Wolfgang Wienand, CEO Siegfried, im Interview

Wolfgang Wienand, CEO Siegfried, im Interview
Siegfried-CEO Wolfgang Wienand. (Foto: Siegfried)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Wienand, Sie haben zu Jahresbeginn als CEO die operative Leitung von Siegfried übernommen. Welche persönliche Bilanz ziehen Sie zum heutigen Zeitpunkt?

Wolfgang Wienand: Ein solcher Übergang ist eine spannende Phase – in der ich trotz meiner schon neun Jahre bei Siegfried die Organisation und die Menschen dahinter noch einmal aus einer neuen, anderen Perspektive kennengelernt habe. Ich habe gleich zu Beginn des Jahres weltweit alle Standorte besucht und dort meine CEO-Agenda in Townhall Meetings und Roundtables vorgestellt. So konnte ich einerseits meine Ambitionen für unser Unternehmen einer Vielzahl von Mitarbeitenden auf kürzestem Wege – von Mensch zu Mensch – verdeutlichen. Andererseits konnte ich mit möglichst vielen Kolleginnen und Kollegen sprechen und so viel über ihre Bedürfnisse, Erfahrungen und auch Erwartungen erfahren. Mein Fazit heute: Das passt alles sehr gut zusammen.

Im ersten Halbjahr konnte Siegfried den Umsatz in Schweizer Franken um 4,4% (+5.8% in LW) steigern, der operative Gewinn auf Stufe EBITDA (+6,9%), der «Kern-EBITDA» (+4,3%) und der Reingewinn (+5,5%) legten ebenfalls zu. Sind Sie mit dem Resultat zufrieden?

Das Resultat ist gut und entspricht unseren Erwartungen. Es ist uns gelungen, in einem anspruchsvollen Umfeld mit dem Markt profitabel zu wachsen. Nach vorne schauend ist unser Ziel unverändert: Wachstum in Lokalwährungen mit dem Markt bei gleichzeitiger Steigerung der Profitabilität, das Ganze verbunden mit der Ambition, den Markt auch mittels Akquisitionen zu übertreffen.

Die Geschäfte mit Wirksubstanzen und Zwischenprodukten, das rund drei Viertel der Verkäufe ausmacht, lag 7,5 Prozent über der Vorjahresperiode. Was hat die Entwicklung in diesem Bereich in der ersten Jahreshälfte geprägt?

Die Nachfrage nach unseren Dienstleistungen und Produkten bei den Wirksubstanzen war gut und lag am oberen Ende des Marktwachstums unserer Industrie. Es ist klar, dass es über die Zeit gewisse Abweichungen geben kann und dass solche nach oben sehr gut zu unserer Ambition passen.

«Wir schätzen, dass etwa 40 Millionen Patienten weltweit mit Medikamenten behandelt werden, für die Siegfried im Auftrag unserer Pharmakunden den Wirkstoff oder das Fertigprodukt hergestellt hat.»
Wolfgang Wienand, CEO Siegfried

Siegfried stellt in diesem Segment pharmazeutische Wirkstoffe her, die von Ihren Kunden zu Medikamenten verarbeitet werden. Könnten Sie uns ein konkretes Beispiel nennen?

Mit den meisten unserer Kunden stehen wir in exklusiven Lieferbeziehungen und sind zu Vertraulichkeit verpflichtet. Darüber hinaus vertreiben wir aber auch eigene generische Wirkstoffe an eine Vielzahl von Kunden, zum Beispiel für die Suchtentwöhnung und Schmerztherapie.

Bis zu einer Milliarde Menschen kommen jährlich in Kontakt mit einem Siegfried-Produkt. Welchen Anteil hat daran Koffein?

Wir schätzen, dass etwa 40 Millionen Patienten weltweit mit Medikamenten behandelt werden, für die Siegfried im Auftrag unserer Pharmakunden den Wirkstoff oder das Fertigprodukt hergestellt hat. Mit unserem Werk in Minden sind wir aber auch einer der weltweit führenden Produzenten von synthetischem Coffein, das dann sowohl für pharmazeutische Anwendungen, aber auch für Softdrinks verwendet wird. Auf diesem Weg erreichen wir sicher jedes Jahr über eine Milliarde Menschen. Das ist eine respektable Zahl, und ich nutze sie gerne, um jedem Einzelnen bei Siegfried zu verdeutlichen: Es ist wichtig, was wir tun. Und wie wir es tun. Für sehr viele Menschen.

Welche Bedeutung haben die Abnehmer aus dem Nahrungsmittelbereich und Getränkehersteller für Siegfried?

Coffein ist unser mit Abstand grösstes Produkt, das nicht an Pharmakunden geht. Daneben gibt es nur wenige und gemessen am Umsatz unbedeutende Ausnahmen.

Bei den sogenannten Fertigformulierungen, also bei Tabletten und sterilen Abfüllungen, war der Umsatz rückläufig. Worauf führen Sie dies zurück und lässt sich der Rückgang bis Jahresende aufholen?

Hier gilt invers, was ich zuvor zu unserem hohen Wachstum bei den Wirkstoffen sagte: Einzelne Produkte und Segmente unseres Geschäfts zeigen über kurze Betrachtungszeiträume immer gewisse Schwankungen in beide Richtungen, die sich über unser Gesamtportfolio aber ausgleichen, so dass wir in Summe stabile Wachstumsraten erzielen. Und auch bei den Fertigformulierungen erwarten wir währungsbereinigt am Ende des Jahres Wachstum gegenüber dem Vorjahr.

«Wir sind stolz darauf, dass unser Werk in Nantong die Inspektion gleich im ersten Anlauf ohne jegliche Beanstandungen bestanden hat.»

Die Zulassung des Werks in Nantong durch die US-FDA ist vor kurzem erfolgt. Wie umfassend ist so ein Kontrollprozess?

Bei einer FDA-Inspektion wird ein Werk auf Herz und Nieren geprüft, also Prozesse, Qualifikation der Mitarbeiter und die Eignung der Anlagen. Wir sind stolz darauf, dass unser Werk in Nantong die Inspektion gleich im ersten Anlauf ohne jegliche Beanstandungen bestanden hat. Dies bestätigt gemeinsam mit den ebenfalls sehr gut verlaufenen Inspektionen an verschiedenen anderen Standorten in unserem Netzwerk das hervorragende Niveau, das Siegfried seinen Kunden im Bereich Qualität und Compliance bietet.

Siegfried ist weiterhin auf der Suche nach geeigneten Übernahmekandidaten. Wie ist der Stand der Dinge?

In unserem Geschäftsmodell gibt es ein strategisches Rational für Grösse. Und es lässt sich zeigen, dass solche Unternehmen, die in den letzten Jahren stark und auch durch M&A gewachsen sind, zugleich auch ihre Profitabilität haben steigern können. Die Stärkung der sogenannten «kritischen Grösse» ist deshalb ein zentrales Element unserer Strategie. Deshalb prüfen wir kontinuierlich in einem strukturierten Prozess mögliche Übernahmekandidaten. Mehr darüber sage ich Ihnen gerne, sobald ein geeignetes Target gefunden und der Kaufvertrag unterschrieben ist.

Welche Aspekte stehen bei der Wahl eines Übernahmekandidaten im Vordergrund?

Wünschenswert wäre insbesondere eine Stärkung unseres Drug Product-Geschäfts, also des Geschäfts mit Fertigformulierungen. Hier würden wir von einem Skaleneffekt profitieren können. Wir suchen aber ebenfalls nach Gelegenheiten in anderen Geschäftsfeldern, sei es im Bereich Drug Substances oder ein Einstieg in die Biotechnologie. Darüber hinaus legen wir grossen Wert auf die Qualität des Assets sowie auf den kulturellen Fit der neu hinzukommenden Mitarbeiter, die ja dann als Bestandteil unseres globalen Netzwerks und neue Mitglieder des globalen Siegfried-Teams zu unserem Erfolg als Unternehmen beitragen müssen. Denn aus unseren bisherigen erfolgreichen Transaktionen wissen wir: Ist das der Fall, dann gelingt auch die Integration.

Sie erwarten wie in der Vergangenheit eine stärkere zweite Jahreshälfte. Gehen die Verlangsamung der Konjunktur und die weltweiten Handelsstreitigkeiten an Ihrer Branche spurlos vorbei?

Die Pharmabranche ist tatsächlich nicht sehr zyklisch und auch der Gesundheitsmarkt insgesamt wächst über längere Betrachtungszeiträume konstant. Insofern erwarten wir nicht, dass uns eine Verlangsamung der allgemeinen Konjunktur stark betreffen würde.

«Gleichzeitig ist klar, dass Spitzenleistung sich am Ende zwar individuell ausprägen mag, aber immer Ergebnis eines produktiven Miteinanders in einem grösseren Team ist.»

Letzte Frage: Sie waren ein Weltklasse-Florettfechter, nahmen an zwei Olympischen Spielen teil, waren Europameister und haben eine WM-Bronzemedaille gewonnen. Helfen Ihnen die gemachten Erfahrungen aus dieser Zeit in Ihrer heutigen Arbeit?

Absolut. In einer Einzelsportart wie dem Fechten gibt es keine Ausreden. Ich habe gelernt, dass sich Einsatz lohnt, die Fähigkeit zu Kritik und Selbstkritik Voraussetzung ist für Verbesserung und dass all das mit Erfolg korreliert. Zudem habe ich mich selbst und meinen Umgang mit Drucksituationen sehr gut kennengelernt. Und auch, wie man einen kühlen Kopf bewahrt. Gleichzeitig ist klar, dass Spitzenleistung sich am Ende zwar individuell ausprägen mag, aber immer Ergebnis eines produktiven Miteinanders in einem grösseren Team ist. Und ein Team funktioniert immer dann am besten, wenn Klarheit und Übereinkunft herrscht zu gemeinsamen Zielen, Rollenverteilung und ein paar grundlegenden Spielregeln. Bei Siegfried sind dies unsere zentralen Unternehmenswerte Exzellenz, Leidenschaft, Integrität, Qualität und Nachhaltigkeit, die uns bei der Navigation des Unternehmens helfen.

Herr Wienand, besten Dank für das Interview.

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