WEF 2017: Politik- und Wirtschaftselite sagt Ungleichheit den Kampf an

WEF 2017: Politik- und Wirtschaftselite sagt Ungleichheit den Kampf an
WEF-Gründer Klaus Schwab. (Foto: World Economic Forum/swiss-image.ch)

Davos – Die Ungleichheit bekämpfen und die soziale Integration stärken: Am diesjährigen Weltwirtschaftsforum (WEF) schlugen die Eliten selbstkritische Töne an. Diesen müssen bald Taten folgen. Denn die Digitalisierung droht die bestehenden Probleme in raschem Tempo zu verschärfen.

Während am Freitag der neue US-Präsident Donald Trump in Washington sein Amt antrat, ging zugleich in Davos das jährliche Treffen von Spitzenpolitikern und Wirtschaftsbossen zu Ende. Der Wahlsieg des Immobilienmilliardärs hat die Besucher des Weltwirtschaftsforum (WEF) spürbar durchgerüttelt. Er stellt den vorläufigen Höhepunkt einer Entwicklung dar, die tiefes Misstrauen gegenüber den Eliten und der Globalisierung zum Ausdruck bringt.

Genau für diese Eliten und die Globalisierung steht auch das WEF. Zwar liess WEF-Gründer Klaus Schwab im Vorfeld der diesjährigen Ausgabe verlauten, das Forum sei mit dem Ziel gegründet worden, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass wirtschaftliche Entwicklung immer an soziale Verantwortung gebunden sein sollte. Zugleich musste er eingestehen, dass dieses Ziel nicht erreicht wurde: «Ich hoffe, die Welt hört nun mehr auf diese Botschaft als in den vergangenen Jahren», sagte er.

Eingeständnis des Versagens
Seit der Finanzkrise wächst in vielen Industrieländern der Unmut der Bevölkerung. Trump-Berater Anthony Scaramucci erklärte am WEF die wachsende Unzufriedenheit der amerikanischen Mittelschicht folgendermassen: Nach der Finanzkrise sahen sich die Zentralbanken zu massiven geldpolitischen Interventionen gezwungen. Diese waren zwar erfolgreich. Doch als Nebenwirkung besitzen heute drei Prozent der Bevölkerung alle Geldanlagen. Der Rest hingegen hat nie etwas vom Aufschwung gespürt.

Die wachsende Ungleichheit und die Unzufriedenheit der Mittelschicht beschäftigte die rund 3000 WEF-Teilnehmer dieses Jahr in zahlreichen Diskussionsrunden. Christine Lagarde, Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), sagte etwa: «Wenn die Anführer jetzt nicht aufwachen, weiss ich nicht, wann sonst.» Nachdem sie von ihren Wählern ein «Nein» zur bisherigen Politik erhalten hätten, müssten sie nun dringend über die Bücher gehen.

Die politischen und wirtschaftlichen Anführer gaben sich selbstkritisch. Unermüdlich betonten sie: «Das Wachstum und die Globalisierung müssen inklusiver werden.» Sprich: Die Früchte des Freihandels müssen besser verteilt werden. Ein starkes Plädoyer für die Globalisierung und den Freihandel kam ausgerechnet von China. Der chinesische Präsident Xi Jinping sprach sich bei seiner viel beachteten Eröffnungsrede für eine integrativere und nachhaltigere Ordnung anstelle von Abschottung aus. Die Globalisierung müsse wieder «ins Gleichgewicht gebracht» werden.

Digitalisierung verschärft Fehlentwicklungen
Doch all die schönen Worte reichen nicht aus. Es müssen auch Taten folgen: Die instabile Lage der Weltwirtschaft, der Klimawandel, die wachsende Ungleichheit in manchen Ländern. «All diese Probleme kennen wir», sagte Bundespräsidentin Doris Leuthard bei ihrer Begrüssungsrede. «Gelöst haben wir sie nicht.» Neu komme hinzu, dass die Digitalisierung als vierte industrielle Revolution die Welt auf ein komplett neues Fundament stellen werde.

Tatsächlich könnte die Digitalisierung die bestehenden Probleme massiv verschärfen. Diejenigen, die sich schon heute abgehängt fühlen, werden erst Recht Mühe haben, mit dieser Entwicklung Schritt zu halten. Und die Digitalisierung schreitet weitaus schneller voran, als Politik und Wirtschaft überhaupt reagieren können.

Länder, die in den letzten Jahren zu wenig in die Bildung investiert haben, drohen dafür nun die Quittung zu erhalten. Denn die Vorbereitung auf ein lebenslanges Lernen im Zuge der Digitalisierung beginnt bereits im Kindesalter. Das Fundament wird in der Grundschule gelegt.

Das sind langfristige Investitionen, die sich nicht durch Kurzschluss-Aktionen aufholen lassen. Heute getroffene Massnahmen werden erst in ein paar Jahren Resultate zeitigen. Taten sind ein Anfang. Aber diese müssen den Menschen auch glaubhaft vermittelt werden – auch wenn noch keine sofortige Erfolge damit verbunden sind. (awp/mc/ps)

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