Markus Naef, CEO SwissSign Group, im Interview

Markus Naef, CEO SwissSign Group, im Interview
Markus Naef, CEO SwissSign Group. (Foto: SwissSign Group)

Von Helmuth Fuchs

Moneycab: Herr Naef, jetzt, wo die digitale Identifikation, Signatur und Kommunikationssicherheit für Home Office, virtuelle Meetings und digitale Dienstleistungen massiv an Bedeutung gewinnen – wo stehen Sie mit SwissSign Group, welchen Einfluss hat die Coronavirus-Pandemie auf Ihr Geschäft?

Markus Naef: Die COVID-19-Pandemie ist auch für die Schweiz eine grosse Herausforderung. Die wirtschaftlichen Folgen sind von enormer Tragweite und werden uns noch lange beschäftigen. Natürlich hat diese Krise auch einen Einfluss auf unseren Geschäftsverlauf. Da die Digitalisierung zu unserem Kerngeschäft gehört, waren wir aber im Vergleich zu vielen anderen Unternehmen sehr gut vorbereitet.

«Wir sehen den Abstimmungskampf als Chance, um mit der Bevölkerung in einen Dialog zu treten und die Vorteile einer staatlich kontrollierten E-ID aufzuzeigen.» Markus Naef, CEO SwissSign Group

Unsere gesamte Organisation funktioniert seit dem 16. März ohne Einschränkungen für unsere Kunden und Partner aus dem Homeoffice. Diese aussergewöhnliche Situation zeigt aber auch deutlich, wie anfällig die Wirtschaft auf solche Ereignisse ist und wie viel Arbeit die Schweiz im Bereich Digitalisierung noch vor sich hat. Wir sehen das aber auch als Chance für die Schweiz und für uns.

Viele Unternehmen unterstützen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) bei der Bewältigung der Krise und dem Einstieg in die Digitalisierung. Was tut SwissSign Group hier?

Auch SwissSign Group will natürlich in dieser ausserordentlichen Zeit einen aktiven Beitrag leisten. Wir unterstützen zum Beispiel Unternehmen aktiv dabei, digitale Prozesse schnell und einfach umzusetzen. Auf Grund der für die Wirtschaft äusserst schwierigen Situation bieten wir Sonderkonditionen für Sicherheitszertifikate und die digitale Identität SwissID an.

Seit Beginn der Homeoffice-Phase zeigt sich eine massive Häufung von Cyberangriffen. Unsere SSL- und Email-Zertifikate helfen Unternehmen ihre Webseiten zu schützen und für eine sichere Email-Kommunikation zu sorgen. KMUs und Grossunternehmen profitieren zudem derzeit auch von sehr attraktiven Konditionen auf die SwissID. Dies ganz getreu unserer Mission: «Wir ermöglichen jedermann, seinen digitalen Alltag sicher und einfach zu gestalten.»

Die Schweiz hat immer noch keine staatlich anerkannte elektronische ID (E-ID) für ihre Bürger. Gegen das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste (BGEID) wurde das Referendum ergriffen, über das Ende Jahr abgestimmt werden soll. Was sind die grössten Knackpunkte und was geschieht, wenn das Referendum erfolgreich ist?

Die Coronakrise bringt auch die Abstimmungsdaten durcheinander. Der Zeitpunkt der Abstimmung über das Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste (BGEID) wurde noch nicht festgelegt. Die Abstimmung könnte sich aufs letzte Quartal 2020 oder sogar ins Jahr 2021 verschieben. Je nach Ausgang der Abstimmung würde sich die Einführung der E-ID um mehrere Jahre verzögern, was für die Schweizer Wirtschaft und insbesondere auch für E-Government sehr bedauerlich wäre. Wir sehen den Abstimmungskampf aber auch als Chance, um mit der Bevölkerung in einen Dialog zu treten und die Vorteile einer staatlich kontrollierten E-ID aufzuzeigen.

«Die SwissSign Group wird die SwissID aber unabhängig vom Referendum und dem Ausgang der Volksabstimmung weiterentwickeln und vorantreiben.»

Der Abstimmungskampf wird aber sicherlich eine Herausforderung, da es viel Erklärungsbedarf erfordert, die sinnvolle Aufgabenteilung zwischen Staat und Privatwirtschaft aufzuzeigen und für die Bürger verständlich zu machen. Für die Gegner ist es bedeutend einfacher, ihre sehr publikumswirksamen, jedoch oft falschen und nicht-faktenbasierten Argumente zu streuen. Die SwissSign Group wird die SwissID aber unabhängig vom Referendum und dem Ausgang der Volksabstimmung weiterentwickeln und vorantreiben. Gerade die jetzige COVID-19-Phase unterstreicht die Wichtigkeit und auch Dringlichkeit einer staatlich anerkannten E-ID – warten ist keine Option.

Mit der Delegation der Herausgabe der E-ID an so genannte Identity Provider (IdP) zieht sich der Staat weitgehend aus der Verantwortung für die Verwaltung und die Sicherheit der Identifikation seiner Bürger im digitalen Raum zurück. Wäre es nicht einfacher, wenn er mit dem Pass oder der ID auch jedem Bürger eine elektronische ID mitgeben würde, zumal er ja alle Daten bereits heute besitzt und verwaltet?

Im Gegenteil, der Staat ist und bleibt gemäss dem Gesetzesvorschlag der eigentliche Herausgeber der E-ID und nimmt eine zentrale und tragende Rolle ein. Der Bund definiert über das Gesetz und die damit verbunden Verordnungen ganz klare Rahmenbedingungen und Vorgaben für die Identity Providers. Die Privatwirtschaft sorgt nur für die Umsetzung und die Verbreitung der elektronischen Identität.

«In der Schweiz mit ihren föderalen Strukturen wäre eine vom Bund verordnete und somit obligatorische E-ID für Bürger und Unternehmen undenkbar.»

Wenn der Staat die E-ID ganz allein stemmen müsste, wäre die Penetration vermutlich sehr tief, weil der Staat den Markt, den es dafür braucht, gar nicht allein aufbauen kann. Dies zeigen Beispiele aus dem Ausland ganz deutlich. Aus unserer Sicht muss der zweiseitige Markt durch Private aufgebaut werden, so wie das heute bereits mit der SwissID der Fall ist. Die im Gesetz vorgesehen Aufgabenteilung ist daher durchaus sinnvoll und im Interesse der Schweiz. Der oft zitierte Vergleich mit Estland hinkt. In der Schweiz mit ihren föderalen Strukturen wäre eine vom Bund verordnete und somit obligatorische E-ID für Bürger und Unternehmen undenkbar. Die E-ID muss für alle Beteiligten freiwillig bleiben. Die Möglichkeit, jedem Bürger mit dem Pass oder der ID eine freiwillige E-ID auszustellen, wird aber auch diskutiert; dies zeigt auch, dass wie im Gesetz geschrieben, die eigentliche Herausgabe der E-ID beim Staat ist und die Privaten diese einfach in der Online-Welt nutzbar machen.

Als Identitiy Provider (IdP) kommen unter anderen Banken, Versicherungen, die Post, Swisscom und natürlich SwissSign Group selbst in Frage. Was ist das Interesse und das Geschäftsmodell der Provider für die E-ID, da sie das kaum aus Altruismus machen werden und die kommerzielle Nutzung der Daten nicht erlaubt sein soll?

Banken werden sicher nicht als Identity Provider auftreten, wie das von den E-ID Gegnern immer wieder kolportiert wird. Es ist also ein Ammenmärchen der Gegner des Bundesgesetzes über elektronische Identifizierungsdienste. Alle Unternehmen in der Schweiz haben aber ein grosses Interesse an der erfolgreichen Einführung einer E-ID, da dies die digitalen Prozesse in allen Wirtschaftsbereichen deutlich effizienter machen würde. Studien sprechen von 3 bis 5 Prozent des BIP!

«Es wäre völlig sinnlos und ineffizient, wenn sich Banken oder Versicherungen selbst als IdP bewerben würden.»

Identity Provider werden zudem erst nach einer strengen Prüfung durch den Bund, insbesondere die unabhängige EIDCOM, zugelassen und müssen eine ganze Reihe von Auflagen erfüllen. Es wäre völlig sinnlos und ineffizient, wenn sich Banken oder Versicherungen selbst als IdP bewerben würden. Aus diesem Grund haben sich ja auch Unternehmen aus verschiedenen Branchen zusammengetan, um die SwissSign Group zu gründen. Hintergrund ist nicht in erster Linie ein wirtschaftliches Interesse, sondern das gemeinsame Interesse nach über 20 Jahren Vorbereitung endliche eine staatlich kontrollierte E-ID in der Schweiz einzuführen. Die SwissID ist für Nutzerinnen und Nutzer kostenlos. Unternehmen welche die SwissID als Zugang zu ihrem Onlinebereich aufschalten, bezahlen aber eine Gebühr, welche sich zum Beispiel nach der Anzahl Logins richtet.

Nebst der E-ID beschäftigt die Schweizer ebenfalls das elektronische Patientendossier seit geraumer Zeit, aktuell verzögert sich die Zertifizierung der zukünftigen Anbieter. Welche Dienste kann hier SwissSign Group anbieten?

Die SwissSign Group bewirbt sich zurzeit neben anderen Unternehmen für die Zertifizierung als Herausgeberin eines Identifikationsmittels. Dabei geht es ausschliesslich um das zur Verfügung stellen eines sicheren Logins zum EPD auf Basis der SwissID. Die SwissSign Group wird zu keiner Zeit als Betreiberin eines EPD auftreten bzw. eine solche Applikation betreiben.

Im Oktober 2019 konnten Sie 1 Million Benutzer vermelden. Wo stehen Sie heute, welche Ziel haben Sie für 2020?

Wir sind mit der Entwicklung der SwissID sehr zufrieden. Pro Tag eröffnen durchschnittlich +/-1’800 Neukunden eine SwissID. Heute setzen bereits über 1.3. Millionen Nutzerinnen und Nutzer die SwissID auf verschiedenen Online-Plattformen ein. Wir werden auch dieses Jahr weiter in den Auf- und Ausbau des wichtigen zweiseitigen Markts investieren. Im zweiten Halbjahr 2020 werden wir zudem weitere wichtige Online-Plattformen aufschalten können. Das SwissID-Ökosystem wächst also kontinuierlich weiter.

«Heute setzen bereits über 1.3. Millionen Nutzerinnen und Nutzer die SwissID auf verschiedenen Online-Plattformen ein.»

SwissSign selbst gibt es schon seit 2001. Welche Strategie verfolgen Sie mit dem Unternehmen, wo sehen Sie die grössten Wachstumsmöglichkeiten?

Die Digitalisierung der Wirtschaft gehört weltweit zu einem der ganz grossen Trends. Die Schweiz muss aber aufpassen, hier den Anschluss nicht zu verpassen. Der Druck zu digitalisieren, ist in unserem Land aufgrund einer gut ausgebauten Infrastruktur weniger gross als in vielen anderen Ländern. Das ist gefährlich. Gemäss einer kürzlich publizierten IMD-Studie rangiert die Schweiz im Bereich E-Government nur auf Rang 15. Ich glaube aber, dass die Wirtschaft und die Politik die Zeichen der Zeit erkannt hat und Prozesse vermehrt digitalisieren will.

Die vom Bundesrat verabschiedete Strategie «Digitale Schweiz» will ja ganz konkret, dass die Schweiz die Chancen der Digitalisierung optimal nutzt. Wir sehen insbesondere bei der Etablierung einer elektronischen Identität aber auch bei der vermehrten Nutzung von SSL- und E-Mail-Zertifikaten grosses Wachstumspotenzial. Der Swissness-Faktor darf nicht unterschätzt werden – gerade in der heutigen Zeit sehen wir viele Anfragen für unsere Produkte aus dem Ausland.

Im Zuge der Entwicklung von der Anbieterin von Zertifikaten zur Konsortiumsplattform haben sich auch die Besitzverhältnisse geändert. Wer sind aktuell die Besitzer von SwissSign Group und wie agil ist das Unternehmen in dieser Konstellation?

Die SwissSign Group ist ein Joint Venture aus staatsnahen Betrieben, Finanzunternehmen, Versicherungsgesellschaften und Krankenkassen. Die Aktienmehrheit liegt seit jeher bei den staatsnahen Unternehmen. Dies wird auch so bleiben. Die heute 20 Unternehmen, welche sich im Aktionariat zusammengeschlossen haben, verfolgen das gemeinsame Ziel, eine erfolgreich digitale Identität in der Schweiz zu etablieren. Diesem Ziel hat sich die SwissSign Group verschrieben.

Als KMU mit 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gehören Agilität und Flexibilität sicherlich zu unseren grossen Stärken. Einen Umstand, den es in der komplexen und sich schnell ändernden IT-Welt unbedingt braucht.

Welche technologischen Entwicklungen werden in Zukunft das elektronische Signieren einfacher und sicherer machen, an welchen Entwicklungen arbeitet SwissSign Group?

Die Entwicklung von digitalen Lösungen auf Basis der SwissID gehört zu den Schwerpunkten der SwissSign Group, so z.B. werden neue moderne Authentisierungslösungen das Leben der Nutzer*innen vereinfachen. Bereits im November 2020 werden wir neue Signatur-Lösungen basierend auf der SwissID lancieren. Wir positionieren unsere App zudem als das digitale Schweizer Sackmesser und es wird somit in Zukunft möglich sein, via die App rechtsverbindlich basierend auf den gültigen Regulatorien zu unterzeichnen.

«Bereits im November 2020 werden wir neue Signatur-Lösungen basierend auf der SwissID lancieren.»

Wir entwickeln diese Lösung in engem Austausch mit Kunden, um sicherzustellen, dass die Lösung den sich verändernden Bedürfnissen des Marktes entspricht.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen die aus?

Ich hoffe natürlich sehr, dass die gegenwärtige COVID-19 Krise für die Bevölkerung als auch für die Wirtschaft am Ende glimpflich verläuft und wir gemeinsam wieder zur notwendigen Stärke – gesundheitlich und wirtschaftlich – finden. Auf den zweiten Wunsch verzichte ich gerne, falls der Erste in Erfüllung geht.

Markus Naef, lic. oec. HSG et lic. iur.
Chief Executive Officer (CEO) SwissSign Group

Führungserfahren und umsetzungsorientiert besitzt der Strategieberater eine besondere Passion für das Thema Digitalisierung. Markus Naef legt grossen Wert auf Teamarbeit, erfolgreiche Kooperationen, Vertrauen in die Fähigkeiten seiner Gesprächspartner und sein hervorragendes Beziehungsnetz in Wirtschaft, Politik und Verwaltung. Nach den Studienabschlüssen in Wirtschaft und Recht der HSG (heute Universität St. Gallen) sammelte Markus Naef als Startup-Unternehmer in den USA Erfahrung und übernahm später Führungspositionen in diversen internationalen Unternehmen. In der Geschäftsleitung der Sunrise Communications AG verantwortete er das B2B-Geschäft, wo er die digitale Transformation von Kunden aktiv begleitete. Der SwissSign Group-CEO ist ein ziel- und ergebnisorientierter «Macher» und ein kommunikationsstarker, teamorientierter Leader. Er ist verheiratet, Vater eines Sohnes und treibt gerne Sport.

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