Revolution über den Wolken: «Dreamliner» startet

Revolution über den Wolken: «Dreamliner» startet

Everett – Der «Dreamliner» von Boeing hat lange auf sich warten lassen, nun soll er das Reisen über den Wolken revolutionieren: Mit mehr als drei Jahren Verspätung lieferte der US-Flugzeugbauer am Montag seine erste 787 aus. Der Langstrecken-Jet soll Boeing zufolge die Passagiere mit grösseren Fenstern, einer weniger trockenen Luft, einem angenehmeren Kabinendruck und geräumigen Gepäckfächern beglücken.

Die Fluggesellschaften wiederum dürfen sich über eine satte Reichweite und den reduzierten Spritverbrauch freuen. Möglich macht das eine neuartige Konstruktion aus leichten und stabilen Karbonfasern statt Aluminium. Erzrivale Airbus will sein Konkurrenzmodell A350 erst ab Ende 2013 ausliefern.

Erstauslieferung an Japan Airlines
Boeings Erstkunde kommt aus Asien, dem am rasanten wachsenden Luftfahrtmarkt. Die japanische All Nippon Airways (ANA) unterzeichnete am Sonntag im Boeing-Werk in Everett die Übergabepapiere, am Montag war Feiern angesagt und an diesem Dienstag sollte die Maschine Richtung Japan starten. Dort beginnt sie ihren Liniendienst im November. Ab Januar soll der «Dreamliner» auch auf langen internationalen Strecken eingesetzt werden – von Tokio nach Frankfurt. «Jetzt, da das Flugzeug fertig zur Auslieferung ist, kann das ganze Team feiern», sagte «Dreamliner»-Programmchef Scott Fancher erleichtert. Er und seine Leute habe eine aufreibende Zeit hinter sich: Das neuartige Kunststoff-Material sorgte von Beginn an für Ärger, weil die Ingenieure die Technik erst erlernen mussten. Hinzu kamen Probleme mit Zulieferern. Boeing musste den Zeitplan mehrfach über den Haufen werfen und verspielte damit viel Vertrauen bei seinen Kunden.

Beispiellose Pannenserie
Eigentlich hätte der erste «Dreamliner» schon im Mai 2008 ausgeliefert werden sollen. Mit dem Jet wollten die Amerikaner den europäischen Rivalen Airbus ausbooten. Durch die beispiellose Pannenserie schmolz der Vorsprung jedoch dahin. Vor einem Jahr musste eine «Dreamliner»-Testmaschine wegen eines Brands in der Elektronik sogar notlanden – die Besatzung kam aber mit dem Schrecken davon. Der «Dreamliner» ist eine Art Gegenentwurf zu Riesenfliegern wie dem Airbus A380 oder dem Boeing 747 «Jumbo-Jet». Das Modell kann auf den gleichen langen Strecken fliegen, rentiert sich aber schon bei wesentlich weniger Passagieren. Der «Dreamliner» nimmt je nach Version 210 bis 290 Passagiere auf und kann diese mehr als 15.000 Kilometer weit ans Ziel bringen. Dabei verbraucht er laut Hersteller 20 Prozent weniger Kerosin als bisherige Typen.

Viele Kunden abgesprungen
Angesichts der milliardenschweren Mehrkosten durch die Verzögerungen ist aber unklar, wann und ob sich der «Dreamliner» für Boeing rechnet. Viele Kunden sind schon abgesprungen und diejenigen, die ihre Bestellungen aufrechterhalten haben, müssen immer noch teils Jahre warten, weil die Produktion erst hochlaufen muss. So rechnet Air Berlin damit, die ersten ihrer «Dreamliner» im Herbst 2014 zu bekommen. Die Airline hat 15 der Maschinen fest bestellt. Ursprünglich hatte Boeing fast 1.000 Bestellungen eingesammelt, geblieben sind 821. Damit ist der «Dreamliner» aber immer noch eines der beliebtesten Flugzeuge überhaupt. Der einzelne Jet kostet laut Liste je nach Version zwischen 185 und 218 Millionen Dollar (137 bis 162 Mio Euro), etwaige Sonderwünsche noch nicht mit eingerechnet. So stattet Erstkunde All Nippon Airways die Toiletten mit den in Japan beliebten Bidets aus.

Airbus lässt Boeing alt aussehen
Für Boeing ist der Erfolg des «Dreamliner» in mehrfacher Hinsicht wichtig. Zum einen muss der Konzern die Milliardenkosten wieder hereinholen, zum anderen braucht er dringend einen Erfolg gegen Airbus. Bei den kleineren Kurz- und Mittelstreckenfliegern rollen die Europäer gerade mit ihrem runderneuerten A320neo den Markt auf und lassen Boeing alt aussehen. Bei den Grossraumfliegern wildert der doppelstöckige A380 im Revier des Veteranen «Jumbo». Einen besonders schwere Schmach musste Boeing in der vergangenen Woche einstecken: Die Frachtfluggesellschaft Cargolux liess die Übergabe des ersten modernisierten und vergrösserten «Jumbo-Jets» 747-8 in letzter Minute platzen. In der Branche wird spekuliert, dass die Maschine mehr Sprit verbraucht als versprochen oder dass Cargolux schlicht um den Preis feilscht. (awp/mc/ps)

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