Lage im russischsprachigen Osten der Ukraine weiter instabil

Lage im russischsprachigen Osten der Ukraine weiter instabil

Prorussische Demonstranten nach der Erstürmung eines Verwaltungsgebäudes in Charkow (Ostukraine).

Donezk – Im Ukraine-Konflikt hat sich die Lage gefährlich zugespitzt. Prorussische Kräfte stürmten mehrere öffentliche Gebäude im Osten des Landes. In der russischsprachigen Millionenstadt Donezk riefen die Besatzer der Gebietsverwaltung am Montag eine souveräne Volksrepublik aus. Sie kündigten spätestens für den 11. Mai ein Referendum über einen Anschluss an Russland an – nach dem Vorbild der Schwarzmeerhalbinsel Krim. Zudem forderten die Demonstranten Kremlchef Wladimir Putin auf, «Friedenssoldaten» zu entsenden.

In Kiew drohte Interimspräsident Alexander Turtschinow mit einem Anti-Terror-Einsatz gegen die «Separatisten». Er warf Russland in einer emotionalen Rede vor dem Parlament vor, es wolle «die Situation im Staat destabilisieren (…) und unser Land in Teile reissen».

Anders als auf der Krim gibt es in dem Gebiet an der Grenze zu Russland aber keine Mehrheit für einen Beitritt zur Russischen Föderation. Zudem hat Moskau die selbst ernannte Vertretung bisher nicht anerkannt und hat auch – im Gegensatz zur Schwarzmeerflotte auf der Krim – keine Truppen dort stationiert.

Appell aus Berlin
Die deutsche Bundesregierung zeigte sich besorgt über die Lage in der Ostukraine. Regierungssprecher Steffen Seibert appellierte in Berlin an «alle Verantwortlichen, zur Stabilisierung der Region beizutragen und solche Eskalationen zu vermeiden». Zugleich drohte er Russland erneut mit einer weiteren Sanktionsstufe.

Das deutsche Auswärtige Amt (AA) will vorerst keine deutschen Diplomaten mehr auf die Krim reisen lassen. Hintergrund ist die Sorge, dass dies als völkerrechtliche Anerkennung der Annexion durch Russland verstanden werden könnte.

EU beobachtet Lage «genau und mit Sorge»
Die Europäische Union beobachte die Lage in der Ostukraine «genau und mit Sorge», sagte eine Sprecherin der EU-Aussenbeauftragten Catherine Ashton in Brüssel. «Politische Forderungen in der Ukraine müssen gewaltlos verfolgt werden, gemäss den demokratischen Standards und in rechtsstaatlicher Weise», sagte sie.

Die ukrainische Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko warnte Russland, vor der Präsidentenwahl am 25. Mai Gebiete im Osten zu annektieren. Regierungschef Arseni Jazenjuk warf Moskau vor, eine Vernichtung des ukrainischen Staates zu planen. Russland hatte zuletzt die Gaspreise für Kiew deutlich angehoben und damit den wirtschaftlichen Druck auf das vor dem Bankrott stehende Land erhöht.

Zugespitzte Lage in Charkow
In der zweitgrössten Stadt Charkow erwarteten moskautreue Aktivisten Verstärkung aus anderen Städten, um ein Zeltlager zu organisieren – wie zuletzt bei antirussischen Demonstrationen auf dem Maidan, dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew. Dort hatten blutige Proteste zum Machtwechsel in der Ex-Sowjetrepublik geführt. Charkows Gebietsverwaltungschef Igor Baluta machte Provokateure von ausserhalb für die zugespitzte Lage verantwortlich.

In Lugansk leitete die Staatsanwaltschaft ein Verfahren ein, nachdem Aktivisten das örtliche Geheimdienstgebäude gestürmt hatten. Dabei waren am Sonntag mehrere Menschen verletzt worden. Die Miliz in Lugansk wurde in «Kampfbereitschaft» versetzt, wie Behörden mitteilten. Die Zufahrtsstrassen zur Stadt seien gesperrt. Maskierte im Geheimdienstgebäude sollen die Waffenkammer geplündert haben.

Kreml-Chef Putin will sich in der kommenden Woche ausführlich zu dem Konflikt äussern. Am 17. April sei dazu im Staatsfernsehen die traditionelle Sendung «Direkter Draht» mit dem Kremlchef geplant, berichtete die Zeitung «Kommersant».

Russland hatte sich angesichts der Krise in dem Nachbarland immer wieder für einen föderalen Staat ausgesprochen, in dem die Gebiete ein weitgehendes Recht auf Selbstbestimmung haben. Putin hatte auch Vorwürfe des Westens zurückgewiesen, eine Militärintervention in der Ukraine zu planen.

Tödlicher Zwischenfall auf der Krim
Auf der Krim gab es unterdessen einen tödlichen Zwischenfall: Ein russischer Soldat erschoss einen ukrainischen Offizier im Streit, wie Behörden mitteilten. Der russische Soldat sei dabei von dem angetrunkenen 32 Jahre alten Offizier angegriffen und verletzt worden und habe dann die tödlichen Schüsse abgefeuert. Es werde wegen Mordes ermittelt, sagte Justizsprecher Andrej Wassilko der Agentur Interfax. (awp/mc/upd/ps)

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