Daniel Link, CEO Orell Füssli Holding, im Interview

Daniel Link, CEO Orell Füssli Holding, im Interview
Daniel Link, CEO Orell Füssli Holding. (Foto: OFH)

von Sandra Willmeroth

Moneycab.com: Herr Link, ist die Corona-Krise nun das endgültige Ende des Buchhandels, der eh schon geschwächelt hat?

Daniel Link: Im Gegenteil, die Corona-Krise hat vielen Menschen die Freude am Lesen wieder nähergebracht. Der Markt ist übrigens auch schon letztes Jahr leicht gewachsen und wir konnten unseren Marktanteil ausbauen. Die Schliessung der Buchläden wegen der Corona-Krise hat aber die Branche stark getroffen und es wird Zeit brauchen, bis sie sich wieder davon erholt.

Daniel Waser, Geschäftsleiter des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbands, redet sogar von einem Tsunami, der den Buchhandel getroffen hat und er rechnet mit Umsatzeinbussen von bis zu 90 Prozent. Mit welchen Einbussen rechnen Sie in der Sparte Buchhandel aufgrund des Corona-Virus?

Wir rechnen mit spürbaren Einbussen im Buchhandel, weil die Geschäfte über mehrere Wochen geschlossen werden mussten. Wie hoch die Einbussen letztlich sein werden, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beziffern. Dies hängt auch davon ab, wie rasch und mit welchen Restriktionen wir unsere Geschäfte wieder öffnen können und wie schnell die Kunden auch wieder in die Läden kommen.

«Die verlorenen Umsätze aus dem stationären Handel vermögen wir mit dem Online-Handel nicht zu kompensieren.»
Daniel Link, CEO Orell Füssli Holding,

Wie hat sich der Online-Buchhandel seit Beginn der Krise entwickelt? Reichen die Bestellungen aus, um den Ausfall in den Läden zu kompensieren?

Wir sind in der glücklichen Lage, über eine sehr starke Position im Online-Buchhandel zu verfügen. In der Schweiz sind wir in diesem Bereich die Nummer 1 und konnten von der Verlagerung der Umsätze in den Online-Handel profitieren. Hier verzeichnen wir auch eine deutliche Umsatzsteigerung von über 100% seit Ausbruch der Krise. Die verlorenen Umsätze aus dem stationären Handel vermögen wir aber auch mit Online-Handel nicht zu kompensieren.

Wie wirkt sich die Lage auf den Verlag aus?

Wir spüren die Corona-Krise natürlich auch im Verlag, weil weniger Bücher über den Buchhandel verkauft werden. Da wir schwerpunktmässig jedoch stark auf Lern- und Juristische Medien, sowie auf Kinderbücher ausgerichtet sind, sind die Auswirkungen eher gering.

Wie viele Mitarbeitende musste Orell Füssli in Kurzarbeit schicken?

Im Buchhandel mussten wir alle unsere 35 Filialen schliessen. Wir versuchen aber so viele Mitarbeitende wie möglich im Arbeitsprozess zu halten. Hierfür setzen wir etwa auf Home-Office, Split-Teams oder temporäre Umplatzierung. Mittlerweile bereiten wir uns bereits auf eine schrittweise Lockerung der Massnahmen vor und haben Pläne in der Schublade, um die Verkaufsstellen schnell wieder öffnen zu können.

Wie beurteilen Sie die Hilfsmassnahmen des Bundes in dieser Krise?

Der Bund hat die schwierige Aufgabe eine derart ausserordentliche Situation gesamtheitlich zu betrachten und zu lösen. Ich denke er moderiert dies bis anhin gut. Wir stehen hinter den Entscheiden der Behörden, auch wenn diese teilweise schmerzhaft sind.

«Wir bereiten auf eine schrittweise Lockerung der Massnahmen vor und haben Pläne in der Schublade, um die Verkaufsstellen schnell wieder öffnen zu können.»

Wagen Sie eine Prognose von Umsatz und Gewinn für das Gesamtjahr, vorausgesetzt der Handel wird zeitnah wieder geöffnet?

Die Corona-Krise wird einen Einfluss auf unser Geschäftsjahr 2020 haben. Wie stark dies sein wird, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht abschätzbar. Sobald wir dies aber zuverlässig beurteilen können, werden wir darüber informieren. Grundsätzlich sind wir hinsichtlich der mittel- und langfristigen Entwicklung des Unternehmens aber zuversichtlich.

So gesehen ist Orell Füssli gut diversifiziert, denn die zwei Geschäftsbereiche Sicherheitsdruck und Zeiser dürften doch relativ corona-resistent sein, oder?

Es ist sicherlich von Vorteil in diesen Zeiten etwas breiter aufgestellt zu sein, aber eine derartige Krise geht an keinem Unternehmen spurlos vorbei. Aber es ist korrekt, die Bereiche Sicherheitsdruck und Serialisierung sind aufgrund ihres Geschäftsfokus weniger direkt von der gegenwärtigen Situation betroffen.

Sie hatten im März anlässlich der Bekanntgabe der Jahreszahlen annonciert, dass Sie verstärkte Synergien zwischen dem Bereich Zeiser und Sicherheitsdruck schaffen werden. Wie können die Synergien zwischen Notendruck und Nummerierung denn noch weiter verstärkt werden?

Wir können uns vorstellen, bei der Marktbearbeitung unsere Sicherheits-Expertise im Bereich Sicherheitsdruck und Serialisierung stärker gemeinsam zu vermarkten. Hier sehen wir noch Potential und interessante Möglichkeiten.

Für den Bereich Sicherheitsdruck sind Sie auf der Suche nach neuen Kunden im Ausland. Da dürfte der Ruf der Swissness doch für Sie spielen. Warum ist es dennoch so schwer, die Noten für eine ausländische Bank zu drucken?

Banknoten sind nach wie vor populär und der Banknotenumlauf nimmt weiter zu. Auch die weltweite Banknotenproduktion wächst jährlich immer noch um ca. 4%. Jedoch durchläuft auch der Banknotendruck Zyklen und ist mit Überkapazitäten und Preisdruck konfrontiert, dies insbesondere, wenn etwa grössere Projekte oder Notenserien abgeschlossen werden. Der Markt im Bereich Sicherheitsdruck ist zudem ein stabiler Markt, mit hohen Eintrittsbarrieren und einer überschaubaren Anzahl an Wettbewerbern. Grosse Länder verfügen aber oftmals über eigene Staatsdruckereien, welche deren Druck von Banknoten und Wertdokumenten wahrnehmen. Für die restlichen Länder sind wir als Qualitätsanbieter insbesondere für ausgewählte Segmente interessant, so etwa für Länder, die ein hohes Mass an Sicherheit an ihre Banknoten und Wertdokumente stellen.

Ebenfalls haben Sie angekündigt, dem Umsatzrückgang im Buchhandel und Notendruck mit Sparmassnahmen und der Verlängerung der Wertschöpfungskette entgegenzuwirken. Was meinen Sie damit?

Grundsätzlich sind für uns neue Dienstleistungen unmittelbar vor oder nach dem Druckprozess interessant. Eine Option wäre die Wertschöpfungskette zu verlängern, indem wir etwa im Bereich des Banknotendesign noch aktiver werden. Oder es besteht die Möglichkeit sich bei der Entwicklung eigener und neuer Sicherheits-Features für Banknoten und Wertdokumente verstärkt einzubringen. In diesen Bereichen verfügen wir über eine hohe Expertise.

Sie sind eine Beteiligung an Procivis, einem Spezialisten in Sachen digitale Identität eingegangen. Wie weit sind wir noch entfernt von Dingen wie digitaler Unterschrift oder digitalen Ausweisdokumenten? Bislang sind doch alle Bemühungen in eine solche Richtung gescheitert, beispielsweise die SuisseID.

Digitale Identitäten werden kommen. Gerade die Corona-Krise hat das Bedürfnis nach digitalen Lösungen weiter verstärkt. In der Schweiz prüfen zudem immer mehr Kantone und Städte die Möglichkeit, eID Lösungen einzuführen und weltweit steigt die Nachfrage nach solchen Produkten um ca. 6% pro Jahr. Als langjähriger Partner des Staates und führender Spezialist für Sicherheitstechnologien und Individualisierung von Identitätsdokumenten ist dies für uns ein interessanter Markt mit attraktiven Opportunitäten. E-Government bietet etwa die Möglichkeit Dokumente wie Auszüge aus dem Handelsregister, Grundbuch, Betreibungsregister, Strafregister, Umzugsbescheinigungen, Firmengründungen aber auch Verifizierungen in der Sharing Economy inskünftig über sichere digitale Identitäten und mittels elektronischer Unterschriften rasch und kostengünstig abzuwickeln. Das ist für uns interessant.

«Digitale Identitäten werden kommen. Gerade die Corona-Krise hat das Bedürfnis nach digitalen Lösungen weiter verstärkt.»

Die Aktie von OFH wird zwar nicht sehr rege gehandelt, gilt aber als Dividendenperle im Schweizer Aktienmarkt. Bereuen Sie angesichts der aktuellen Entwicklung die Zusage, auch dieses Jahr erneut 6 Franken Dividenden an die Aktionäre auszuschütten?

Es ist das Ziel von Orell Füssli in guten Jahren einen Teil des Cash Flow an die Aktionäre der Firma zurückzuführen. Angesichts des guten Jahresergebnis 2019 und der soliden Liquidität des Unternehmens plant der Verwaltungsrat auch dieses Jahr an einer Dividende festzuhalten.

Orell Füssli ist mit 501 Jahren eines der ältesten Unternehmen der Schweiz. In wie weit ist der Geist des Gründers, dem aus Bayern stammenden Christophe Froschauer, im Unternehmen heute noch präsent?

Wir sind stolz auf unsere Geschichte bei Orell Füssli. Auch wenn wir natürlich unseren Fokus primär auf die Zukunft legen, ist der Geist des Gründers und unsere Geschichte im Unternehmen sehr präsent. Erst letztes Jahr konnten wir unser 500 Jahr Jubiläum feiern. Jetzt arbeiten wir daran, die Erfolgsgeschichte von Orell Füssli weiterzuschreiben. Den Pioniergeist unseres Gründers halten wir dabei durch innovative Entwicklungen und die stetige Weiterentwicklung unseres Geschäftes lebendig.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert