André Wyss, CEO Implenia, im Interview

André Wyss, CEO Implenia, im Interview
André Wyss, CEO Implenia. (Foto: Implenia)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Wyss, während das wirtschaftliche Umfeld generell garstig ist, legt Implenia einen Gewinnsprung hin, arbeitet in allen Divisionen profitabel und holt einen Grossauftrag nach dem anderen herein. Sie dürften sehr zufrieden sein…

André Wyss: Ja, das zeigt, dass sich unsere im Frühling 2019 präsentierte Strategie sowie die im Oktober 2020 geschärfte und beschleunigte Umsetzung in den Schwerpunkten Portfolio, Profitables Wachstum, Innovation sowie Talente und Organisation erfolgreich ist. Mit ihrem attraktiven Portfolio und einer angepassten Marktpräsenz, der Ausrichtung auf grosse, komplexe Projekte sowie mit Value Assurance, dem Risikomanagement von Implenia, sind unsere vier Divisionen gut aufgestellt, um Mehrwert für unsere Kunden zu schaffen und die Ertragskraft von Implenia nachhaltig zu steigern.

Implenia hat den Betriebsgewinn verdoppelt, den Reingewinn sogar verdreifacht. Sind diese Entwicklungen allein auf die mittlerweile abgeschlossene Transformation zurückzuführen?

Alle Divisionen haben ihre operative Leistung im ersten Halbjahr 2022 verbessert. Während der Transformation haben die vier Divisionen ihr Portfolio geschärft, sich aus bestimmten Regionen zurückgezogen und nicht-strategische Geschäftseinheiten verkauft. Zusammen mit der strikten Anwendung von Value Assurance hat das zur nachhaltigen Profitabilitätssteigerung beigetragen. Zusätzlich erzielte die Division Real Estate im ersten Halbjahr überdurchschnittliche Erträge aus der Veräusserung grosser Immobilienprojekte nach mehrjähriger, erfolgreicher Entwicklungsleistung.

«Während der Transformation haben die vier Divisionen ihr Portfolio geschärft, sich aus bestimmten Regionen zurückgezogen und nicht-strategische Geschäftseinheiten verkauft.»
André Wyss, CEO Implenia

Woher rührt der gleichzeitige Umsatzrückgang?

Der erwartete Umsatzrückgang resultierte aus dem Rückzug der Geschäftstätigkeit aus bestimmten Regionen und Verkäufen nicht-strategischer Geschäftseinheiten zur nachhaltigen Profitabilitätssteigerung sowie aus Fremdwährungseinflüssen.

Dämpfen die wirtschaftliche Unsicherheit, höhere Preise für Baumaterial oder die steigenden Energiepreise das Geschäft gar nicht?

Die aktuelle Situation ist auch für uns eine Herausforderung. Wir betreiben ein aktives, vorausschauendes Management der Lieferketten, der Verfügbarkeit und Kosten von Baumaterialien und Energie sowie auch der Rekrutierung und Entwicklung von Fachkräften. Dank enger Zusammenarbeit zwischen den operativen Einheiten und dem zentralen Einkauf konnten die Auswirkungen bisher mehrheitlich abgefedert werden. Zudem haben wir mit unseren Kunden sowie auch unseren Lieferanten und Subunternehmern oft indexierte Verträge. Wie sich die Situation entwickelt, ist schwierig vorhersehbar. Wir konnten Versorgung und Betrieb der Baustellen bis heute aufrechterhalten und setzen alles daran, das auch weiterhin sicherzustellen.

Die Division Real Estate hat einen EBIT-Beitrag von 75,6 Mio Franken geleistet, massiv viel mehr als im Vorjahr. Wovon konnte Implenia in diesem Bereich profitieren?

Wie gesagt hat die Division Real Estate überdurchschnittliche Erträge erzielt aus der Veräusserung grosser Immobilienprojekte nach mehrjähriger, erfolgreicher Entwicklungsleistung. Das waren insbesondere die Verkäufe der Projekte Evolus in Winterthur sowie Baufeld 4 im Unterfeld in Baar.

Befürchten Sie für Real Estate aber auch die Buildings Division keine Rückgänge der Grossinvestitionen angesichts steigender Zinsen und Inflation?

Unser eigenes Real Estate Portfolio umfasst hauptsächlich Entwicklungsprojekte an attraktiven urbanen Lagen in der Schweiz und in Deutschland. Wir sehen für solche Immobilien nach wie vor einen grossen Bedarf und Investitionsdruck. Zudem ist Implenia mit seinen vielfältigen Kompetenzen im Hochbau in der Schweiz und in Deutschland hervorragend positioniert, um in wachsenden Bereichen, wie z.B. Gesundheit oder Forschung und Entwicklung, aber auch für Wohnimmobilien komplexe, grosse Projekte zu gewinnen und für unsere Kunden erfolgreich zu realisieren.

«Unser eigenes Real Estate Portfolio umfasst hauptsächlich Entwicklungsprojekte an attraktiven urbanen Lagen in der Schweiz und in Deutschland. Wir sehen für solche Immobilien nach wie vor einen grossen Bedarf und Investitionsdruck.»

Mit Blick auf die Zukunft sehen Sie weiterhin attraktive Chancen für Ihr Unternehmen. An welchen Megatrends und Branchenveränderungen machen Sie dies fest?

Ja, für die Kernmärkte von Implenia bleiben die jüngsten Prognosen zur Marktentwicklung positiv. Unser Fokus liegt klar auf einem auf die Bedürfnisse unserer Kunden ausgerichteten, integrierten Leistungsangebot aller Divisionen in der Schweiz und in Deutschland. In weiteren Märkten bieten wir Tunnelbau und damit verbundene Infrastrukturprojekte an. Bevölkerungswachstum, Urbanisierung sowie Investitionen in Infrastruktur und erneuerbare Energien bieten nach wie vor attraktive Entwicklungs- und Wachstumsmöglichkeiten für uns. Dies insbesondere mit unserem Fokus auf Nachhaltigkeit, wo wir Branchenleader sind. Ein Thema, das von unseren Kunden bei Immobilien sowie auch bei Infrastrukturen immer stärker gefordert wird.

Die Energieversorgung ist ein grosses Thema. Aktuell baut Implenia an der Staumauer Spitallamm auf dem Grimsel. Sehen Sie in diesem Bereich weiteres Potenzial, auch in Anbetracht, dass der Bundesrat die Flächen entlang der Nationalstrassen für die Produktion erneuerbarer Energien zur Verfügung stellt?

Ja, in der Erstellung von Infrastrukturbauten für die Produktion erneuerbarer Energien und auch zum weiteren Ausbau der Wasserkraft in der Schweiz sehen wir schon länger ein grosses Potenzial. Die aktuellen Herausforderungen bezüglich Energieversorgung werden die Entwicklung solcher Projekte wahrscheinlich beschleunigen.

In der Division Civil Engineering beläuft sich der Auftragsbestand auf fast 3,9 Mrd Franken. Und da ist der Zuschlag für das Hauptlos Nord der zweiten Röhre des Gotthard Strassentunnels von fast 470 Mio Franken noch nicht einberechnet. Wie komplex ist dieses Infrastrukturprojekt?

Die zweite Röhre des Gotthardtunnels ist ein Projekt, über das wir uns sehr freuen: Es passt ausgezeichnet in unsere Strategie, grosse und komplexe Infrastrukturprojekte zu planen sowie zu bauen. Nun sind wir mit dem Gotthard, dem Brenner Basistunnel und der Verbindung Lyon-Turin (TELT) an allen aktuellen Alpentransversalen beteiligt. Mit unserer langjährigen Erfahrung und ausgewiesenen Expertise bringen wir ideale Voraussetzungen mit, um solche Projekte erfolgreich und profitabel umsetzen zu können.

«Wir sind mit dem Gotthard, dem Brenner Basistunnel und der Verbindung Lyon-Turin (TELT) an allen aktuellen Alpentransversalen beteiligt.»

Welche Rolle spielen die Möglichkeiten der Digitalisierung bei solchen Projekten und generell in der Bau- und Immobilienbranche?

Digitalisierung ist ein sehr wichtiges Thema für uns – nicht nur bei Planung und Bau grosser Infrastrukturprojekte, sondern auch im Hochbau und in der Immobilienentwicklung. Die Baubranche muss die Digitalisierung rasch zu ihrem Vorteil nutzen und aufholen. Unsere Projekte werden immer mehr mit BIM (Building Information Modeling) geplant und ausgeführt. Damit gestalten wir die Bauprozesse effektiver sowie effizienter und erzielen eine bessere Qualität bei tieferen Kosten. Zudem werden unsere Projekte in der Planung und auf den Baustellen nachhaltiger, weil wir immer mehr papierlos bauen.

Im Bereich Nachhaltigkeit hat sich Implenia ambitionierte Ziele gesetzt. Worauf fokussieren Sie sich?

Nachhaltigkeit ist einer unserer Unternehmenswerte und bereits seit mehr als zehn Jahren Teil unseres Leistungsversprechens. Wir haben uns bis 2025 zwölf ambitionierte Ziele gesetzt, an denen wir intensiv arbeiten und deren Erreichung wir messen. Die bedeutenden Ratings zu den ESG-Bereichen Umwelt, Soziales und Governance bewerten Implenia als führend in der Branche. MSCI hat das Rating von Implenia als erstem Unternehmen im «MSCI Index Construction & Engineering» auf AAA erhöht. Sustainalytics sieht Implenia ebenfalls als Branchenleader und EcoVadis hat dem Unternehmen inzwischen den Goldstatus verliehen.

Digitalisierung, Industrialisierung sowie die Kreislaufwirtschaft sind wichtige Hebel für die Nachhaltigkeit. Dabei betrachten wir zunehmend den ganzen Lebenszyklus einer Immobilie oder Infrastruktur. Implenia bekennt sich zum zirkulären Wirtschaftsmodell und entwickelt bis 2025 auch zirkuläre Geschäftsmodelle, um Stoffkreisläufen zu schliessen. Bezüglich Industrialisierung entwickelt unsere Division Real Estate standardisierte, ökologische Immobilienprodukte (z.B. Green Hospitality, best age living, subsidized living). Ziel ist es, mit Hilfe von industrieller Vorfertigung und zirkulären Ansätzen sowohl die Qualität als auch die Nachhaltigkeit im Vergleich zur traditionellen Bauweise zu steigern, Lieferzeiten zu verkürzen und Kostensicherheit zu verbessern. Im Rahmen unserer sozialen Ziele spielen auch unsere Mitarbeitenden eine wichtige Rolle: Wir sind ein attraktiver Arbeitgeber, entwickeln unsere Mitarbeitenden und wollen weitere Talente anziehen. Die von unseren fünf Unternehmenswerten – Exzellenz, Kollaboration, Integrität, Nachhaltigkeit und Agilität – geprägte Kultur bildet das Fundament dafür.

Herr Wyss, wir bedanken uns für das Interview.

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