Militärputsch im Sudan: Langzeitpräsident Al-Baschir abgesetzt

Militärputsch im Sudan: Langzeitpräsident Al-Baschir abgesetzt
Omar al-Baschir.

Khartum – Das Militär im Sudan hat Präsident Omar al-Baschir nach fast 30 Jahren an der Macht abgesetzt. Für zwei Jahre werde es zunächst eine von den Streitkräften geführte Übergangsregierung geben, sagte der bisherige Verteidigungsminister Awad Ibn Auf in einer Fernsehansprache am Donnerstag. Damit solle der Weg für Wahlen bereitet und sichergestellt werden, «dass die Menschen im Sudan in Würde leben können», sagte er einer englischen Übersetzung zufolge. Al-Baschir sei festgenommen worden. Er befinde sich an einem «sicheren Ort», erklärte er. Ibn Auf, der bislang unter Al-Baschir auch Vizepräsident war, wird die neue Militärregierung anführen.

Für drei Monate gelte zunächst der Ausnahmezustand und für einen Monat eine nächtliche Ausgangssperre von 22.00 Uhr bis 04.00 Uhr morgens, erklärte der Minister weiter. Der sudanesische Luftraum sei für 24 Stunden geschlossen. Alle politischen Gefangenen würden freigelassen. Zudem erklärte er eine Waffenruhe im ganzen Land – dies würde wohl auch die Unruheregion Darfur einschliessen.

Anführer der Massenproteste fordern zivile Übergangsregierung
Die Anführer der Massenproteste, die Al-Baschirs Herrschaft ins Wanken gebracht hatten, verurteilten den Putsch der Streitkräfte jedoch und forderten eine zivile Übergangsregierung. Die Sitzblockade vor der Zentrale der Streitkräfte in der Hauptstadt Khartum und Proteste in den Strassen sollten weitergehen, forderte die Opposition in einer gemeinsamen Mitteilung auf Facebook. Es regierten weiter die gleichen Gesichter, hiess es in der Mitteilung von Oppositionsparteien und der SPA, einer gewerkschaftsähnlichen Interessensvertretung. Die Proteste würden fortgesetzt, bis «eine zivile Übergangsregierung die Macht übernehme, die den Willen der Revolution» vertrete.

In den Strassen Khartums herrschte am Donnerstagmorgen zunächst freudige Stimmung über den sich abzeichnenden Wechsel. Nach der Ankündigung der Militärregierung zeigten sich manche Demonstranten jedoch enttäuscht. Einige sagten einem Reporter der Deutschen Presse-Agentur, sie würden ihren Protest fortsetzen. Es blieb zunächst unklar, ob die Führung der Streitkräfte weitere Demonstrationen zulassen würde.

Monatelange Proteste
Dem Putsch waren monatelange Massenproteste vorausgegangen: Im Dezember gingen die Menschen auf die Strasse, um gegen die Erhöhung von Benzin- und Brotpreisen zu protestieren, schon bald forderten die Demonstranten aber auch den Rücktritt Al-Baschirs. Den Protesten hatten sich erstmals breite Bevölkerungsschichten angeschlossen.

Seit Samstag war es zu einer Sitzblockade vor der Militärzentrale in der Hauptstadt Khartum gekommen, die auch gleichzeitig die offizielle Residenz von Al-Baschir ist. Tausende Menschen protestierten friedlich. Zunächst gingen die Sicherheitskräfte hart vor, noch am Wochenende wurden rund 2500 Menschen festgenommen. Einem Ärzteverband zufolge kamen mindestens 21 Menschen ums Leben. Doch diese Woche gab es erste Zeichen, dass Teile der Sicherheitskräfte die Demonstranten gewähren liessen – ein Hinweis auf Risse im Machtsystem Al-Baschirs.

Seit 30 Jahren an der Macht
Noch im Februar hatte Al-Baschir (75) einen Ausnahmezustand verhängt, löste seine Regierung und jene der Bundesstaaten auf und erklärte, er würde als Chef der Regierungspartei zurücktreten. Doch es war zu wenig und zu spät. Die Lage entschärfte sich dadurch nicht, seine Massnahmen gaben den Demonstranten eher Rückenwind. Al-Baschir hatte sich 1989 unblutig an die Macht geputscht.

Haftbefehl aus Den Haag
Die Zukunft Al-Baschirs war zunächst ungewiss. Er wird per Haftbefehl vom Internationalen Strafgerichtshof gesucht. Ihm werden im Darfur-Konflikt, in dem Regierungskräfte und Milizen ab 2003 brutal gegen Volksgruppen im Westen des Landes vorgingen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen vorgeworfen. Der Sudan ist kein Mitgliedsstaat des Gerichts, ob Al-Baschir ausgeliefert werden wird, schien deshalb ungewiss. Ein Prozess in Den Haag dürfte vermutlich nicht das sein, was sich die Militärmachthaber wünschen, zumal wohl auch ihre Rolle untersucht würde.

In etlichen Ländern der arabischen Welt haben in den vergangenen Jahren Massenproteste zum Sturz langjähriger Herrscher geführt: in Tunesien, Ägypten, Libyen, im Jemen und zuletzt in Algerien.

Der Sudan mit seinen rund 40 Millionen Einwohnern ist einem UN-Index zufolge eins der 25 ärmsten Länder der Welt. Bis zur Abspaltung des Südsudans war die Wirtschaft stark vom Öl abhängig, das der Weltbank zufolge die Hälfte der Staatseinnahmen und 95 Prozent der Exporte ausmachte. Doch 2011 verlor der Sudan die meisten Ölfelder. 2019 wird dem Internationalen Währungsfonds zufolge mit einem Schrumpfen der Wirtschaftsleistung um 2,3 Prozent gerechnet. (awp/mc/pg)

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