Griechenland schützt Finanzsystem mit Schliessung von Banken

Griechenland schützt Finanzsystem mit Schliessung von Banken
Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras. (Foto: primeministergr/Twitter)

Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras. (Foto: primeministergr/Twitter)

Athen – Nach dem Scheitern der Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern schlittert Griechenland in eine der grössten Krisen seiner Geschichte. Erstmals schliessen im Euroland Griechenland von diesem Montag an alle Banken. Die Börse in Athen bleibt beschlossen, zudem sollen Kapitalverkehrskontrollen eingeführt werden, teilte der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras in einer Ansprache am Sonntagabend mit. Dies sei die Reaktion auf die Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), die Notkredite für griechische Banken einzufrieren.

Die griechischen Geldinstitute sollen von diesem Montag an bis zum 6. Juli und damit bis nach der geplanten Volksabstimmung geschlossen bleiben. An den Geldautomaten sollen demnach maximal 100 Euro pro Tag abgehoben werden können, zumindest in den ersten Tagen. Unklar war laut griechischen Medien, ob die Börse in Athen am Montag ebenfalls geschlossen bleibt.

«Geldeinlagen in griechischen Banken sind absolut sicher», sagte Tsipras. Gehälter und Renten seien «garantiert». In den kommenden Tagen sei Geduld und Gelassenheit nötig. Die kritische Situation könne überwunden werden. Der Vorstandsvorsitzende der Piräus Bank, Anthimos Thomapoulos, sagte vor Journalisten in Athen, die Regierung habe den Geldinstituten die Öffnung untersagt.

https://twitter.com/tsipras_eu/status/615221564951429125

Börse bleibt eine Woche lang geschlossen
Auch die Börse in Athen bleibt voraussichtlich eine Woche lang geschlossen. Erst wenn die griechischen Banken wieder aufmachten, solle auch der Handel an der Börse anlaufen, erklärte die Finanzmarktaufsicht des Landes am Montag in einer E-Mail an die Finanz-Nachrichtenagentur Bloomberg. Zuvor hatte eine Sprecherin der Athener Börse die Handelsaussetzung für den Montag bestätigt.

EZB friert Notkredite ein
Die EZB hatte zuvor beschlossen, die Notkredite auf dem aktuellen Stand von rund 90 Milliarden Euro einzufrieren. Griechenlands Banken sind seit Monaten auf Nothilfen angewiesen. Die Lage hatte sich noch dadurch verschärft, dass verunsicherte Verbraucher und Unternehmen grosse Mengen Bargeld von ihren Konten abhoben. Die Einlagen fehlen den Banken in ihrem Tagesgeschäft. Zahlreiche Geldautomaten in Griechenland waren bereits am Wochenende leer.

Am Samstag waren die Verhandlungen zwischen Griechenland und der Eurogruppe gescheitert, nachdem Tsipras überraschend ein Referendum über geforderte Reformen am kommenden Sonntag (5.7.) angekündigt und gleichzeitig deren Ablehnung empfohlen hatte.

Referendum am Sonntag, Verhandlungen mit Brüssel abgebrochen
Das laufende Hilfsprogramm der internationalen Geldgeber für Athen läuft am 30. Juni aus. Damit fehlen dem hoch verschuldeten Land Milliarden, die zur Tilgung von Schulden beim Internationalen Währungsfonds (IWF) am Dienstag benötigt werden. Denkbar sind damit auf mittlere Sicht auch der Staatsbankrott und das Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone («Grexit»).

Das Parlament hatte am Samstagabend nach langer Debatte das Referendum beschlossen. Parallel wurden die Gespräche der Euro-Finanzminister mit Griechenland ohne Ergebnis abgebrochen, und es hagelte heftige Kritik am griechischen Vorgehen.

EU-Kommission veröffentlicht letzten Vorschlag
«Ich werde mir nicht von Herrn Schäuble die Erlaubnis für eine Volksabstimmung einholen», empörte sich Tsipras. «Die Würde eines Volkes ist kein Spiel.» Tsipras betonte zugleich, niemand könne Griechenland aus dem Euro drängen.

Unklar ist, worüber die Griechen genau abstimmen sollen. Die EU-Kommission veröffentlichte inzwischen den zuletzt verhandelten Vorschlag der Geldgeber. Damit solle Transparenz geschaffen und das griechische Volk informiert werden, teilte die EU-Behörde in Brüssel mit. In dem Papier für ein Reform- und Sparpaket seien auch die Vorschläge der Griechen berücksichtigt worden. Das Textdokument sei aber nie fertiggestellt worden, hiess es.

Schäuble: «Die Enttäuschung ist schon sehr gross»
«Die Enttäuschung ist schon sehr gross», meinte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Er bekräftigte jedoch wie seine Kollegen, dass Griechenland Mitglied der Euro-Zone und Teil der EU bleibe. Aussenminister Frank-Walter Steinmeier sagte der «Welt am Sonntag»: «Der Zickzackkurs der griechischen Regierung in den letzten Stunden und Tagen macht einen doch fassungslos.»

US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel drückten in einem Telefonat ihre Besorgnis aus. Beide Seiten hielten es für äusserst wichtig, alles zu unternehmen, um einen Weg zu finden, der es Griechenland erlaube, innerhalb der Eurozone Reformen umzusetzen und Wachstum zu erzielen, teilte das Weisse Haus mit. Wirtschaftsexperten beider Länder beobachteten die Situation und stünden in engem Kontakt.

Theoretisch wären neue Verhandlungen jederzeit möglich. IWF-Chefin Christine Lagarde sagte der BBC, die Griechen könnten in dem Referendum ja auch für das Angebot der Geldgeber stimmen. Deren Antwort hiesse dann: «Lasst es uns versuchen.» (awp/mc/upd/pg)

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