Online-Plattform Temu droht EU-Strafe

Brüssel – Der chinesische Online-Marktplatz Temu verstösst nach einer Analyse von Experten der EU-Kommission gegen europäisches Digitalrecht. Es sei nachgewiesen worden, dass für EU-Konsumenten ein hohes Risiko bestehe, dort auf illegale Produkte zu stossen, teilte die Brüsseler Behörde zu einer vorläufigen Einschätzung am Montag mit.
Insbesondere ergab die Untersuchung, dass auf Temu einkaufende Menschen sehr wahrscheinlich Babyspielzeuge oder Elektronikprodukte finden, die nicht EU-Regeln entsprechen. Laut der EU-Kommission wäre Temu gemäss dem Gesetz über digitale Dienste (DSA) eigentlich dazu verpflichtet, Risiken einer Verbreitung illegaler Produkte auf seinem Marktplatz besser anzugehen.
Kommissionsvizepräsidentin Henna Virkkunen teilte dazu mit: «Die Sicherheit der Verbraucher im Internet ist in der EU nicht verhandelbar.»
Das chinesische Unternehmen kann nun auf die Vorwürfe reagieren. Passt Temu sein Verhalten nicht an oder kann es die Vorwürfe nicht ausräumen, kann die Kommission formell einen Verstoss feststellen. Dies kann eine Geldbusse von bis zu sechs Prozent des weltweiten Gesamtumsatzes von Temu nach sich ziehen.
Untersuchung läuft seit Oktober
Die Behörde unter der Leitung von Ursula von der Leyen betonte, dass sie noch nicht final entschieden hat, ob Temu wirklich gegen EU-Recht verstösst. Sie ergänzte aber, dass sie weiter auch zu anderen mutmasslichen Verstössen von Temu gegen das Digitalgesetz ermittelt – einschliesslich der Verwendung süchtig machender Gestaltungsmerkmale des Marktplatzes.
Gegen Temu wird schon länger ermittelt. Im Oktober hatte die Kommission bekanntgegeben, dass sie überprüft, ob die Plattform genug gegen den Verkauf illegaler Produkte unternehme. Damals hiess es unter anderem, unseriöse Händler würden auch dann wieder auf der Plattform auftauchen, nachdem sie gesperrt worden seien.
Bei Kunden in Europa erfreut sich Temu grosser Beliebtheit. Der Anbieter zählt bereits zu den grössten Onlinehändlern in Deutschland. Mehrere Millionen Menschen in der EU nutzen das Portal. Es gilt unter EU-Digitalrecht als sehr grosse Online-Plattform (VLOP), da das Unternehmen gemeldet hatte, mehr als 45 Millionen aktive monatliche Nutzerinnen und Nutzer in der EU zu haben.
Weitere Vorwürfe im Raum
Unabhängig von der DSA-Untersuchung gehen auch europäische Verbraucherschutzbehörden gegen Temu vor. Wie das Netzwerk für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz (CPC-Netz) im November bekannt machte, verstossen mehrere Praktiken auf der Plattform gegen EU-Recht.
Als problematische Praktiken wurden damals falsche Rabattaktionen, gefälschte Bewertungen sowie fehlende und irreführende Informationen zu Rechtsansprüchen der Verbraucher angeführt. Auch Kontaktangaben verstecke Temu, so dass sich Kundinnen und Kunden nicht ohne Schwierigkeiten an die Plattform wenden könnten. Auch werde der Eindruck vermittelt, dass Produkte nur begrenzt oder für kurze Zeit verfügbar seien.
Das Brüsseler Verfahren gegen Temu fällt in eine Zeit wachsender wirtschaftlicher Spannungen mit China. Wie vergangene Woche beim EU-China-Gipfel deutlich wurde, bleiben Fortschritte – trotz Gesprächsbereitschaft – beim zentralen Streitpunkt Handel aus. Kommissionspräsidentin von der Leyen stellte klar, dass die Wirtschaftsbeziehungen der beiden Grossmächte ausgewogener werden müssen. (awp/mc/pg)