Europa schaut auf Griechenland

Europa schaut auf Griechenland

Athen – Mit der Auflösung des erst vor zwölf Tagen gewählten Parlaments will der griechische Staatspräsident Karolos Papoulias den Weg für Neuwahlen in dem vom Staatsbankrott bedrohten Euro-Land freimachen. Das Dekret sollte noch am Freitagabend nach der konstituierenden Sitzung der Volksvertretung erlassen werden. Von dem neuen Urnengang am 17. Juni erhofft sich Papoulias klare Mehrheitsverhältnisse, die eine rasche Regierungsbildung erlauben.

Einer Umfrage zufolge können die Parteien, die am Sparkurs festhalten wollen, mit einer Mehrheit rechnen. Allerdings wird auch die radikale Linke mehr Stimmen bekommen. Dieses Bündnis will zwar ebenfalls in der Eurozone bleiben, aber das mit den Geldgebern vereinbarte Sparpaket einseitig aufkündigen.

Spekulationen über Euro-Austritt nehmen zu
Angesichts der schwierigen Lage in Athen nehmen die Spekulationen an den Finanzmärkten über ein Ausscheiden des südosteuropäischen Landes aus dem gemeinsamen Währungsraum zu. Erstmals räumte mit Handelskommissar Karel De Gucht auch ein Mitglied der EU-Kommission öffentlich ein, dass es Notfallpläne für den Fall eines griechischen Euro-Austritts gibt. «Das Endspiel hat begonnen und ich weiss nicht, wie es ausgehen wird», sagte er der belgischen Zeitung «De Standaard». Ein Sprecher der EU-Kommission wies die Aussagen später zurück: «Die EU-Kommission bestreitet, dass sie an einem Austritts-Szenario für Griechenland arbeitet. Die EU-Kommission will, dass Griechenland im Euro-Raum bleibt.»

Deutschland erhofft sich handlungsfähige Regierung
Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach am Freitag mit dem griechischen Präsidenten Papoulias über die dramatische Lage. Bei dem Telefongespräch habe die Kanzlerin noch einmal deutlich gemacht, dass Deutschland und die europäischen Partner darauf setzten, dass nach den Neuwahlen rasch eine handlungsfähige Regierung gebildet werde, sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter in Berlin.

Schulz warnt vor falschen Versprechungen
Der Präsident des EU-Parlaments, Martin Schulz (SPD), warnte die Griechen vor falschen Versprechungen. «Diejenigen, die euch erzählen: «Wir brauchen nichts zurückzuzahlen, wir brauchen nichts zu sanieren, die Europäer zahlen schon weiter», die führen euch ins Desaster», sagte Schulz dem Deutschlandfunk aus Athen. Ein Ausstieg des Landes aus der Eurozone sei nicht das Ende einer negativen Entwicklung, sondern der Anfang einer noch schlimmeren.

Bei einem Treffen mit Papoulias versicherte Schulz den Griechen, dass die EU und die Geldgeber ihr Land nicht «unterjochen» wollten.

Tsipras: Verbleibt mit Verpflichtungen, aber auch mit Rechten
Der Chef der griechischen Linksradikalen, Alexis Tsipras, beharrte bei einem Treffen mit Schulz auf einem Verbleib seines Landes im Euroraum «mit Verpflichtungen, aber auch mit Rechten». Die Eurozone bestehe nicht «aus Besitzern und Mietern». Alle Mitglieder seien gleichberechtigt, sagte Tsipras, der das mit den Geldgebern vereinbarte Sparpaket wieder aufschnüren will. Seine Partei war bei den Wahlen am 6. Mai mit 16,8 Prozent zweitstärkste Kraft geworden.

Umfrage: Nea Dimokratia und Pasok mit Mehrheit im Parlament
Zwar sieht eine aktuelle Umfrage die radikale Linke auch bei den Neuwahlen am 17. Juni mit leichten Zugewinnen. Allerdings würden auch die traditionellen Regierungsparteien besser abschneiden und gemeinsam auf eine Mehrheit kommen. Wie der griechische Fernsehsender Alpha berichtete, würden die Konservativen der Nea Dimokratia (ND) mit 26,1 Prozent (6. Mai: 18,85) stärkste Kraft. Die Sozialisten (Pasok) würden sich auf 14,9 Prozent (Mai: 13,2) verbessern. Beide Parteien kämen zusammen auf 164 der 300 Parlamentssitze, hiess es.

Auflösung des Parlaments
Vor der Auflösung des am 6. Mai gewählten Parlaments musste sich die Volksvertretung am Freitag zunächst einmal konstituieren. Als Parlamentspräsident wurde Vyron Polydoras von der ND bestimmt. Nach der Wahl weiterer Gremien wurde die Sitzung am Nachmittag beendet. Noch am Abend wollte Papoulias dann per Dekret die Auflösung des Parlaments anordnen und Neuwahlen für den 17. Juni festsetzen.

Kein Ansturm auf Banken
Nachdem es wegen der unsicheren Lage zu Wochenbeginn noch einen Ansturm von Kunden auf ihre Konten bei griechischen Banken gegeben hatte, herrschte am Freitag wieder normaler Betrieb, wie der Verband der Bankangestellten mitteilte. Auch die Bankautomaten im Zentrum Athens funktionierten normal, berichteten Augenzeugen.

Tourismus leidet
Inzwischen klagen griechische Hoteliers immer lauter über negative Auswirkungen auf die Tourismusbranche. Wegen der fortwährenden Krise seien die Buchungen um 40 Prozent zurückgegangen, teilte der Verband der touristischen Betriebe mit. Die politische Führung wurde aufgefordert, allen Gerüchten über ein angebliches Chaos in Griechenland entgegenzutreten. (awp/mc/pg)

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