Eelco Spoelder, CEO Autoneum, im Interview

Eelco Spoelder, CEO Autoneum, im Interview
Autoneum-CEO Eelco Spoelder. (Bild: Autoneum)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Spoelder, nach aktuellem Stand der Dinge verhängen die USA Zölle in der Höhe von 39 Prozent gegen die Schweiz. Wie haben Sie den «Zollhammer» am 1. August aufgenommen?

Eelco Spoelder: Autoneum ist von den jüngsten US-Zöllen nicht direkt betroffen, da wir keine Produkte aus der Schweiz in die USA exportieren. Rund 25 % unseres Umsatzes erzielen wir in den USA – und zwar durch Produktion in unseren eigenen Werken vor Ort. Unsere „Local-for-Local“-Strategie, also die Fertigung direkt im Markt für unsere Kunden dort, minimiert das grenzüberschreitende Risiko erheblich. Unsere Standorte in elf US-Bundesstaaten sowie unsere Entwicklungszentren ermöglichen es uns, flexibel und kundennah zu agieren – ein klarer Wettbewerbsvorteil in einem zunehmend fragmentierten Markt.

Über 90 % unserer Produkte werden ab Werk verkauft, sodass eventuelle Transport- oder Zollkosten von den Kunden getragen werden. Für Autoneum entstehen dadurch keine direkten finanziellen Auswirkungen. Wir sind gut aufgestellt, unsere lokale Produktionsstrategie macht uns widerstandsfähig – selbst in einem von Handelsbarrieren geprägten Umfeld.

Gibt es Pläne für eine Erweiterung oder Verlagerung? Wie reagiert Autoneum generell auf die protektionistischen Tendenzen in den USA?

Aktuell gibt es keine konkreten Pläne für grössere Verlagerungen oder Restrukturierungen. Wir setzen auf eine smarte Konsolidierung unseres Footprints, insbesondere in Europa und Nordamerika. Unsere Antwort auf Handelsbarrieren ist strategisch: lokale Präsenz, operative Exzellenz und enge Kundenbeziehungen. Sollte sich die Lage verschärfen, sind wir vorbereitet, flexibel zu reagieren.

«Unsere Antwort auf Handelsbarrieren ist strategisch: lokale Präsenz, operative Exzellenz und enge Kundenbeziehungen. Sollte sich die Lage verschärfen, sind wir vorbereitet, flexibel zu reagieren.»
Eelco Spoelder, CEO Autoneum, im Interview

Der Umsatz von Autoneum sank in den ersten sechs Monaten um 3,4 Prozent auf 1,17 Milliarden Franken, ohne negative Währungseffekte resultierte ein Wachstum von 0,6 Prozent. Der operative Gewinn (EBIT) ging um knapp 6 Prozent zurück, der Reingewinn stieg hingegen um 12,7 Prozent auf 40,7 Millionen Franken. In welchem Marktumfeld kam das Ergebnis zustande?

Das erste Halbjahr war geprägt von geopolitischen Unsicherheiten, schwankenden Märkten und einem herausfordernden Währungsumfeld. Dennoch konnten wir dank unserer strategischen Ausrichtung und operativen Disziplin ein solides Ergebnis erzielen. Besonders positiv wirkten sich die Akquisitionen in China sowie Effizienzverbesserungs-Massnahmen in Nordamerika aus. Der gestiegene Reingewinn unterstreicht unsere finanzielle Robustheit und unsere Fähigkeit, auch in einem schwierigen Umfeld Wert zu schaffen.

Marktschwankungen, geopolitische Unsicherheiten, volatile Lieferketten – wie gelingt es, einerseits zeitnah, andererseits mit strategischen Anpassungen zu reagieren? Gibt es mittlerweile eine gewisse Routine im Umgang mit Krisen?

Unsere Organisation ist darauf ausgelegt, flexibel und schnell auf Veränderungen zu reagieren. Kurzfristig passen wir unsere Kostenstrukturen an, langfristig optimieren wir unsere Produktionsstandorte und investieren gezielt in Innovation und Nachhaltigkeit. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben unsere Resilienz gestärkt – wir haben gelernt, Chancen in der Krise zu erkennen und zu nutzen. Unsere EBIT-Marge von 5,3% und der free cashflow von CHF 48,4 Millionen (exkl. M&A-Effekte) im ersten Halbjahr zeigen, dass wir auch unter Druck solide wirtschaften.

«Die Erfahrungen der letzten Jahre haben unsere Resilienz gestärkt – wir haben gelernt, Chancen in der Krise zu erkennen und zu nutzen.»

China ist der grösste Automobilmarkt der Welt, auch beflügelt durch die Elektromobilität. Im Mai hat Autoneum die Übernahme des chinesischen Zulieferers Chengdu FAW-Sihuan angekündigt. Welche Möglichkeiten eröffnen sich Autoneum mit der Akquisition?

Mit Chengdu FAW-Sihuan stärken wir nochmals unsere Position im chinesischen Markt. Das Unternehmen verfügt über starke Kundenbeziehungen zu führenden OEMs wie FAW-VW und Geely. Die Akquisition ermöglicht uns, näher am Kunden zu agieren und unsere Innovationskraft lokal zu entfalten – ein wichtiger Schritt zur Erreichung unseres Ziels, mittelfristig 20% des Konzernumsatzes in Asien zu generieren.

Es handelte sich bereits um die zweite Akquisition in China in den letzten Monaten. Wie wichtig sind die beiden Übernahmen, um sich weniger abhängig von westlichen Automärkten zu machen?

Die Übernahme der Jiangsu Huanyu Group sowie die geplante Integration von Chengdu FAW-Sihuan sind zentrale Bausteine unserer «Level Up»-Strategie. Sie eröffnen uns einerseits Zugang zu den wachstumsstarken chinesischen OEMs und stärken unsere lokale Produktions- und Entwicklungsbasis. Die Integration verläuft planmässig und zeigt bereits erste Synergien.

Mit dem erweiterten Zugang zu chinesischen OEMs erschliessen wir nicht nur zusätzliche Wachstumsmöglichkeiten in China, sondern auch international – denn viele dieser Hersteller expandieren zunehmend in globale Märkte. Damit reduzieren wir unsere Abhängigkeit von westlichen Märkten und stärken unsere weltweite Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig.

Chinesische Automobilhersteller haben einen starken Fokus auf E-Mobilität und Digitalisierung. Welche Auswirkungen hat das auf Ihr Geschäft?

Die Innovationsgeschwindigkeit chinesischer OEMs ist beeindruckend – neue Modelle, digitale Funktionen und E-Mobilität setzen neue Standards. Für Autoneum bedeutet das: Wir müssen nicht nur schneller, flexibler und noch kundenorientierter agieren, sondern den Markt auch deutlich vorausschauender verstehen. Es geht zunehmend darum, Kundenbedarfe frühzeitig zu antizipieren – oder sogar zu «erahnen» – und entsprechende Lösungen proaktiv zu entwickeln.

Unsere neuen Produkte wie der Impact Protection Plate oder der E-Fiber Flame Shield sind gezielt auf die Anforderungen von Elektrofahrzeugen ausgerichtet und zeigen, dass wir technologisch vorne mitspielen. Zudem investieren wir in lokale F&E-Zentren, um die spezifischen Anforderungen chinesischer Kunden besser und frühzeitiger bedienen zu können.

«Mit dem erweiterten Zugang zu chinesischen OEMs erschliessen wir nicht nur zusätzliche Wachstumsmöglichkeiten in China, sondern auch international – denn viele dieser Hersteller expandieren zunehmend in globale Märkte.»

Europa ist mit einem Marktanteil von knapp 48 Prozent die wichtigste Konzernregion von Autoneum. Bereinigt um die negativen Währungseffekte resultierte im ersten Semester ein Minus von 7,7 Prozent. Wie reagieren Sie darauf?

Europa bleibt für uns ein Schlüsselmarkt, auch wenn die aktuellen Rahmenbedingungen herausfordernd sind. Wir reagieren mit strukturellen Anpassungen, gezieltem Kostenmanagement und einer Optimierung unseres Produktions-Footprints. Gleichzeitig investieren wir in nachhaltige Produkte und Innovationen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern. Unsere EBIT-Marge in Europa von 4,3% zeigt, dass wir auch unter Druck stabil wirtschaften.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert