Arne-Christian Faisst, CEO Cendres+Métaux Medtech, im Interview

Arne-Christian Faisst, CEO Cendres+Métaux Medtech, im Interview
Arne-Christian Faisst, CEO Cendres+Métaux Medtech. (Foto: CM)

von Robert Jakob

Moneycab.com: Herr Faisst, seit dem Jahrtausendwechsel verzeichnet die ehemalige Metallschmelze Cendres +Métaux eine beispiellose Wachstumsgeschichte. Braucht es deshalb gleich zwei CEOs?

Arne-Christian Faisst: Die Wertschöpfung der CM liegt ja schon lange nicht mehr nur im Bereich des Metallschmelzens und der Goldverarbeitung. Etwa zwei Drittel unseres Umsatzes erwirtschaftet die CM heute als weltweit tätiges Medizinaltechnik-Unternehmen, das alle Anforderungen in Bezug auf Produktentwicklung, Innovation, Dokumentation und Regulation in allen Klassen optimal erfüllen muss, um effizient und wettbewerbsfähig zu sein. Dasselbe gilt für die Produkte, die wir im Bereich von Luxusgütern herstellen. Hier gelten zum Beispiel sehr strenge Anforderungen, denen wir als Zulieferer in der Uhrenindustrie gerecht werden müssen. Der Verwaltungsrat hat daher die Aufsplittung des Unternehmens in zwei Divisionen CM Medtech und CM Luxury und Industry beschlossen, um der Organisation die Möglichkeit zu geben, sich besser auf die sehr unterschiedlichen Herausforderungen in den beiden Geschäftsfeldern zu konzentrieren. Das gilt dann eben auch für die verantwortliche Leitung der Divisionen.

Sie leiten die vor einem Jahr aus Dental und Medical gebildete Division CM Medtech. Der grösste Umsatztreiber ist dort der Zahnbereich. Hat Sie die Wachstumsverlangsamung ähnlich wie Straumann oder Nobel Biocare-Danaher getroffen?

Nein. Das liegt sicherlich daran, dass unsere Dentalfirma ganz unterschiedliche Standbeine hat. In der Dentalprothetik entwickeln, produzieren und vermarkten wir unsere eigenen Markenprodukte weltweit direkt an Zahntechniker und sind dort sicherlich einer der führenden Anbieter. Die Zugehörigkeit zur Division CM Medtech hat uns hier die Chance gegeben, schnell und effizient neue innovative Produkte zu lancieren, die bereits im nächsten Jahr unsere Tochtergesellschaften und Distributoren-Märkte erreichen werden. Gleichzeitig produzieren wir jährlich über 1.2 Millionen Zahnimplantate im Auftrag aller grossen Dentalimplantate Hersteller. Wenn man die Marktleistung betrachtet, gehört unsere Dentalfirma sicherlich heute zu den Top 10 der Dentalindustrie, auch wenn das wenig bekannt ist. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass wir mit unseren beiden Standbeinen im Dentalmarkt gut für die Zukunft gerüstet sind.

«Etwa zwei Drittel unseres Umsatzes erwirtschaftet die CM heute als weltweit tätiges Medizinaltechnik-Unternehmen.»
Arne-Christian Faist, CEO Cendres+Métaux Medtech

Mit Medtech verantworten Sie zwei Drittel des CM-Umsatzes. Die regulatorischen Anforderungen an alle Klassen von Medizinprodukten werden immer komplexer. Lohnt sich das Geschäft als Zulieferer in Zukunft für Sie überhaupt noch?

In der Tat wird der administrative Aufwand, den wir zur Qualitätssicherung und Dokumentation der Produkte betreiben müssen, immer intensiver. Das erhöht die Sicherheit der Produkte, es wird sich auf Dauer aber auch in den Preisen niederschlagen. Unsere Qualitäts- und Management-Systeme sind auf dem neusten Stand und werden regelmässig von den Behörden überprüft. Unsere Mitarbeiter, die sich um die Registrierung der Produkte in den verschiedenen Ländern kümmern, sind mit den Behörden zum Beispiel in Japan oder Kanada konstant in Kontakt. Ich bin daher positiv, auch was unsere Möglichkeiten mit den Produkten aus der höchsten Klasse III anbelangt.

Kann man beziffern, um wie viel beispielsweise in dieser höchsten Klasse, die Kosten der Regulierung den Endpreis erhöhen?

Es gibt mittlerweile erste Untersuchungen und Veröffentlichungen dazu, die die zusätzlichen Kosten pro Artikelnummer und Jahr berechnen. Entsprechende Erhebungen sind zum Beispiel von den deutschen Fachverbänden gemacht worden. Ich denke aber, die tatsächliche Belastung der Produkte hängt auch stark von den Voraussetzungen innerhalb einer Firma und den jeweiligen Klassen der Produkte und dem Vertriebsgebiet ab. Daher sind wir bei Cendres+Métaux im Moment dabei, die zusätzlichen Kosten für unsere spezielle Situation transparent zu machen.

Zahlreiche Kunden lagern hochpräzise Fertigungsaufträge an Cendres+Métaux aus. Besteht im Moment nicht die Gefahr, dass diese jetzt verstärkt ans Insourcing denken, um die Wertschöpfung im Haus zu behalten?

Für die Medizinaltechnik gilt das Gegenteil. Die Strukturen der Herstellerfirmen haben sich mittlerweile sehr stark globalisiert. Das führt dazu, dass diese Firmen ihre Zuliefererprodukte immer häufiger zentral bestellen, möglichst bei einer Firma. Die meisten Zulieferer sind aber eher klein und auf eine bestimmte Technologie spezialisiert. Hier haben wir mit unserer enorm breiten Aufstellung und den vielfältigen Technologien, die wir anbieten können, natürlich einen grossen Wettbewerbsvorteil. Bei uns kann ein Kunde heute bereits ein Produkt von der Herstellung über die Oberflächenbearbeitung bis hin zur sterilen Verpackung aus einer Hand haben. Die Dokumentation bekommt er dann eben auch aus einer Hand.

Gilt das auch für die Uhren?

In der Uhrenindustrie könnte die Trend allerdings durch die aktuellen Entwicklungen tatsächlich in die andere Richtung gehen. Im Moment ist es aber noch zu früh, um hier eine abschliessende Einschätzung abgeben zu können.

«Wir arbeiten intensiv an der Entwicklung des 3D-Druckes mit unseren Goldlegierungen. Im Bereich Luxusgüter ist die Technologie bereits eingeführt.»

Ein Flaggschiff-Projekt der CM Medtech ist Ihr neuartiger Zugang für Dialysepatienten. Wie weit ist da die Marktreife?

Im Projekt Diavantis haben wir einen im Knochen verankerten Zugang für Dialysepatienten entwickelt, der den heutigen Kathetern in verschiedenen Punkten weit überlegen ist. Gleichzeitig ermöglicht er es den Patienten durch seine sehr leichte Bedienbarkeit die Dialyse zu Hause in den eigenen vier Wänden durchzuführen. Das ist das erste Produkt, das wir eigenständig zur klinischen Reife entwickelt haben. Mittlerweile läuft eine erste klinische Studie. Die Ergebnisse sind sehr vielversprechend.

Im Laufe des Jahres haben wir zudem unseren Innovationsprozess komplett überholt und neu aufgestellt. Wir sind davon überzeugt, dass wir ein nachhaltiges Wachstum in Zukunft nur auf der Basis guter und innovativer Produkte und Technologien erreichen werden. Neben zahlreichen Neuprodukten zur Markteinführung in 2017 arbeiten wir daher auch intensiv an der Entwicklung des 3D-Druckes mit unseren Goldlegierungen. Im Bereich Luxusgüter ist die Technologie bereits eingeführt, im Bereich Dental arbeiten wir daran, individuelle Komponenten zum Zahnaufbau mit 3D-Druck herstellen zu können.

Die Division Luxe & Industrie hat es sicherlich im Moment am schwersten. Monat für Monat schrumpfen die Schweizer Uhrenexporte. Dieser Bereich wird vom VRP Marco Zingg geführt. Als Verwaltungsratsmitglied sitzen Sie aber mit am Tisch und bekommen die Probleme der Schweizer Vorzeige-Industrie hautnah mit. Ist denn gar kein Paradigmenwechsel in Sicht der Swatch und Co. wieder auf die Überholspur bringt?

Ich denke schon, dass in den meisten Schweizer Uhrenfirmen die Probleme mittlerweile erkannt worden sind und man nun begonnen hat, nach neuen Konzepten und Lösungen zu suchen. Durch die sehr langen Produktionszeiten wird die Krise nun aber noch dadurch verschärft, dass erst enorme Lagerbestände abgebaut werden müssen, bevor neue Konzepte greifen können. Das kann für uns als Zulieferer aber durchaus eine neue Chance bedeuten.

«Der Verwaltungsrat hat beschlossen, die Investitionen in Asien zu verstärken. Wir sind gerade dabei eine Tochtergesellschaft in China zu gründen.»

Mehr als vier Fünftel des CM-Umsatzes entfallen auf Europa. Das liesse eigentlich noch breites Wachstum in andren Regionen zu, zumal CM ja zu Recht mit Schweizer Präzision als Verkaufsargument hausieren kann…

Wir spüren deutlich das Swissness in Asien für beide Divisionen ein wachsender Wettbewerbsvorteil wird. Der Verwaltungsrat hat daher beschlossen, die Investitionen in Asien zu verstärken. Wir sind gerade dabei eine Tochtergesellschaft in China zu gründen. Zusammen mit unserer Tochtergesellschaft in Südkorea und der starken Präsens in Japan wird unsere Präsenz in Asien wirksam gestärkt.

Das „Familien- Aktionariat“ aus sieben Grossaktionären gilt als sehr stabil. Wie will CM in den nächsten Jahren die Kleinaktionäre pflegen?

Ein grosser Teil der Kleinaktionäre sind aktive oder ehemalige Mitarbeiter. Durch viel Information und Transparenz versuchen wir die Mitarbeiter daher in den operativen Geschäftsprozess aktiv mit einzubeziehen. Wir sind davon überzeugt, dass nur die Identifikation und Engagement unserer Mitarbeiter den Erfolg der CM nachhaltig positiv gestalten kann. Davon profitieren dann nicht nur die Kleinaktionäre, sondern alle Aktionäre gleichermassen.

Zur Person:
Arne-C. Faisst verfügt über mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung in führenden Management-Positionen in der Medtech-Branche (für internationale Unternehmen wie Fresenius und Synthes in Europa, Asien und den USA). Als promovierter Biochemiker und exekutive MBA, besitzt er darüber Langzeiterfahrung sowohl in den Bereichen Biochemie, molekulare Zellbiologie und Virologie als auch in Marketing und im Finanzwesen. Vor der Gründung seiner eigenen Firma anfass Life Technologies AG im Jahr 2013 leitete er viele Jahre als Vorstand/CEO und Delegierter des Verwaltungsrates die Mathys Gruppe und war dort massgeblich für den Aufbau und Erfolg des international tätigen Familienunternehmens verantwortlich. Seit 2014 ist er als Mitglied des Verwaltungsrats bei Cendres+Métaux SA tätig und zeichnet seit Ende 2015 als delegierter CEO auch operativ für den Geschäftsbereich Medtech verantwortlich.

Zum Unternehmen:
Cendres+Métaux (auch kurz CM genannt) wurde 1924 in der zweisprachigen Schweizer Uhrenmetropole Biel/Bienne gegründet. Mit der Eröffnung einer kleinen Edelmetallschmelzerei 1885 durch Louis Aufranc, die sich hauptsächlich mit der Aufbereitung edelmetallhaltiger Rückstände aus der Uhrengehäuseindustrie sowie alter Schmuckstücke befasste, nahm CM seinen Anfang. Die zu Asche verbrannten Abfälle (cendres) und die anfallenden Metalle (métaux) verliehen dem Unternehmen den Firmennamen. Die Aufbereitung von Edelmetall-Schmelzgut und Gekrätz (Zusammengekratzes) bildeten einst die Grundlage der jungen Firma. Die Herstellung und der Vertrieb hochwertiger Edelmetalllegierungen für zahnärztliche und industrielle Zwecke, hatte schon bald die Nachfrage nach weiteren Verarbeitungsschritten zur Folge. Das führte zum Aufbau einer in der Schweiz einzigartigen Kernkompetenz in der Mikromechanik.

Cendres+Métaux
Firmeninformationen bei monetas

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