Dutzende Tote bei Strassenkämpfen in Kiew

Dutzende Tote bei Strassenkämpfen in Kiew

Kiew – Dramatische Eskalation in Kiew: Nach vergeblichen Appellen zum Gewaltverzicht haben unbekannte Scharfschützen am Donnerstag Dutzende Menschen erschossen. In wessen Auftrag sie handelten, war zunächst unklar. Das ukrainische Gesundheitsministerium bezifferte die Zahl der Toten an Abend auf mindestens 39, darunter auch Sicherheitskräfte. Radikale Regierungsgegner sprachen von mindestens 60 Toten. Nach den bisher schwersten Strassenkämpfen ordnete das Innenministerium der Ukraine an, Sicherheitskräfte könnten landesweit mit scharfer Munition gegen radikale Demonstranten vorgehen.

Viele der Opfer seien jeweils mit einem Schuss gezielt getötet worden, sagten Ärzte auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan). «Wir sehen die Situation ausser Kontrolle», umriss der Oppositionspolitiker Vitali Klitschko die Lage. Klitschko machte die Staatsführung für den Bruch des Gewaltverzichts verantwortlich. «Die Regierung hat vor den Augen der gesamten Welt zu blutigen Provokationen gegriffen», hiess es in einer Mitteilung. «Bewaffnete Verbrecher wurden auf die Strassen gelassen, um Menschen zu verprügeln.»

EU-Vermittler sprechen mit Janukowitsch
Während am Unabhängigkeitsplatz weiter bürgerkriegsähnliche Zustände herrschten, verhandelte ein EU-Vermittler-Trio um den deutschen Aussenminister Frank-Walter Steinmeier bis zum Nachmittag mit Staatschef Janukowitsch. Steinmeier wurde von seinen Amtskollegen Laurent Fabius aus Frankreich und Radoslaw Sikorski aus Polen begleitet. «Ansätze für Fortschritte sind vorstellbar», hiess es aus Delegationskreisen. Steinmeier kündigte an, ein zweites Mal mit der Opposition reden zu wollen.

Baldige Sanktionen gegen die ukrainische Führung
Währenddessen beschlossen die übrigen Aussenminister der EU-Mitgliedsländer in Brüssel Kriterien für Sanktionen gegen die ukrainische Führung. Die ukrainische Führung warnte die EU vor Strafmassnahmen. «Sanktionen würden die Situation verschärfen, sie wären Öl ins Feuer», sagte Präsidialamtschef Andrej Kljujew. «Bei Sanktionen droht die Gefahr, dass das Land in zwei Teile zerbricht.» Die USA verhängten bereits Einreiseverbote für 20 Ukrainer, die für die Gewalttaten in der Nacht zum Mittwoch verantwortlich seien. US-Präsident Barack Obama verurteilte am Mittwoch (Ortszeit) die Eskalation der Gewalt in der Ukraine. «Es wird Konsequenzen haben, wenn Leute eine Linie überschreiten», drohte Obama.

Merkel fordert Jankukowitsch auf, Vermittlungsangebot anzunehmen
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel schaltete sich ein und telefonierte mit Janukowitsch. Merkel habe die Eskalationen scharf verurteilt, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Alle Seiten müssten unverzüglich von Gewalt Abstand nehmen und die noch am Mittwochabend vereinbarte Waffenruhe umsetzen. Die Hauptverantwortung dafür liege bei der Staatsführung. Die Bundeskanzlerin habe die Bereitschaft der EU erklärt, Gespräche von Regierung und Opposition zu unterstützen. Sie habe Janukowitsch dringend geraten, dieses Angebot anzunehmen. Jedes Spiel auf Zeit werde den Konflikt weiter anheizen und berge unabsehbare Risiken.

Putin will Vermittler nach Kiew schicken
Der russische Aussenminister Sergej Lawrow warf dagegen dem Westen Erpressung in der Ukraine-Frage vor. Präsident Wladimir Putin wollte auf Bitte Janukowitschs einen Vermittler nach Kiew schicken. Der scheidende Menschenrechtsbeauftragte Wladimir Lukin könne an Gesprächen zwischen Führung und Opposition teilnehmen, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow nach Angaben russischer Agenturen. (awp/mc/pg)

 

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