Italien weckt Erinnerungen an Euro-Krise

Italien weckt Erinnerungen an Euro-Krise
(Photo by Andrew Slifkin on Unsplash)

Brüssel – Die designierte Regierung in Italien löst bei vielen EU-Politikern und Ökonomen die Sorge vor einer neuen Euro-Krise aus. Grund sind etwa die Pläne der 5-Sterne-Bewegung und der rechtsextremen Lega zu Steuersenkungen und höheren Staatsausgaben.

«Es besteht echte Gefahr, dass die neue italienische Regierung durch ihre unverantwortliche Wirtschaftspolitik den Weg bereiten könnte für die nächste Euro-Krise», sagt ein Vertreter der Euro-Zone. Ein anderer Insider betont: «Alle sind besorgt, dass Italien unregierbar ist, und dass Populisten das Land in eine weitere tiefe Krise treiben werden.» Die Gretchenfrage ist, wie die Märkte reagieren und ob dies die Koalition zu einem moderateren Vorgehen bringen könnte.

Zweieinhalb Monate nach der Parlamentswahl haben sich die europakritischen Parteien 5 Sterne und Lega auf ein Regierungsprogramm verständigt. Sie wollen die Konjunktur des bereits hoch verschuldeten Italien auch mit «begrenzten» schuldenfinanzierten Ausgaben anschieben. Das Programm sieht ein Grundeinkommen von 780 Euro im Monat vor. Zudem müsse man mit den EU-Partnern die Haushaltspolitik der Gemeinschaft sowie den Euro-Stabilitätspakt überprüfen. Investitionsausgaben sollten nicht in die Defizitberechnungen einfliessen.

«Probleme würden verschlimmert»
Mit einer solchen Regierung würden die eigentlichen Probleme – wie geringes Wirtschaftswachstum, unflexible Arbeitsmärkte, Ineffizienz im Bankensystem und der Verwaltung – nicht angegangen und vielfach nur verschlimmert, warnt Chefstratege Jan von Gerich von der Nordea-Bank. «Kurzum: Vertrauen gegenüber Italien dürfte unter einer 5-Sterne/Lega-Regierung auf eine schwierige Probe gestellt werden – auch wenn die beiden Parteien ihr Programm nicht vollständig umsetzen können.»

Der Finanzmarkt reagiert bereits: Die Kurse italienischer Staatsanleihen gaben am Freitag merklich nach. Die Rendite zehnjähriger Papiere stieg im Gegenzug um sieben Basispunkte auf 2,179 Prozent. Zeitweise hatte sie mit 2,21 Prozent den höchsten Stand seit zehn Monaten erreicht. Merklich gestiegen sind auch die Risikozuschläge für portugiesische und spanische Anleihen. Gefragt waren dagegen die als sicher geltenden deutschen Anleihen.

Zudem zeigte sich der italienische Aktienmarkt besonders schwach in Europa. Der FTSE MIB sackte am frühen Nachmittag um 0,94 Prozent auf 23 576,68 Punkte ab. Vor allem Bankenwerte wurden abgestossen: Bper Bank, Ubi Banca und auch Banco Bpm büssten jeweils etwas mehr als 5 Prozent ein. Die Papiere der Unicredit verloren 2,6 Prozent, während sich die der Krisenbank Monte dei Paschi mit minus 0,4 Prozent recht gut hielten. Sie hatten allerdings am Vortag bereits 9 Prozent eingebüsst, nachdem Claudio Borghi, von der rechtspopulistischen Lega einen radikalen Kurswechsel für das Geldhaus gefordert hatte. Die Geschäftsführung der Bank sollte gefeuert und die Pläne zur Privatisierung verworfen werden, hatte er gesagt.

«Es ist wichtig, auf Kurs zu bleiben»
EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis ermahnte die künftige Regierung, Haushaltsdisziplin zu wahren und weiter Schulden abzubauen. Die hohe Staatsverschuldung berge grosses Risiko und bremse die Wirtschaft. «Das ist unsere Botschaft an die neue Regierung. Es ist wichtig, auf Kurs zu bleiben.»

Lega-Chef Matteo Salvini hat jüngst zur Kritik der Finanzmärkte und Medien am Regierungspakt gesagt: «Je mehr sie uns beleidigen, je mehr sie uns drohen, je mehr sie uns erpressen, desto grösser ist mein Verlangen, diese Herausforderung anzugehen.»

Vorerst keine Krise
Allerdings blicken nicht alle Fachleute so düster nach vorn. Die Koalitionäre hätten bereits an einigen Punkten eingelenkt, sagt ein weiterer Vertreter der Euro-Zone. Notfalls würde die Regierung auch durch die Finanzmärkte diszipliniert. «Die ganz verrückten Ideen haben sie rausgenommen», sagt ein Volkswirt zum Regierungsprogramm, in dem etwa keine Rede mehr ist von einem Ausstieg aus dem Euro oder einem Referendum darüber.

Der Chefökonom der Berenberg Bank, Holger Schmieding, erwartet zwar «deutlichen Lärm» bis hin zu Konflikten zwischen Rom und Brüssel. «Eine richtige Krise steht jetzt aber wahrscheinlich nicht bevor.» Zudem sei Italien in der vergleichsweise komfortablen Situation, dass seine Staatsanleihen im Schnitt noch über sieben Jahre liefen und sich die Zinskosten seit der Schuldenkrise verringert hätten. Italien sei nicht allzu verwundbar, wenn die Renditen leicht steigen sollten.

«Während eines Aufschwungs könnte das Land mit einigem finanzpolitischen Unfug wahrscheinlich noch für eine Weile davonkommen», sagt Schmieding. Dies könnte sich aber in einer Rezession ändern. «Ein zu wenig reformiertes Italien könnte dann ein Kandidat für eine Schuldenkrise sein – vielleicht 2022.» (awp/mc/pg)

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