Daniel Stocker, Research & Market Analysis Colliers

Daniel Stocker, Research & Market Analysis Colliers

Daniel Stocker, Leiter Research & Market Analysis Colliers International Zürich AG.

von Patrick Gunti

Moneycab: Herr Stocker, die Bürofläche in der Schweiz ist relativ stabil, hingegen verändert sich die Lage der Bürokomplexe. Welche grundlegenden Veränderungen haben Sie im „Colliers Büromarktbericht Schweiz 2011“ festgestellt?

Daniel Stocker: Es hat ein Strukturwandel eingesetzt, der je nach Region bereits unterschiedlich stark fortgeschritten ist. In den Wachstumsgebieten ausserhalb der Innenstädte entsteht zurzeit eine neue Generation von erstklassigen Immobilien. Zahlreiche grosse und bekannte Arbeitgeber werden diese beziehen.

Wo sehen die Unternehmen die grössten Vorteile, wenn sie sich für neue Bürokomplexe in der Agglomeration der Städte entscheiden?

Die Unternehmen können während der Bauphase Einfluss auf die zukünftige Raumqualität nehmen, sie erhalten in den Neubauten auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Flächen. Diese neuen Büros sind modern und werden höchsten Ansprüchen gerecht, und  dies zu meist günstigeren Mietkonditionen als in der Innenstand.

Wie entwickeln sich die Bedürfnisse der Firmen bei der Infrastruktur neuer Büroimmobilien, wie sieht das Büro der Zukunft aus?

Sehr wichtig ist die Anbindung mit den öffentlichen Verkehrsmitteln sowie in Fussdistanz vorhandene Einkaufs- und Verpflegungsmöglichkeiten. Innerhalb der Gebäude werden meist offene Raumstrukturen verlangt, welche flexibel unterteilt werden können. Je nach Unternehmenskultur werden nur noch flexible Arbeitsplätze angeboten, d.h. jeder Arbeitsplatz kann durch mehrere Mitarbeiter benutzt werden, je nach Anwesenheit.

«Mietpreise sind ein wichtiges Kriterium von vielen. Nur deswegen verlässt aber kaum jemand die Innenstadt.»
Daniel Stocker, Leiter Research & Market Analysis Colliers International Zürich AG

Welchen Einfluss haben die hohen Mietpreise in den Städten auf das Verhalten der Unternehmen?

Mietpreise sind ein wichtiges Kriterium von vielen. Nur deswegen verlässt aber kaum jemand die Innenstadt. Die Lage ist nach wie vor bei der Wahl des Unternehmensstandortes zentral, gefolgt von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wie der Verfügbarkeit von Arbeitskräften und das Steuerniveau sowie den räumlichen Qualitäten der Nutzflächen. Wie bereits erwähnt: Sehr wichtig ist die Erreichbarkeit mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.

Führt das durch den Wegzug grösserer Unternehmen mögliche Überangebot an Büroflächen in den Innenstädten zu sinkenden Mietpreisen – und zu steigenden an der Peripherie der Städte?

Ich rechne damit, dass die Mietpreise an den Topstandorten in der Zürcher City in den kommenden Jahren etwas sinken. Die Boomjahre, wo man im Bieterverfahren Topmieten erzielen konnten, sind vorerst sicherlich vorbei. In der Peripherie ist ein Mietpreisanstieg an einzelnen Standorten, welche eine Aufwertung erfahren haben, zwar wahrscheinlich. Ich denke allerdings nicht, dass deswegen die Preise in der Peripherie generell anziehen. Es wird dort nicht zu Angebotsknappheit kommen.

Wenn wir den Wirtschaftsraum Zürich betrachten: In welchem Preisband bewegen sich die jährlichen Mietpreise pro Quadratmeter einerseits in der City, andererseits in den neuen Arealen?

In der City schwanken die Mieten zurzeit grösstenteils zwischen CHF 410 und 700 pro m2/Jahr netto, die absoluten Topmieten sind knapp über CHF 800. In den Entwicklungsgebieten wie Zürich-West oder im Leutschenbach liegen die Büromieten in Neubauten zwischen CHF 350 und 450, in Altstetten, Wallisellen oder Schlieren zwischen CHF 250 und 350.

Colliers rechnet nicht mit einem überdurchschnittlichen Arbeitsplatzwachstum in den nächsten Jahren, insofern ist auch kein grosser Mehrbedarf an Bürofläche zu erwarten. Gebaut wird in den Wachstumsgebieten aber trotzdem. Wenn es mehrheitlich zu einer Verlagerung der Arbeitsplätze von der Innenstadt an die Peripherie kommt – wie werden sich die Innenstädte in ein paar Jahren präsentieren?

Das wird einerseits von der Flexibilität und den Vermarktungsaktivtäten der jeweiligen Eigentümer abhängen, andererseits von der Nachfrage. Einige Flächen werden bestimmt durch KMU’s besetzt, andere im Erdgeschoss in Verkaufsflächen umgenutzt.

Wenn Sie auf das Jahr 2010 zurückblicken: Waren die Folgen der Rezession bei der Vermarktung der Büroflächen noch zu spüren?

Ja absolut. Es lief zwar nicht mehr ganz so harzig wie 2009, dennoch gestalteten sich die Verhandlungen nach wie vor langwierig. Die potenziellen Mieter sind meist am längeren Hebel und wissen diese Situation auszunutzen.

«Genf ist ein Spezialfall, insbesondere in der City sind verfügbare Büroflächen seit Jahren rar. Die Märkte in Bern und Basel sind aufgrund der vorherrschenden Wirtschaftsstruktur weniger dynamisch.»

Im Wirtschaftsraum Zürich stieg das Angebot an Büronutzflächen 2010 um 36’000 auf 727’000 m2. Die Angebotsquote beträgt 4.8%. Hingegen hat sich das Angebot an Büroflächen in Basel und Bern reduziert. Die Angebotsquoten liegen ebenso wie in Genf auf einem unterdurchschnittlichen Wert. Was sind die Gründe?

Genf ist ein Spezialfall, insbesondere in der City sind verfügbare Büroflächen seit Jahren rar. Entsprechend hoch ist dort das Preisniveau. Die Märkte in Bern und Basel sind aufgrund der vorherrschenden Wirtschaftsstruktur weniger dynamisch. Die Pharmabranche weist längere Entwicklungsphasen für ihre Produkte auf und plant dementsprechend voraus. In Bern prägen öffentliche Verwaltungen und staatsnahe Betriebe den Markt. In beiden Fällen treiben die Grossnutzer meist eigene Immobilienlösungen voran. Umgekehrt ist auf dem Finanzplatz Zürich Fluktuation höher, auch weil die Wirtschaftszyklen schneller spürbar sind. Allgemein kann man jedoch sagen, dass sich die Angebotsquoten in der Schweiz auf einem verträglichen Niveau befinden und global betrachtet eher tief sind.

Während im Wirtschaftsraum Basel die Pharma- und Chemie-Industrie den Büromarkt prägt, sind es in Bern die Bundesverwaltung und ihre ehemaligen Regiebetriebe. Welche Veränderungen sind in diesen beiden Städten in den nächsten Jahren zu erwarten?

Der angesprochene Strukturwandel findet auch hier statt. In Bern wird die Post Einheiten von ihrem zentralen Standort an der Schanzenpost abziehen und wohl ausserhalb der Innenstadt platzieren. Die SBB werden mehrere, über die ganze Stadt Bern verteilte Standorte aufgeben und im WankdorfCity Areal in zwei Büroneubauten zusammenziehen. In Basel wird sich Novartis weiter auf ihrem neuen Campus konzentrieren und Roche, sofern alles wie geplant läuft, seine Einheiten im projektierten Tower sammeln. Dadurch werden Räumlichkeiten für 1‘700 Arbeitsplätze in Basel frei.

Was stellen Sie betreffend Büroimmobilien ausserhalb der grossen Zentren Zürich, Basel, Bern und Genf fest, zum Beispiel entlang der Achse Biel-Solothurn-Olten-Aarau-Baden?

In den Schweizer Mittelzentren ist die Tendenz eher umgekehrt. Unternehmen suchen die Innenstädte, insbesondere die Bahnhofsnähe. Grössere verfügbare Flächen sind dort beispielsweise in Winterthur, Zug oder Schaffhausen knapp. Die Mittelzentren sind durchaus attraktiv für Unternehmensansiedlungen.

Herr Stocker, besten Dank für das Interview.

Zur Person:
–    Daniel Stocker
–    Wohnhaft in Zug, 31 Jahre alt
–    Diplomierter Geograph Universität Zürich
–    Bei Colliers seit 2004
–    Mittlerweile Leiter Research & Market Analysis sowie Projektleiter des Büromarktberichts Schweiz

Zum Unternehmen:
Unter dem Dach von Colliers International (Schweiz) AG sind zwei Immobilien-Dienstleistungsfirmen zusammengeschlossen: Colliers International Zürich und Colliers International Genève. Weltweit bietet der Verbund Colliers International mit 15’000 Mitarbeitern Präsenz in über 480 Büros und mehr als 61 Ländern. Colliers kooperiert rund um den Globus mit unabhängigen Mitgliedern, den Colliers International Property Consultants.

Symbolbild KF für CEO Interviews

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