Israels Iran-Angriff trifft Militärführung und Atomanlagen

Tel Aviv/Teheran – Mit einem überraschenden Grossangriff auf den Iran hat Israel die Militärführung des Landes ausgeschaltet und mehrere Stützpunkte und Atomanlagen attackiert. Die Angriffe trafen Ziele in der Hauptstadt Teheran, aber auch im Westen des Landes. Der Iran sprach von einer Kriegserklärung und kündigte eine harte Reaktion an. Er schickte noch am Morgen mindestens 100 Drohnen in Richtung Israel, die Medienberichten zufolge alle abgefangen werden konnten.
Laut iranischen Angaben wurden führende Köpfe des Militärs getötet, darunter der Kommandeur der mächtigen Revolutionsgarden, Hussein Salami, der Generalstabschef, Mohammed Bagheri, und Medienberichten zufolge auch der als Architekt des iranischen Raketenprogramms geltende Brigadegeneral Amir Ali Hadschisadeh, Kommandeur der Luftstreitkräfte. Zugleich wurde nach israelischen Angaben das iranische Luftabwehrsystem im Westen des Irans angegriffen.
Atomanlage Natans schwer beschädigt
Von den Atomanlagen wurde nach Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) die Uran-Anreicherungsanlage in Natans nördlich der Stadt Isfahan zum Angriffsziel. IAEA-Chef Rafael Grossi informierte den israelischen Präsidenten Izchak Herzog über «schwere Schäden» an Natans, wie ein Sprecher von Herzog mitteilte.
Die Strahlungswerte dort seien nicht erhöht, hatten bereits zuvor die IAEA und der Iran mitgeteilt. In seinen Angaben bezog sich Grossi bislang auf direkte Informationen von iranischen Behörden. Zusätzlich steht die IAEA-Zentrale in Wien mit ihren Atominspektoren in Kontakt, die derzeit im Iran sind.
Nach iranischen Angaben wurde auch der Standort des Schwerwasserreaktors Arak angegriffen sowie der Nuklearkomplex Partschin. Informationen zu konkreten Schäden dort gab es zunächst nicht.
Zugleich nahm Israel Personen ins Visier, die für das Atomprogramm von Bedeutung sind. Bei dem Angriff wurden iranischen Berichten zufolge mindestens sechs führende Wissenschaftler und Professoren aus den Bereichen Nuklear und Physik getötet. Die Forscher kamen bei nächtlichen Angriffen auf ihre Wohnungen in der Millionenmetropole Teheran ums Leben.
In der Hauptstadt wurden Staatsmedien zufolge neben Wohnhäusern der Generäle in wohlhabenden Gegenden auch das Hauptquartier der Streitkräfte angegriffen sowie weitere Militäreinrichtungen im Westen der Stadt. Insgesamt sind laut Medienberichten mindestens 18 verschiedene Orte oder Viertel in Teheran angegriffen worden.
Im restlichen Iran wurden vor allem Städte im Westen Ziel von Angriffen, darunter Ghom, Kermanschah oder Tabris. Im Westen des Landes befinden sich Teile der Luftverteidigung und Raketensilos. Laut Angaben des Roten Halbmonds wurden mindestens 95 Zivilisten in Teheran und den anderen betroffenen Städten verletzt.
Iran im Schockzustand
Iranerinnen und Iraner zeigten sich über den Angriff und dessen Ausmass zunächst schockiert und verwirrt. Allerdings drückten Bewohner des Landes auch eine gewisse Schadenfreude aus. «Angst oder Freude? Leider überwiegt bei mir die Freude», sagte der Leiter eines kleinen Marktes in Teheran. Die erzkonservative politische Führung in Teheran ist bei der Bevölkerung wenig beliebt.
Bewohner Teherans drückten zugleich Sorgen aus. Der Preis für Benzin sei sofort angezogen, sie befürchteten, dass Banken schliessen könnten. Es gab Berichte darüber, dass sich Menschen mit Nahrungsmitteln und Wasser eindeckten.
Ein Journalist sagte, der Angriff sei völlig unvorhersehbar gewesen. Es seien jene bestraft worden, die nicht einsehen würden, dass ihre Politik zu einer Spirale der Gewalt führe, sagte er mit Blick auf die politische Führung. Er hat Zweifel daran, dass die Freude bei den vielen Kritikern der Regierung lange andauern werde. «Vielleicht bald nicht mehr, wenn der Konflikt zu einem richtigen Krieg wird», sagt er. «Wir sollten alle Angst haben, denn nun ist nichts mehr, wie es einmal war.»
Iran wertet Israels Angriff als Kriegserklärung
Irans Aussenminister hat den israelischen Grossangriff auf sein Land als Kriegserklärung gewertet. Israel habe damit alle roten Linien überschritten, sagte Abbas Araghtschi laut der staatlichen Nachrichtenagentur Irna. Er forderte den UN-Sicherheitsrat dazu auf, sich sofort mit dem Vorfall zu befassen.
Die Regierung versendete am Vormittag zudem SMS-Nachrichten an die Bürger des Landes mit einer Erklärung, dass sich das Land verteidigen werde. «Es ist die Aufgabe und Pflicht der Regierung und der Streitkräfte, dieses Land, seine Ressourcen und alle Iraner zu verteidigen – und wir werden darin nicht den geringsten Zweifel aufkommen lassen», ist in diesen zu lesen.
Israels Verteidigungsminister droht dem Iran
Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz hat am Vormittag dem Iran im Fall von neuen Angriffen auf den jüdischen Staat mit Vergeltung gedroht. «Wer auf die Vernichtung Israels hinarbeitet, wird eliminiert – der Preis für den Iran wird mit jeder weiteren aggressiven Handlung steigen», hiess es in einer Mitteilung von Katz. «Der Iran wird einen immer höheren Preis zahlen, je länger er seine aggressive Politik fortsetzt.»
Israel schloss vor dem Hintergrund des Grossangriffs weltweit alle seine Botschaften und Konsulate, wie das israelische Aussenministerium in Jerusalem am Nachmittag (Ortszeit) mitteilte. Hintergrund dürften Befürchtungen möglicher Angriffe sein.
«Wir befinden uns im Krieg»
Die Angriffe im Iran sollen nach Äusserungen eines ranghohen israelischen Militärvertreters auch in den kommenden Tagen weitergehen. «Wir verfügen über einen langfristigen, breit angelegten Angriffsplan für die kommenden Tage – vor uns liegen schwierige Zeiten», sagte der Militär nach Angaben des regierungsnahen israelischen TV-Senders C14.
«Die Iraner werden reagieren. Wenn die Bevölkerung (in Israel) diszipliniert bleibt, wird es nur wenige Verletzte geben», sagte er demnach weiter. Anderenfalls seien viele Opfer zu befürchten. «Wir befinden uns im Krieg.»
Kurz nach Mittag (Ortszeit) hat Israel Medienberichten zufolge eine neue Welle von Angriffen auf den Iran ausgeführt. Explosionen ereigneten sich unter anderem in den Millionenstädten Tabris, Schiras und bei der Atomanlage Natans, wie iranische Medien berichteten. Es gab auch nach diesen Angriffen keine Berichte über den Abschuss israelischer Kampfflugzeuge durch die iranische Luftabwehr.
Trump ruft Iran eindringlich zu Abkommen auf
Unterdessen rief US-Präsident Donald Trump den Iran dazu auf, ein Abkommen rund um sein Atomprogramm abzuschliessen. Es habe bereits viel Tod und Zerstörung gegeben, aber noch sei Zeit, dieses «Gemetzel» zu beenden, schrieb Trump auf seinem Sprachrohr Truth Social. «Der Iran muss einen Deal eingehen, bevor nichts mehr übrig ist», schrieb Trump.
Beobachter halten es allerdings für unwahrscheinlich, dass sich Irans Führung angesichts der israelischen Angriffe noch für einen diplomatischen Weg entscheidet.
Der breit angelegte israelische Angriff löst Befürchtungen aus, dass sich die Spannungen zwischen den beiden hochgerüsteten Ländern zu einem umfassenden, regionalen Krieg ausweiten könnten. Mehrere Länder und UN-Chef António Guterres riefen die Parteien zu Zurückhaltung und einem sofortigen Abbau der Spannungen auf. (awp/mc/pg)