Anleger ziehen sich nach Putschversuch aus Türkei zurück

Anleger ziehen sich nach Putschversuch aus Türkei zurück
Handelsraum der Börse Istanbul.

Handelsraum der Börse Istanbul.

Istanbul – Der Putschversuch in der Türkei hat an den türkischen Finanzmärkten für Verunsicherung gesorgt. Die Landeswährung Lira gab deutlich nach, an der Börse in Istanbul sanken am Montag die Kurse, die Renditen türkischer Staatspapiere legten zu. Zwar zeichnet sich inzwischen teilweise wieder eine Erholung ab. Experten rechnen dennoch mit Einbussen für die türkische Wirtschaft. Nun schauen alle auf die Reaktion der Notenbank, die am Dienstag über ihre künftige Geldpolitik entscheiden wird.

Besonders stark reagierte die türkische Lira auf den am Freitagabend gestarteten Putschversuch. Im Verhältnis zum US-Dollar stürzte die Währung am Freitag um 5 Prozent ab auf den tiefsten Stand seit Januar, als Unsicherheiten rund um Chinas Wirtschaft auch andere Schwellenländer stark belastet hatten. Ein Dollar kostete am Freitag zwischenzeitlich etwas mehr als 3 Lira. Vor dem Putschversuch waren es noch unter 2,9 Lira gewesen.

«Vertrauen erschüttert»
Am Montag erholte sich die Währung allerdings etwas und machte einen Teil der Verluste wieder wett. Zuletzt kostete ein Dollar 2,95 Lira. Tatha Ghose, Experte bei der Commerzbank, sieht die Währung bald sogar wieder in die unmittelbare Nähe des Ausgangsniveaus zurückkehren. Der Euro hatte nach dem Putschversuch ebenfalls leicht nachgegeben, sich aber schnell wieder erholt.

Dennoch dürfte es nicht bei kurzfristigen Effekten bleiben. Experten der Bank Unicredit sehen das politische System in der Türkei gefährdet und das Vertrauen erschüttert. Das zeigte sich auch an der türkischen Börse und am Anleihemarkt, wo sich die Reaktion der Anleger auf den Putschversuch aufgrund der Handelszeiten erst am Montag niederschlagen konnte.

Steile Talfahrt nach Putschversuch in der Türkei
Der Putschversuch hat auch am türkischen Aktienmarkt am Montag tiefe Spuren hinterlassen. Der BIST-100-Index der 100 grössten Werte der Istanbuler Börse brach um 7,08 Prozent ein. Besonders hart traf es die Finanzbranche mit minus 8,5 Prozent. Die Kurse türkischer Staatsanleihen gerieten erheblich unter Druck. Die türkische Lira, die bereits am Freitag stark unter Druck geraten und auf den tiefsten Stand seit Januar abgestürzt war, erholte sich am Montag wieder und machte einen Teil ihrer Verluste wett.

Renditen bei Staatspapieren steigen
Die Rendite für auf Dollar lautende türkische Staatspapiere mit zehn Jahren Laufzeit stieg von rund 3,92 auf 4,06 Prozent. Wesentlich deutlicher stieg die Rendite für auf Lira lautende türkische Anleihen. Sie kletterte um einen halben Prozentpunkt auf 9,4 Prozent. Die Prämien für Ausfallversicherungen auf türkische Anleihen stiegen ebenfalls an.

«Das Land wird künftig voraussichtlich einen höheren Risikoaufschlag bei ausländischen Gläubigern zahlen müssen», sagt Jana Meier, Expertin von der Bank HSBC Trinkaus. Im Gegenzug waren als sicher geltende Papiere europäischer Staaten wie Deutschland gefragt.

Experten: Türkischer Wirtschaft droht Schrumpfung
Die Ölpreise reagierten bereits am Freitagabend kurzzeitig mit Aufschlägen. Der Preis für ein Barrel (circa 159 Liter) der Nordseesorte Brent stieg zwischenzeitlich um gut 60 Cent auf bis zu 48,25 Dollar. Durch die Türkei laufen einige bedeutende Ölpipelines. Bislang sind aber keine Beeinträchtigungen der Öltransporte bekannt.

Jenseits der Reaktionen an den Finanzmärkten sehen Experten die türkische Wirtschaft durch den Putschversuch getroffen. Ein ohnehin schon schwacher Tourismus dürfte zusätzlich leiden, analysierten die Experten der italienischen Bank Unicredit. Die Entspannung in den Beziehungen zu Russland könnte angesichts der politischen Kontroverse stocken. Das Wachstum dürfte sich demnach im dritten Quartal verlangsamen. HSBC-Analystin Meier hält sogar eine Schrumpfung für denkbar.

Warten auf Reaktion der türkischen Notenbank
Bei der für Dienstag angesetzten Zinsentscheidung der türkische Notenbank wird sich zeigen, wie die Währungshüter auf die veränderte Lage reagieren. Bei der HSBC rechnet man vorerst mit unveränderten Leitzinsen. Eine straffere Geldpolitik sei aber insgesamt wahrscheinlich. Eine Straffung würde zwar die Konjunktur in der Türkei nicht stützen. Sie wäre aber ein möglicher Weg, sich gegen eine zu schwache Landeswährung zu stemmen und eine zu hohe Inflation zu vermeiden. (awp/mc/pg)

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