Alexander Hagemann, CEO Cicor, im Interview

Alexander Hagemann, CEO Cicor, im Interview
Alexander Hagemann, CEO Cicor. (Foto: Cicor)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Hagemann, Cicor verbuchte im ersten Halbjahr 2022 neue Aufträge von über 180 Millionen Franken im Vergleich zu unter 140 Millionen im entsprechenden Vorjahreszeitraum. Die Akquisitionen von Axis Electronics und SMT Elektronik schlugen voll ein. Gibt es weitere Firmen im Zielkreis?

Alexander Hagemann. Ich freue mich sehr, wie gut die Integration der beiden Unternehmen gelingt, die ebenso wie die angestammten Einheiten hervorragende Auftragseingänge erzielen konnten, und weil wir sehr diszipliniert im Akquisitionsprozess sind, tragen beide bereits deutlich zum Unternehmensergebnis bei. Wir haben eine volle Pipeline an weiteren Akquisitionsprojekten in unterschiedlichen Stadien.

Auf welche Weise konnte Ihre flexible Produktion Lieferengpässe umgehen?

Wir können aufgrund der durchgängigen IT-Systeme und der schlanken Produktionsstrukturen unsere Fertigung kurzfristig an die Verfügbarkeit wichtiger Komponenten anzupassen. Wir haben für unsere Kunden auch einige Produkte umentwickelt. Um nicht verfügbare Komponenten durch solche zu ersetzen, die frei erhältlich sind. Am wichtigsten ist jedoch ganz klar das Engagement unserer Mitarbeitenden, die bereit sind, sehr flexibel entsprechend den Anforderungen der Produktion zu arbeiten.

Obwohl beim Umsatz als auch beim EBITDA im Gesamtunternehmen die besten Ergebnisse der Geschichte erzielt wurden, kam es bei der kleineren Ihrer beiden Divisionen (Advanced Substrates – Leiterplatten und Dünnfilmsubstraten) zu einem Rückgang der EBITDA-Marge um 5,2% auf 13,2%, wegen höherer Kosten. Wann können Sie diese an die Kunden weitergeben?

Wir rechnen aufgrund der Auftragslaufzeiten mit einem Zeitverzug von rund sechs Monaten, sollten also ab dem nächsten Jahr wieder zufriedenstellende Margen erwirtschaften können.

Was wäre denn als Wachstum drin gewesen, wenn nicht die zähe Verknappung gewisser elektronischer Komponenten auf den Weltmärkten herrschte?

Unser organisches Wachstum von mehr als 15% hat mich sehr gefreut. Sicher wäre bei ausreichender Materialverfügbarkeit noch etwas mehr möglich gewesen, ich würde dieses Potenzial mit 5 bis 10% beziffern.

«Wir sind geographisch perfekt aufgestellt und verzeichnen ein deutliches Wachstum mit Kunden, die ihre Produktion aus China heraus verlagern wollen.»
Alexander Hagemann, CEO Cicor

Cicor sucht bereits Alternativen für China. Wo könnte in Zukunft der Komponentenlieferant der Welt stehen, vielleicht in Vietnam?

In Tat und Wahrheit haben wir in China den kleinsten Standort der EMS Division mit nur rund 50 Mitarbeitenden. Wir bedienen dort unsere europäischen Kunden lokal, sofern sie dies wünschen. Hingegen beschäftigen die Cicor Werke in Ho Chi Minh City, Vietnam, und in Batam, Indonesien, zusammen rund 800 Mitarbeitende. Wir sind also geographisch perfekt aufgestellt und verzeichnen ein deutliches Wachstum mit Kunden, die ihre Produktion aus China heraus verlagern wollen. Wir haben kein China-Problem, wir haben eine Südostasien-Chance.

Wieso ist die Nachfrage von Cicor-Produkten gerade in Indonesien so stark?

Wir beliefern aus Batam die ganze Welt. Dort fertigen wir Produkte höchster Anforderungen in Schweizer Qualität zu sehr wettbewerbsfähigen Kosten, und dies in einer Entfernung von nur 25 Kilometern Luftlinie zum Flughafen Singapur. Wir haben in den letzten Jahren viel in das modernste Equipment investiert, zum Beispiel auch in Reinräume für die Produktion, und profitieren jetzt davon.

Die weltweite Steuerrate hat sich für Cicor etwas ungünstiger entwickelt. Gibt es da Ausweichmöglichkeiten?

Für uns entscheidend ist es, dass wir uns im Rechtsrahmen der jeweiligen Länder, in denen wir tätig sind, bewegen. Hier hat es in den letzten Jahren viele Verwerfungen gegeben. Sicher bestehen gewisse Optimierungspotenziale, die wir auch umsetzen werden.

Wird sich das Nettoschulden zu EBITDA-Verhältnis von jetzt 2,5 in den nächsten Jahren verringern?

Für den Aufbau der Nettoschulden gab es zwei Gründe: Die getätigten Akquisitionen sowie ein starker Lageraufbau aufgrund der gestörten Lieferketten. Unsere Akquisitionen erwirtschaften ansprechende Ergebnisse und die Lage an den Beschaffungsmärkten verbessert sich auch langsam. Also lautet meine Antwort ja, wir werden diese Verschuldung in den nächsten Jahren aus unserem operativen Geschäft heraus recht deutlich verringern können.

«Wir werden die Nettoverschuldung in den nächsten Jahren aus unserem operativen Geschäft heraus deutlich verringern können.»

Cicor hat bis im Januar 2023 die Möglichkeit, die Pflichtwandelanleihe neu zu öffnen. Damit könnten Sie die Cash-Quote locker verdoppeln. Erlaubt Ihnen das mittelgrosse Akquisitionen?

Absolut! Uns stehen aus der Pflichtwandelanleihe noch 40 Millionen Franken bereit, die wir für Akquisitionen oder andere Zwecke einsetzen können. Damit können wir ein weiteres deutliches Wachstum an Umsatz und Ergebnis finanzieren.

Kann man schon einen Dividendenausblick wagen. Aktuell liegt er ja noch bei null?

Unser Verwaltungsrat schlägt der GV die Dividenden vor, daher kann ich Ihnen hier keinen Ausblick geben. Jedoch liegt der Fokus im derzeitigen Umfeld ganz klar auf Wachstum, organisch wie auch durch Akquisitionen. Hierdurch können wir einen deutlich höheren Mehrwert für unsere Aktionäre und Aktionärinnen erwirtschaften als durch Dividendenausschüttungen.

Nordamerika ist geographisch mittlerweile vor den kriegerischen Verwerfungen geschützt. Erwarten Sie dort in den nächsten Jahren das solideste Wachstum?

Die Chancen sind sowohl in Amerika als auch in Europa intakt, mit starken Wachstumstreibern in beiden Regionen: Der medizinische Fortschritt, erneuerbare Energien, Energieeffizienz, Automatisierung und Digitalisierung sowie die Investitionen in mehr Sicherheit werden in beiden Weltregionen überdurchschnittliches Wachstum möglich machen. Für Europa spricht, dass wir als Entwicklungs- und Produktionspartner unserer Kunden noch ein grosses Potenzial haben, solche Arbeiten, die von den Kunden bisher intern ausgeführt werden, zu übernehmen. Dies ist ein Trend, der sich wieder beschleunigt hat. Und wir führen hierzu einige Gespräche.

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