Antoine Hubert, VR-Delegierter Aevis Victoria AG, im Interview

Antoine Hubert, VR-Delegierter Aevis Victoria AG, im Interview
Antoine Hubert, VR-Delegierter Aevis Victoria AG. (Foto: zvg)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Monsieur Hubert, auf dem grossen Genolier-Gelände hoch über dem Genfersee wird 2024 der Genolier Innovation Hub eröffnet. Was ist das genau in einem Satz?

Antoine Hubert: Der Genolier Innovation Hub ist ein Schweizer Zentrum der Exzellenz für Gesundheit auf 25’000 m², wo Forschung, Innovation und Ausbildung in den Bereichen Medtech, Pharmakologie und Biowissenschaften auf internationaler Ebene vereint werden und ein einzigartiges Umfeld für die Anwendung in der klinischen Praxis geschaffen wird.

Wie wird die prozentuale Verteilung zwischen Eigen- und Fremdnutzung aussehen?

Von den 25’000m2 machen rund die Hälfte Räumlichkeiten aus, die zu 60% verschiedenen Miet- und Ausbildungsbereichen zugeordnet werden könne. 20% sind für Veranstaltungen und Gemeinschaftsräume sowie nochmals 20% für die klinisches Praxis in Form von Operationsräumlichkeiten und Bunkern für die Strahlentherapie vorgesehen.

Hätte man sich statt des bepflanzten 6000 Quadratmeterdaches nicht auch für ein Solardach entscheiden können, oder hat es auf 527 Meter über Meer dafür im Winter doch zu viel Nebel?

Tatsächlich verfügt der Genolier Innovation Hub auf einer Höhe von 640 Metern gelegen über ein 6000 m² grosses Dach, das mit lokaler Vegetation bedeckt ist und sich perfekt in die umgebende Landschaft einfügt. Es wird allen Nutzern des Campus zugänglich sein wird. Zusätzlich wurden Photovoltaik-Module auf dem Dach des Auditoriums und der zukünftigen Operationssäle des Hubs installiert, die eine Fläche von 1000 m² abdecken und es ermöglichen, eine geschätzte Energieautonomie von 30% zu erreichen, was in etwa dem Pflanzen von 2700 Bäumen entspricht. Aufgrund der Lage von Genolier, das oft über den Nebelwolken liegt, wurden darüber hinaus Solarmodule auf dem gesamten Campus installiert.

«Der Genolier Innovation Hub (…) verfügt über ein 6000 m² grosses Dach, das mit lokaler Vegetation bedeckt ist und sich perfekt in die umgebende Landschaft einfügt.»
Antoine Hubert, VR-Delegierter Aevis Victoria AG

Die Aussicht auf den Lac Léman ist sicherlich inspirierend, und das tut Körper und Seele immer gut. Dieser Zusammenhalt ist genaugenommen die versteckte Mission von Aevis Victoria. Bei Ihren Hotels ist klar, wohin die Reise geht, bei Healthcare dürfte dies aber schwieriger zu umreissen sein, oder?

Nein, die Vision ist klar: wir brauchen neue, nachhaltige Lösungen für das Gesundheitswesen. Unsere Vision ist die integrierte Versorgung nach dem Modell von Ribera Salud, Kaiser Permanente oder anderen bewährten internationalen Modellen. Wir wollen das System revolutionieren. Letztes Jahr haben wir die erste vollintegrierte Gesundheitsorganisation der Schweiz im Berner Jura eingeführt. Auf dieses Jahr wurde das entsprechende Versicherungsprodukt, der VIVA Gesundheitsplan, im Markt eingeführt.

Sie sagten einmal es sei «der ideale Patient für die Gesundheitsanbieter ein chronisch Kranker, für die Versicherer ist es ein Toter, der keine Kosten mehr verursacht». Wieso soll das mit dem von Ihnen initiierten Gesundheitsplan Viva ändern?

Das Problem unseres Gesundheitssystems sind im Wesentlichen systembedingte Zielkonflikte und falsche Anreize. Die Akteure arbeiten in Silos, das schadet der Effizienz, der Qualität und ist teuer. Mit einer integrierten Versorgungsorganisation werden diese Akteure und deren Interesse zusammengeführt und auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmt. Koordination unter allen Akteuren, Individualisierung der Patientenbehandlung und Prävention stehen im Zentrum, um unnötige oder falsche Behandlungen zu vermeiden.

«Das Problem unseres Gesundheitssystems sind im Wesentlichen systembedingte Zielkonflikte und falsche Anreize. Die Akteure arbeiten in Silos.»

Mit der Stärkung des Hausarztes als Koordinator und Präventionsvermittler ist es aber nicht getan…

Nein, natürlich nicht, aber der Hausarzt, den wir bei uns «Navigateur de Santé» nennen, hat eine Schlüsselrolle. Im Modell der integrierten Versorgung ist er die Drehscheibe. Sein Fokus liegt auf «Gesundheiterhaltung» seiner Patienten – wir nennen das Population. So ändert auch das Incentivierungsmodell: gewinnbringend ist nicht, möglichst vielen kranke Patienten möglichst viele Behandlungen zu verschreiben, sondern Patienten möglichst lange bei guter Gesundheit zu halten. Gesunde Patienten verursachen weniger Kosten. Dies bedarf eines Umdenkens bei allen Beteiligten.

Die Koordination im Gesundheitswesen ist sicherlich ein riesiges Kostenloch. Wie hoch schätzen Sie denn das Einsparpotential durch Ihr partnerschaftliches Modellprojekt Réseau de l’Arc, das zu Herbstbeginn startete?

Wir sind der Überzeugung, dass es signifikante Einsparungen geben wird, insbesondere weil integrierte Versorgung durch die Nähe zum Patienten eine höhere Qualität und mehr Effizienz bringen wird. Modelle im Ausland zeigen signifikante Einsparungspotenziale. Wie gross diese bei uns sein werden, wird sich in den nächsten zwei Jahren konkret abzeichnen.

Nach dem Jura/Genfersee-Bogen will Ihre Gruppe in den nächsten zehn Jahren fünf weitere Gesundheits-Cluster lancieren. Welche Regionen haben Sie im Auge?

Es gibt verschiedene Regionen, die aus unserer Sicht für eine integrierte Versorgung in Frage kämen. Wir werden dies bekannt geben, wenn sich die jeweiligen Netzwerke konkretisieren.

Gibt es schon Feedback aus der Politik?

Ja, viele. Das Interesse ist sehr gross. Wir stehen mit verschiedenen Regierungsräten im Kontakt.

«Das Beispiel des Ärztestopps zeigt einmal mehr die kurzfristige Pflästerlipolitik.»

Es gilt aber die Devise «Angebot schafft Nachfrage», nicht umgekehrt. Was halten Sie von den nach vielen Jahren wieder eingeführten Zulassungsbeschränkungen für Ärzte?

Grundsätzlich sind wir gegen übermässige Regulierung im Gesundheitswesen. Der Markt sollte spielen. In vielen Fachgebieten, insbesondere bei den Hausärzten, haben wir ja bekanntlich viel zu wenig Ärzte. Wir müssen die ärztliche Versorgung auch in Zukunft sicherstellen können. Das Beispiel des Ärztestopps zeigt einmal mehr die kurzfristige Pflästerlipolitik.

Mit der Marke Nescens ist Ihre Gruppe stark im Anti Aging Business. Wie sind da die Synergien?

Das liegt doch auf der Hand: Anti-Aging, Better Aging, Longevity haben zum Ziel, die Lebensqualität sprich die individuelle Gesundheit zu verbessern. Es geht um Prävention und Konzepte, die auf die individuellen Bedürfnisse des Patienten ausgerichtet sind. Das ist ein holistischer Ansatz, der Teil unserer Gesundheitsvision ist.

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