Hans R. Holdener, CEO Helvetica, im Interview

Hans R. Holdener, CEO Helvetica, im Interview
Hans R. Holdener, ehemaliger CEO Helvetica. (Bild: Helvetica)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Holdener, die Vermögen der Helvetica Fonds sind im 2021 mit über 120% gewachsen und auch im ersten Halbjahr setzte sich das Wachstum fort. Wie sieht es aus für das ganze Jahr 2022, welche Ziele haben Sie für 2023?

Hans R. Holdener: Wir wollen natürlich weiter wachsen, weil wir sehr überzeugt sind, vom Standort Schweiz. Alles ist abhängig vom Kapitalmarkt, geplant ist ein Wachstum von rund CHF 500 Millionen in allen unseren Gefässen.

«Als Verwaltungsrat war ich zu weit weg vom Business. Ich bin ein hands-on Typ. Ich habe den Stallgeruch richtig vermisst.» Hans R. Holdener, CEO Helvetica

Für unsere Helvetica Immobilienfonds bin ich sehr zuversichtlich, dass wir in der Lage sind, ein nachhaltiges Wachstum zu generieren. Die robusten Schweizer Wirtschaftsdaten, die anhaltend hohe Migration, die rückläufige Bautätigkeit und die steigenden Inflationsraten begünstigen dies. Und langfristig gelten Schweizer Immobilien zu Recht als krisenresistent.

Sie waren als Mitgründer des Unternehmens von 2006 bis 2019 CEO, von 2011 bis Ende 2021 Verwaltungsrat und jetzt wieder CEO. Weshalb der Wechsel zurück in die operative Leitung, welche Rolle ist für Sie erfüllender?

Als Verwaltungsrat war ich zu weit weg vom Business. Ich bin ein hands-on Typ. Ich habe den Stallgeruch richtig vermisst.

Im Immobiliensektor wird Grösse oft gleichgesetzt mit Zugang zu besseren Objekten und einer besseren Marge. Inwieweit stimmt das und wo sehen Sie die optimale Grösse für Helvetica und die verwalteten Fonds?

Wir waren immer kritisch. Qualität hat bei uns immer Vorrang. Wir sind unabhängig und nur unseren Kunden verpflichtet. Wir investieren immer das Geld unserer Kunden, als sei es unser eigenes. Bottom line.

«Alles ist abhängig vom Kapitalmarkt, geplant ist ein Wachstum von rund CHF 500 Millionen in allen unseren Gefässen.»

Bei weiterhin steigenden Bevölkerungszahlen, abnehmenden Baulandreserven und dem Anlagedruck von Pensionskassen und grossen Immobilienfonds scheint der Markt auch weiterhin nur die Richtung nach oben zu kennen. Weshalb wird trotzdem immer wieder vom Platzen der Immobilienblase gewarnt, wie schätzen Sie die Risiken und Chancen für die kommenden Jahre ein?

Sie beantworten die Frage ja schon selbst. Steigende Nachfrage bei sinkendem Angebot, wohin kann es führen? Gott sei dank waren die Politiker in Sachen Verdichtung und Einzonung sehr konservativ. Das ist ja geradezu ein Garant für langfristige Wertsteigerungen (lacht).

Im Vergleich zum Ausland ist Wohnen in der Schweiz immer noch günstig. In unserem Land sind die Löhne in den letzten Jahren nämlich schneller gestiegen als die Mieten. Und es wurden sogar viel zu wenig gebaut. Die Nachfrage übersteigt bei weitem das Angebot, vor allem in den Städten.

Das Platzen einer Immobilienblase sehe ich nicht. Die Bevölkerung in unserem Land nimmt weiterhin stetig zu. Bis ins Jahr 2045 wird sie auf über 10 bis 11 Millionen steigen gemäss Bundesamt für Statistik. Das für den Bau verfügbare Land nimmt dagegen ebenso stetig ab. Nicht zuletzt auch wegen der überbordenden Regulierungswut der Behörden. Verdichtetes Bauen beispielsweise ist hierzulande weiterhin nur schwer möglich. Wenn Planungen, Baugesuche und Baubewilligungen laufend abnehmen, die Nachfrage nach Wohnungen aber weiter zunimmt, resultieren logischerweise steigende und nicht sinkende Immobilienpreise.

Die Schweizerische Nationalbank hat am 22. September, wie erwartet, den Leitzins moderat um 75 Basispunkte auf 0,5 Prozent angehoben. Wie geeignet ist dieser Schritt aus Ihrer Sicht zur Bekämpfung der Inflation, welche weitere Entwicklung erwarten Sie?

Ich denke, es ist vernünftig, wir haben diesen Schritt bereits vor mehr als einem Jahr vermutet. Ich habe dies auch auf meinem Linkedin-Profil so kommuniziert. Weitere Schritte sind vorstellbar, sogar vernünftig. Für den Immobilienmarkt, der seit 15 Jahren deflationäre Tendenzen aufweist, sehe ich hier kein Problem. Ich bin seit mehr als 25 Jahren im Business, die Zinsen gingen rauf und runter, in der Tendenz eher sinkend. Dass die Welt volatil bleibt, ist für mich ganz normal.

Durch die ungebrochene Preisentwicklung nach oben und die restriktiven Bedingungen der Banken wird es für junge Menschen immer schwieriger, Wohneigentum zu erwerben. Auf der anderen Seite präsentiert sich der Mietermarkt durch die Bindung an den Referenzzinssatz eher träge. Wie könnte hier mehr Flexibilität und eine höhere Eigentumsquote erreicht werden?

Wie bitte? Ist es ein Menschenrecht, Wohneigentum zu erwerben? Ich denke nicht. Seit wie lange profitiert der Mieter von sinkenden Mietkosten? 15 Jahre oder länger, jedenfalls sehr lange.

«Die Schweiz hat nach meinem Verständnis Platz für 10 und auch 20 Millionen Einwohnern. Die Frage ist, wollen wir dies?»

Der Schweizer Mietwohnungsmarkt weist Qualitäten auf wie kein anderer Markt weltweit. Zusätzlich ist der Mieter sehr gut rechtlich geschützt. Wo kann man ohne Eigenkapital eine Millionen teure Wohnung im Eigentumsstandard mieten, für die Ewigkeit und ohne Risiko? Nur in der Schweiz. Ich frage mich, wieso braucht es überhaupt eine höhere Eigentumsquote? Die Schweiz ist ja im Übrigen eines der reichsten Länder weltweit, auch mit einer tiefen Eigentumsquote.

Sie widersprechen mit ihren Einschätzungen regelmässig anderen Experten und Marktteilnehmenden. Wie widerspiegeln sich Ihre Ansichten in der Geschäftsstrategie, was machen Sie grundlegend anders als ihre Mitbewerber?

Ich schaue immer auf die Fundamentaldaten, gekoppelt mit meinem Bauchgefühl und meiner Erfahrung. Das habe ich von meinem Vater gelernt. Es hat aber wahrscheinlich auch mit meinen Wikinger-Wurzeln zu tun, dass ich optimistisch in die Glaskugel schaue. Der Schweizer verkauft sich immer unter Wert, das mache ich nicht. Ich bin stolz auf dieses Land, dieses Volk und diese Volksmoral. Als Unternehmer versuche ich immer, etwas mehr herauszuholen für meine Anleger. Ist Teil meiner DNA.

«Der Schweizer Mietwohnungsmarkt weist Qualitäten auf wie kein anderer Markt weltweit. Zusätzlich ist der Mieter sehr gut rechtlich geschützt.»

In einigen Bereichen der Infrastrukturdienste (Verkehr, Strom) führt die stetige Zunahme der Bevölkerung zu zwischenzeitlichen Engpässen. Wie gut ist der Immobilienmarkt für eine Schweiz mit 11 Millionen Einwohnerinnen gerüstet, wo gibt es Verbesserungspotential?

Die Schweiz hat nach meinem Verständnis Platz für 10 und auch 20 Millionen Einwohnern. Die Frage ist, wollen wir dies? Um dies allenfalls zu ermöglichen, müssten man die Infrastruktur auf den modernsten Standard bringen, so wie zum Beispiel in Oslo. Das heisst für mich: Einführen einer effizienten U-Bahn in den Städten, Tunnels für den privaten Verkehr, damit eine bessere oberirdische Lebensqualität entsteht. Dass man in der Schweiz grosse Infrastruktur-Projekte durchführen kann, hat man mehrfach bewiesen. Hier referenziere ich nur auf die Gotthardröhre, die schneller und preiswerter gebaut wurde als zuvor projektiert. Mit Einzonungen müsste man viel pragmatischer und konsequenter umgehen. Man kann leider nicht immer Rücksicht nehmen auf jeden Einzelnen und alle einzelnen Interessen.

Neben dem Helvetica Swiss Living Fund für Wohnimmobilien, dem Helvetica Swiss Opportunity Fund und dem Helvetica Swiss Commercial Fund für kommerzielle Immobilien haben Sie gerade neu die Anlagestiftung Helvetica Life für Vorsorge-Einrichtungen lanciert. Welche Ziele und Kundensegmente möchten Sie mit dem neuen Produkt erreichen? 

Die Helvetica Life Anlagestiftung ist ein Traum und wurde von der OAK bewilligt, aber noch nicht lanciert. Die Vorsorgeeinrichtungen erhalten damit erstmals die Möglichkeit, in ein neues, steuerbefreites Helvetica Anlagegefäss zu investieren und von unserer langjährigen Immobilienkompetenz zu profitieren. Das macht mich sehr stolz. Die neue Anlagegruppe «Wohnimmobilien Schweiz» fokussiert sich primär auf neuwertige Wohnliegenschaften an guten Standorten. Unser Ziel ist, bis 2025 ein Portfolio im Umfang von über 500 Millionen CHF aufzubauen.

Sie setzen als CEO eine Strategie um, die Sie als Verwaltungsrat auch massgeblich mitgestaltet haben. Wie bewährt sich die Strategie in der Praxis, wo sehen Sie Anpassungsbedarf?

Das stimmt so nicht ganz. Als ich wieder als CEO übernommen habe, wurde die mittelfristige Strategie neu aufgestellt und kalibriert. Momentan sehe ich keinen unmittelbaren Anpassungsbedarf.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen die aus?

Erstens, dass die globale Anlegerwelt dieselbe Liebe entwickelt für die Qualitäten der Schweiz und den Immobilienmarkt wie wir.

Zweitens, dass die Schweiz wieder den Mut hat, Grosses zu bewegen. Hier meine ich vor allem im eigenen Land. Zum Beispiel Hochgeschwindigkeitszüge einführen und Megatunnels bauen für Waren- und Personenverkehr. Weiter wünsche ich mir etwas mehr Flexibilität bei dem Bau und der Zonenordnungen. In Japan zum Beispiel können quasi die Baunormen überschritten werden, wenn dadurch mehr Qualität und Ästhetik entsteht. Das finde ich super.


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