USA und EU wollen freieren Handel – allerdings zu ihren Bedingungen

USA und EU wollen freieren Handel – allerdings zu ihren Bedingungen

Buenos Aires – Trotz des eskalierenden Zollstreits zwischen den USA und der Europäischen Union haben beide Seiten ihren Willen zum Freihandel bekräftigt. «Die USA wollen freien und fairen Handel», sagte US-Finanzminister Steve Mnuchin am Sonntag zum Abschluss des Treffens der G20-Finanzminister und Notenbankchefs in Buenos Aires. Auch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) betonte den Nutzen offener Märkte: «Die Wohlstandsgewinne sind für alle grösser, wenn wir kooperieren.»

Ganz unterschiedliche Auffassung herrschen aber über die Frage, was freier Handel eigentlich bedeutet. «Wir haben ein Defizit im Handel mit der EU. Sie schützen viele ihrer Märkte», sagte Mnuchin. Für die US-Regierung muss bei den Gesprächen alles auf den Tisch: neben Zöllen auch technische Handelshemmnisse und Subventionen. «Wir wollen nur sicherstellen, dass amerikanische Arbeiter und Unternehmer fair behandelt werden», sagte Mnuchin. Nach Einschätzung der Europäer hingegen haben die Vereinigten Staaten mit ihren Zöllen auf Stahl und Aluminium den Konflikt überhaupt erst angezettelt.

Das Ifo-Institut rät der EU, auf die US-Vorschläge für ein neues Freihandelsabkommen zwischen den weltweit wichtigsten Industriestaaten einzugehen. Die Initiative des amerikanischen Finanzministers Steven Mnuchin auf dem G20-Gipfel in Buenos Aires sei eine Chance, den Handelsstreit zu beenden, erklärte Ifo-Handelsexperte Gabriel Felbermayr am Montag in München. Die EU-Spitzen sollten im Konflikt mit US-Präsident Donald Trump «die Beleidigungen der letzten Tage vergessen und die Aufnahme von ernsthaften Verhandlungen anbieten».

Aus Sicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) könnte ausgerechnet die US-Wirtschaft wegen drohender Strafzölle in zahlreichen Ländern der grösste Verlierer einer weiteren Eskalation im Handelsstreit sein. Letztendlich würde aber die ganze Welt unter einem Zoll-Wettrüsten leiden. Im schlechtesten Fall könnte die weltweite Wirtschaftsleistung im Jahr 2020 um 0,5 Prozent oder 430 Milliarden US-Dollar niedriger liegen als bislang erwartet, schätzt der IWF.

In der argentinischen Hauptstadt unterstrichen die Vertreter der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer die Bedeutung freier Handelströme für die Weltwirtschaft. «Der internationale Handel und Investitionen sind wichtige Motoren für Wachstum, Produktivität, Innovation und Entwicklung», hiess es in der G20-Abschlusserklärung. «Wir müssen den Dialog intensivieren und Massnahmen ergreifen, um die Risiken einzuhegen und das Vertrauen zu steigern.»

Juncker und Malmström zu Gesprächen in Washington
Das Statement von Buenos Aires tut niemandem weh – in einigen Tagen könnte es in Washington hingegen ans Eingemachte gehen. Am Mittwoch reisen EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström zu Gesprächen in die Vereinigten Staaten. Zuletzt hatte US-Präsident Donald Trump mit neuen Zöllen auf Autos aus Europa gedroht. Das könnte auch die deutschen Automobilhersteller empfindlich treffen.

Sollte Trump nicht einlenken, erwägt die Europäische Union weitere Gegenmassnahmen. Zunächst soll allerdings eine Lösung am Verhandlungstisch gesucht werden. «Ein regelbasierter, fairer, freier Welthandel ist besser, als wenn jeder jetzt protektionistische Massnahmen ergreift», sagte Bundesfinanzminister Scholz.

Zuletzt zeichneten sich allerdings auch innerhalb der EU Meinungsverschiedenheiten über die richtige Strategie für das Treffen in Washington ab. Während die Bundesregierung ohne Vorbedingungen in die Gespräche gehen will, pochen die Franzosen darauf, dass Trump zunächst die Strafzölle auf Stahl und Aluminium zurücknimmt. «Wir verhandeln nicht mit einer Pistole am Kopf», sagte der französische Finanzminister Bruno Le Maire.

Es sei wichtig, dass die EU auch künftig in Handelsfragen geschlossen bleibe, um ihre Interessen weltweit durchsetzen zu können, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) im Deutschlandfunk. Entscheidungen würden «nicht alleine in Berlin und nicht alleine in Paris getroffen, sondern eben zu einem erheblichen Teil auch in Brüssel».

Als Reaktion auf den Clinch mit den USA will die EU zudem ihre Handelsbeziehungen mit anderen Regionen ausbauen. Zuletzt einigte sich die Europäischen Union mit Japan auf ein Freihandelsabkommen, jetzt soll eine Einigung mit dem südamerikanischen Wirtschaftsbündnis Mercosur folgen. «Dieser Handelskonflikt mit den USA könnte als Turbo fungieren», sagte der Staatssekretär im österreichischen Finanzministerium und Vertreter der EU-Ratspräsidentschaft, Hubert Fuchs, in Buenos Aires.

Bundesrat Maurer betont Bedeutung der Digitalisierung
Bundesrat Ueli Maurer hat am Treffen der G20-Finanzminister besonderen Wert auf die Digitalisierung gelegt. Gerade im Finanzbereich sei es wichtig, der Innovation die nötigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Maurer unterstrich die Position der Schweiz zu Kryptowährungen. Ausserdem schloss sich die Schweiz der Forderung nach offenen Märkten für Güter und Dienstleistungen an, wie das Eidgenössische Finanzdepartement (EFD) am Sonntag weiter mitteilte.

Im Umgang mit Kryptowährungen anerkennt die Schweiz, dass die Distributed-Ledger-Technologie (DLT – Technik für vernetzte Computer), zu der die Blockchain-Technologie gehört, über ein grosses Potential auch bei Finanzdienstleistungen verfügt. Bundesrat Maurer unterstrich zudem in seiner Intervention vor den Finanzministern, dass bei der Regulierung von Fintech generell und DLT im Speziellen technologieneutrale Ansätze wichtig sind.

Die Integrität des Finanzmarktes müsse ausserdem gewahrt werden, indem die Gesetzgebung zur Bekämpfung von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung auch für Kryptowährungen gelte, was in der Schweiz der Fall ist.

Weiter will die Schweiz den Grundsatz, dort Steuern zu erheben, wo die Wertschöpfung erzielt wird, auch auf digitale Dienstleitungen anwenden. Nur ein einheitliches internationales Vorgehen schaffe Verlässlichkeit für Unternehmen und vermeide Doppelbesteuerungen.

Auf Einladung Argentiniens nahm die Schweiz in diesem Jahr bereits zum dritten Mal in Folge und seit 2008 zum vierten Mal insgesamt am sogenannten Finance Track der G20 teil. (awp/mc/ps)

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