Spannungen zwischen Ukraine und Russland wachsen

Spannungen zwischen Ukraine und Russland wachsen

Prorussische Demonstranten nach der Erstürmung eines Verwaltungsgebäudes in Charkow.

Charkow – In der russischsprachigen Ostukraine nimmt die Gewalt zu. Truppen des Innenministeriums räumten in der Millionenstadt Charkow am Dienstag ein von prorussischen Aktivisten besetztes Verwaltungsgebäude. Dabei nahmen sie 70 Menschen fest. Die Sicherheitskräfte hätten die Kontrolle übernommen, sagte Verwaltungschef Igor Baluta. Das Aussenministerium in Moskau hatte zuvor in scharfen Worten vor einem Militäreinsatz gewarnt.

«Wir fordern, alle militärischen Vorbereitungen unverzüglich einzustellen, die einen Bürgerkrieg nach sich ziehen können», teilte das russische Aussenamt mit. Die Rechte und Freiheiten sowie das Leben der Ukrainer seien stark gefährdet. Moskau hatte stets betont, notfalls seine Bürger im Nachbarland auch militärisch zu schützen, und fordert eine weitreichende Föderalisierung der Ex-Sowjetrepublik.

Gespräche zwischen Moskau, Kiew, Washington und der EU vereinbart
Der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier mahnte alle Seiten zur Zurückhaltung. Jetzt dürfe man «nicht noch zusätzlich Öl ins Feuer giessen», sagte der SPD-Politiker der «Bild»-Zeitung. «Unruhestiftern, von wem auch immer sie ihre Aufträge erhalten, darf das Feld nicht überlassen werden.» Der russische Aussenminister Sergej Lawrow und sein US-Kollege John Kerry vereinbarten in einem Telefonat am Vorabend direkte Gespräche zwischen Moskau, Kiew, Washington und der EU.

Russland bekräftigt Bereitschaft zu Verhandlungen
Am Dienstag erklärte Lawrow gegenüber der Agentur Interfax, Russland sei zu Verhandlungen über die Zukunft der Ukraine bereit. Ein von Kerry angestrebter Termin in zehn Tagen zog Lawrow aber in Zweifel. Wichtig sei es, eine Tagesordnung und die Teilnehmer festzulegen. Auf dem Tisch liegen solle etwa eine neue ukrainische Verfassung.  Zudem sprach sich Lawrow dafür aus, Vertreter aus der russischsprachigen Ost- und Südukraine sowie Kandidaten, die zur Präsidentenwahl am 25. Mai antreten, an dem Format zu beteiligen.

Rasmussen fordert Abzug russischer Truppen
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen warnte Russland vor einem Einmarsch ins Nachbarland. «Jede weitere Bewegung in die Ostukraine hinein wäre eine ernste Verschärfung der Lage statt jener Entschärfung, die wir uns alle wünschen.» Rasmussen forderte den Abzug der im Grenzgebiet zur Ukraine stationierten russischen Truppen. Nach Angaben der Nato-Militärs stehen dort 35 000 bis 40 000 einsatzbereite russische Soldaten.

Die «Anti-Terror-Operation» gegen Separatisten in Charkow gehe weiter, betonte Verwaltungschef Baluta. Interimspräsident Alexander Turtschinow, der den Einsatz befohlen hatte, warf den prorussischen Aktivisten Waffeneinsatz vor. Drei Beamte seien verletzt worden, teilte Innenminister Arsen Awakow mit. Die prowestliche Regierung in Kiew wirft Russland vor, es wolle mit Hilfe bezahlter Provokateure die Lage destabilisieren.

Unabhängige Volksrepublik ausgerufen
In der Nacht war es in Charkow zu Zusammenstössen zwischen Gegnern und Anhängern der Zentralregierung gekommen. Zehn Menschen seien verletzt worden, berichteten örtliche Medien. Moskautreue Kräfte riefen in der zweitgrössten Stadt des Landes – wie in der östlichen Grossstadt Donezk – eine von Kiew unabhängige Volksrepublik aus und kündigten ein Referendum über die Zukunft des russischsprachigen Gebiets nach dem Vorbild der Schwarzmeerhalbinsel Krim an, die sich Russland vor einigen Wochen einverleibte.

Die Gebietsverwaltung in Donezk war zunächst weiter in der Hand moskautreuer Kräfte. In der Stadt Nikolajew wurden Berichten örtlicher Medien zufolge etwa 15 Menschen verletzt, als prorussische Aktivisten ein Verwaltungsgebäude attackierten. Etwa 20 Angreifer seien festgenommen worden.

Die ukrainische Führung wirft Russland vor, die Lage rund sieben Wochen vor der Präsidentenwahl am 25. Mai absichtlich zu destabilisieren und bezahlte Provokateure einzusetzen. Westliche Beobachter sprechen von der schwersten Krise in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. (awp/mc/pg)

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