Daniel Bärtschi, Geschäftsführer Bio Suisse

Daniel Bärtschi, Geschäftsführer Bio Suisse

Daniel Bärtschi, Geschäftsführer Bio Suisse. (Foto: Bio Suisse)

von Patrick Gunti

Moneycab: Herr Bärtschi, seit Tagen ist der «Pferdefleisch-Skandal» in den Schlagzeilen. Es geht um falsch deklarierte Produkte, die mit Pferdefleisch vermischt wurden. Was waren Ihre Gedanken, als sie zum ersten Mal davon gehört haben?

Daniel Bärtschi: Besonders überrascht hat mich diese Meldung nicht. Es ist leider eine Tatsache, dass Nahrungsmittel europaweit und über viele Handelsstufen verschoben werden und dass Herkunft und Qualität zugunsten eines tiefen Preises in den Hintergrund geschoben werden.

Würden Sie den Fall als ein exemplarisches Beispiel der Folgen des Systems von Massenproduktion, Massentierhaltung und Profitstreben bezeichnen?

Nicht nur das, sondern auch als Beispiel für die geringe Wertschätzung der Ernährung. Es muss offenbar immer billiger produziert werden. Hier hätten es eigentlich die Konsumenten in der Hand. Sie sollten kritischer einkaufen und auf eine klare Deklaration achten. Es ist auch ein Beispiel dafür, dass wir strenge Kontrollmechanismen brauchen und Betrug hohe Strafen nach sich ziehen muss, um wirksam Prävention zu ermöglichen.

«Wer sein Konsumverhalten aber kritisch überdenkt und nachhaltiger gestalten will, setzt mehr auf regional und biologisch produzierte Produkte und weniger auf Quantität und tiefe Preise.»
Daniel Bärtschi, Geschäftsführer Bio Suisse

In den letzten Jahren ist der Produktpreis  immer mehr zum Hauptkriterium des Einkaufens geworden. Eine Aktion jagt die nächste und wem das immer noch zu teuer ist, der fährt über die Grenze und sucht sich dort seine Schnäppchen. Wie sehr fördern Konsumenten selbst ein solches System?

Wie schon erwähnt, haben Konsumenten einen Einfluss mit ihrem Kaufverhalten. Die Ausgaben für Nahrungsmittel sind auf einem Rekordtief. Wer sein Konsumverhalten aber kritisch überdenkt und nachhaltiger gestalten will, setzt mehr auf regional und biologisch produzierte Produkte und weniger auf Quantität und tiefe Preise.

Sie haben die geringe Wertschätzung der Ernährung angesprochen.

Ja. Das Wort Lebensmittel bringt es auf den Punkt: Ohne Nahrung können wir nicht leben, wir sind davon abhängig, einen bewussten und nachhaltigen Umgang damit zu finden. Wenn wir zu viel konsumieren, hat dies nicht nur Konsequenzen für unsere Gesundheit, sondern führt indirekt auch zu einer Verknappung der Nahrungsmittel in armen Ländern.

Wie bei früheren Fällen werden auch jetzt strengere Richtlinien und Kontrollen gefordert. Letztlich entscheidet aber jeder Einzelne selbst, was er isst und was nicht. Wie kann man Ihrer Meinung nach ein grundlegendes Umdenken hin zu regional und biologisch produzierten Lebensmitteln, zu gesünderem Essen, mehr Tierschutz, kürzeren Transportwegen etc. erreichen?

Wir müssen aufzeigen, warum Bio-Lebensmittel eine höhere Wertschätzung verdienen, nämlich weil sie eine hohe Qualität, Genuss und Authentizität bieten und die Herkunft klar belegt ist. Wir müssen das Herzblut der Bauern, Verarbeiter und Händler, die hochstehende Bio-Lebensmittel an den Markt bringen, rüberbringen. Wenn der Konsument versteht, wie viel es braucht, bis zum Beispiel ein Bio-Brot im Laden liegt, ist er auch bereit, mehr dafür auszugeben. Unser Bestreben ist es auch, möglichst wenig Transporte zu haben, Flugtransporte sind bei Knospe-Produkten verboten.

Den zuvor angesprochenen Missständen zum Trotz hat der Biomarkt in den letzten Jahren stark zugelegt. Hat diese Entwicklung im letzten Jahr angehalten?

Der Biomarkt erhält zunehmend Aufmerksamkeit einer breiten Bevölkerungsschicht, die sich bewusst und nachhaltig ernähren will. Gerade wegen vieler Missstände sind Bioprodukte dank hohen Standards vermehrt nachgefragt worden und ihr Markt ist auch im letzten Jahr gewachsen.

«Wir müssen aufzeigen, warum Bio-Lebensmittel eine höhere Wertschätzung verdienen, nämlich weil sie eine hohe Qualität, Genuss und Authentizität bieten und die Herkunft klar belegt ist.»

Gegen 6000 Landwirtschaftsbetriebe arbeiten mittlerweile nach Bio Suisse-Richtlinien. Über 800 Verarbeitungs- und Handelsbetriebe haben mit Bio Suisse einen Lizenzvertrag zur Herstellung der Knospe-Produkte abgeschlossen. Was kennzeichnet die Zusammenarbeit mit Ihren Vertragspartnern?

Wir pflegen einen offenen und vertrauensvollen Austausch mit hoher Glaubwürdigkeit, Transparenz und klaren Regeln. Kontinuität in den Beziehungen und Einbezug der Partner bei strategischen Fragen ist uns wichtig. Mit unseren Anstrengungen zu fairen Handelsbeziehungen stehen wir auch für dieses Thema ein.

In welchen Produktegruppen ist der Anteil der Biolebensmittel am höchsten?

Bei Brot und Eiern erreichen wir gegen 20 %. Danach folgen Gemüse, Milchprodukte und Früchte.

Wie hoch ist der Anteil beim Fleisch?

Der Anteil hier ist wesentlich geringer, etwa 4%.

Was sind die wichtigsten Anforderungen hinsichtlich einer artgerechten Tierhaltung bei Landwirten, die nach Bio Suisse-Richtlinien arbeiten?

Den artspezifischen Bedürfnissen aller Nutztiere ist Rechnung zu tragen. Dabei werden ethische und ökologische Gesichtspunkte berücksichtigt. Angestrebt wird eine hohe Lebensleistung der Tiere, jedoch keine Spitzenleistungen. Regelmässiger Auslauf sowie eine artgerechte Fütterung sind Pflicht.

Wo liegen zum Beispiel beim Geflügel die Unterschiede zu Labels wie «Bodenhaltung» oder «Freilandhaltung»?

Die Fütterung erfolgt mit Biofutter, die Besatzdichten sind geringer und die Herden kleiner. Es dürfen keine Antibiotika prophylaktisch verabreicht werden. Auslauf ist zwingend vorgeschrieben, was zum Beispiel bei der Bodenhaltung nicht der Fall ist.

» Wir haben einen der strengsten Standards weltweit und stehen für einen konsequenten Biolandbau ein.»

Viele Bio Suisse-Produkte sind bei Coop oder Migros erhältlich. Dort finden sie sich neben Labels wie Naturaplan, Naturafarm oder Pro Montagna. Spar hat Natur pur im Angebot, dann gibt es Terrasuisse, Agri Natura, Natura-Beef, Bio nach EU-Öko-Verordnung usw. Wie grenzt sich Bio Suisse in diesem «Label-Wald» ab?

Die Knospe der Bio Suisse gibt es seit 1981. Wir haben einen der strengsten Standards weltweit und stehen für einen konsequenten Biolandbau ein. Die Knospe gehört nicht einem Grossverteiler, sondern den fast 6000 Biobauern in der Schweiz, die tagtäglich ihr Bestes dafür geben, hochstehende Bioprodukte zu erzeugen. Dazu halten sich die über 800 Lizenznehmer an strenge Richtlinien bei der Verarbeitung. Nur die Knospe bietet Gewähr, dass Produkte möglichst schonend verarbeitete werden, keine Aroma- und Farbstoffe enthalten und möglichst wenig Zusatzstoffe eingesetzt werden.

Welche Absatzkanäle suchen Sie über die bestehenden hinaus?

Wir sind in fast allen Kanälen präsent, wir suchen daher keinen neuen, sondern eine Stärkung der bestehenden Kanäle. Wir sehen aber – neben den Grossverteilern – noch mehr Potenzial bei der Direktvermarktung und beim Fachhandel.

Um den Absatz von biologischen Produkten zu steigern, muss Bio Suisse die Landwirtschaftspolitik aktiv mitgestalten können. Wie nehmen Sie darauf Einfluss?

Wir engagieren uns sehr stark für eine nachhaltige Landwirtschaft in Bundesbern. Wir pflegen den Dialog mit Parlamentariern aller Parteien und überzeugen durch unser Bekenntnis zu einer hohen Qualität und einer marktorientierten Produktion. Wir wollen aber nicht von der Politik abhängig sein, sondern möglichst gute Rahmenbedingungen für Biobetriebe und solche, die es werden wollen, schaffen.

Herr Bärtschi, besten Dank für das Interview.

Zur Person:
Daniel Bärtschi ist seit Anfang 2011 Geschäftsführer von Bio Suisse. Er verfügt über eine Ausbildung als Landwirt mit eidg. Fähigkeitszeugnis und hat Agronomie an der Schweizer Hochschule für Landwirtschaft (SHL) in Zollikofen studiert. In den USA absolvierte er den Master of Arts in Organisationsführung. Daniel Bärtschi verfügt über Erfahrungen als landwirtschaftlicher Berater in der Schweiz, Deutschland, Nordkorea, Russland und Rumänien. Auf dem elterlichen Hof im Emmental hat Daniel Bärtschi als Bub schon früh erleben können, was Umstellung auf Bio bedeutete, und dies in einer Zeit, als Bio noch nicht die heutige Anerkennung genoss.

Zur Organisation:
Bio Suisse ist die führende Bio-Organisation der Schweiz und Eigentümerin der Marke Knospe. Der 1981 gegründete Dachverband vertritt die Interessen seiner über 5600 Knospe-Landwirtschafts- und -Gartenbaubetriebe. Zudem stehen über 800 Verarbeitungs- und Handelsbetriebe unter Knospe-Lizenzvertrag. Alle Betriebe werden regelmässig von unabhängigen Stellen in Bezug auf die Einhaltung der strengen Bio Suisse Richtlinien kontrolliert und zertifiziert.

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