähigkeit italienischer Firmen, vor allem im internationalen Vergleich“, sagte Stefan Ruf. „Sie sind dabei weit hinter Spanien oder auch Irland zurückgefallen, ganz zu schweigen von Deutschland. Es wären dringend Reformen notwendig und Investitionen in Forschung und Entwicklung. Investitionen hängen jedoch wie überall am Vertrauen – sowohl in die Politik als auch in den Bankensektor. In Zeiten der politischen Instabilität ist Vertrauen Mangelware und Reformen in weiter Ferne. Das homöopathische Wirtschaftswachstum dürfte also zunächst gekommen sein, um zu bleiben.“

Politische Unsicherheiten – was kommt nach Brexit- und Italien-Referendum noch?
Nachdem gut 59% gegen die Verfassungsänderung votierten, nahm Premierminister Matteo Renzi seinen Hut – und hinterlässt zumindest vorübergehend politische Unsicherheiten. „Die Situation bedeutet weitere politische Unsicherheit innerhalb Europas“, sagte Subran. „Auf den Brexit folgt nun Italien – und wer weiss, wie die Wahlen in Frankreich, Deutschland oder den Niederlanden ausgehen? 2017 hält sicher noch einige Überraschungen bereit. Fest steht aber auch, dass die politische Instabilität in Italien 2017 zu einer kleineren Vertrauenskrise führen wird.“

Ansteckungsgefahr durch italienischen Patienten voraussichtlich überschaubar
Dennoch dürfte diese weit von der finanziellen Krise 2011-12 entfernt sein. Damals fiel Italien fast auf ein Nullwachstum zurück. „Sollte es – was wir derzeit nicht erwarten – doch zu Nebenwirkungen auf Banken und Anleihenmarkt kommen, dürfte ein nahe Nullwachstum auch jetzt wieder die Folge sein“, sagte Subran. „Wahrscheinlich ist es derzeit aber nicht. Die lockere Geldpolitik hilft Italien. Die europäischen Institutionen haben ausserdem ein wesentlich klareres Regelwerk zur Rettung von Banken ohne Staatsbeteiligung, zum Beispiel durch Bankenunion und die sogenannten ‚Bail-in‘ Regeln.“

Zudem profitiert Italien heute bei allen strukturellen Schwächen zumindest von einem Handelsbilanz-überschuss, der auch im Falle von höheren Zinsausgaben noch etwas Handlungsspielraum lässt. Durch das sogenannte «debt ring fencing» dürfte die Ansteckungsgefahr für Europa überschaubar bleiben: 65% der italienischen Schulden werden von Italienern gehalten.

Bankensektor weiter anfällig
Der Bankensektor im Stiefelstaat bleibt auch weiterhin anfällig: „Italienische Banken leiden unter dem jahrelangen Mini-Wachstum der Wirtschaft“, sagte Subran. „Insbesondere die notleidenden und faulen Kredite machen den dortigen Instituten zu schaffen.“

Die notleidenden Kredite werden auf rund 360 Milliarden Euro geschätzt. Das ist mehr als die jährlichen Ausgaben des Bundeshaushalts. Fast 200 Milliarden Euro davon sind sogenannte «sofferenze», also faule Kredite, die bereits abgeschrieben sind. Die Banken gehen demnach davon aus, dass sie endgültig verloren sind. Das entspricht fast 12% des italienischen BIP.

Hinzu kommt die geringe Profitabilität und zu geringe Kapitalisierung der Banken, insbesondere bei den kleinen und mittelgrossen Banken. (Euler Hermes/mc)

Die vollständige Studie «Italy: the show must go on» (Englisch)

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