Fernando Lehner, CEO BVZ Holding, im Interview

Fernando Lehner, CEO BVZ Holding, im Interview
Fernando Lehner, CEO BVZ Holding. (Foto: zvg)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Lehner, Immobilien sind noch ein kleiner Ertragspfeiler der BVZ Holding. Wird sich das nun dramatisch ändern?

Fernando Lehner: Sie spielen auf das neue Bahnhofgebäude «Central» in Andermatt an. Hier haben wir gerne gemeinsam mit unseren beteiligten Partnern, der Andermatt Swiss Alps und der Schmid-Immobiliengruppe, eine naheliegende Chance ergriffen. Der Bahnhof war ohnehin sanierungsbedürftig und Andermatt hat sich in den vergangenen Jahren zu einer Top-Tourismusdestination entwickelt.

Mit vorhersehbaren Folgen?

Mit der Entwicklung geht ein wachsender Bedarf nach Büroräumen, kommerziell nutzbaren Flächen und Wohnraum einher. Diese Gelegenheit haben wir genutzt und die erforderlichen betrieblichen Anpassungen mit der Nachfrage nach Geschäftslokalen und Wohnungen kombiniert. Insofern handelt es sich eher um eine sinnvolle Erweiterung unseres Immobilienportfolios als um eine sprunghafte Veränderung oder gar eine Neuausrichtung unseres Geschäftsmodells. Unser Kerngeschäft ist und bleibt aber die Erbringung von touristisch geprägten Bahndienstleistungen.

«Die Lage des «Andermatt Central» ist natürlich ein hervorragendes Vermarktungsargument.»
Fernando Lehner, CEO BVZ Holding

Am Bahnhof Andermatt werden dann im Sommer 2020 58 Wohnungen fertiggestellt sein, mit einer im jetzigen Umfeld sehr guten Bruttomietrendite von 4,7 Prozent. Ist die unmittelbare Nähe zum Chedi Andermatt ein Grund für die erwartete hohe Rendite?

Die Lage des «Andermatt Central» ist natürlich ein hervorragendes Vermarktungsargument. Das Gebäude ist direkt an den Bahnhof angeschlossen, liegt zentral und bildet das Bindeglied zwischen dem alten Dorf und neu entstanden Dorfteil Reuss. Das Wohnangebot reicht vom Studio bis zur Viereinhalb-Zimmerwohnung. Mit einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis für die topmodernen Wohneinheiten wollen wir in erster Linie Einheimische und Angestellte ansprechen.

Mit welchem Erfolg?

Bis heute konnten bereits fast 40 Prozent der Wohnungen vermietet werden. Das «Andermatt Central» wird nach der Fertigstellung auf 3’100 Quadratmetern Platz für Büros, kommerzielle Flächen und Wohnraum bieten. Und natürlich versprechen unsere Partner und wir uns davon auch eine gute Rendite. Mit der geplanten Bruttorendite von 4.7 Prozent glauben wir, realistisch geplant zu haben.

Das Immobiliengeschäft ist in der BVZ Asset Management AG, einem von 10 BVZ Holding Tochterunternehmen, zusammengefasst. Lässt der Name vermuten, dass eines Tages vielleicht auch andere Assets ausser Immobilien und Infrastrukturanlagen hinzukommen könnten?

Die Immobilien sind und bleiben eines unser vier strategischen Geschäftsfelder. Wir sehen sie als zusätzliche Absicherung und weiteres Standbein zum doch recht volatilen touristischen Umfeld, in dem wir uns vorwiegend bewegen. In Andermatt hat sich die Möglichkeit geboten, einen nächsten Schritt zu machen. Damit folgen wir unserer Strategie, Optionen zu nutzen, die sich entlang unseres Streckennetzes ergeben. Eine Erweiterung des Portfolios auf Bereiche ausserhalb von Immobilien und betriebsnotwendigen Gebäuden ist nicht angedacht.

«Die Immobilien sind und bleiben eines unser vier strategischen Geschäftsfelder.»

Im ersten Halbjahr 2019 lag die Zahl der Reisenden am Gornergrat bei fast einer Million. Wie bewältigt man und vor allem der Berg das?

In der Tat dürfen wir uns am Gornergrat über stetig wachsende Gästezahlen und Erträge freuen. Folglich gibt es tatsächlich einzelne Tage, an denen der Gornergrat und die Bahn sehr gut gefüllt sind. Wir sind jedoch noch weit von Situationen entfernt wie der mancherorts bereits intensiv diskutierte «Overtourism». Uns hilft dabei sicher, dass der Gornergrat nicht nur ein Aussichtsberg, sondern ein begehbarer Ausflugsberg ist. Die Besucher können sich sowohl am Gipfel frei bewegen, aber auch kurze oder längere Wanderungen machen, beispielsweise von oder zu einer der unterhalb gelegenen Stationen Rotenboden oder Riffelberg. Dadurch verteilen sich die Gäste auch in der Hochsaison sehr gut. Dennoch werden wir die Entwicklung sehr genau beobachten. Schliesslich lebt der Gornergrat von der Positionierung als «naturnaher Erlebnisberg». Das wollen wir nicht gefährden.

Die dort zum Einsatz kommenden neuen Doppeltriebwagen von Stadler Rail wurden von Pininfarina designt. Ist das wichtig?

Wir haben fünf neue Doppeltriebwagen mit einem Auftragsvolumen von CHF 45 Millionen bestellt. In erster Linie haben sie den Zweck, ältere Fahrzeuge zu ersetzen, beziehungsweise zu ergänzen und den Kundenkomfort zu erhöhen. Dazu werden sie über Niederflureinstiege für ein einfacheres Ein- und Aussteigen, ein zeitgemässes Kundeninformationssystem und mehr Stauraum für Wintersportausrüstungen und Fahrräder verfügen. Zudem können sie schneller fahren und sind laufruhiger. Bei alldem spielt das Design natürlich eine entscheidende Rolle. Da darüber sowohl die Aussenansicht als auch die Gestaltung und Einrichtung des Innenbereichs definiert wird. Mit Pininfarina haben wir dafür ein international renommiertes Designstudio an Bord geholt, die ihren Auftrag sehr professionell und gleichwohl kreativ erledigen.

Mittels der Rekuperationsbremse lässt sich bei den neuen Zügen die Bewegungsenergie in elektrische Energie umwandeln. Mit der Energierückgewinnung von drei Talfahrten können dann bis zu zwei bergwärts fahrende Züge gespeist werden. Gibt es sonst noch technische „Schmankerln“ beim doch sehr umfangreichen Rollmaterial der BVZ Holding?

Von Dieselloks aus den 60iger-Jahren bis zu den Komet-Triebzügen der jüngsten Generation mit einem hohen Automatisierungsgrad haben wir fast alles in unserem Fuhrpark, weshalb dieser an sich schon sehr interessant ist. Schon in Kürze wollen wir die nächste Bestellung für den regionalen Personenverkehr auslösen. Diese umfasst in der ersten Tranche 12 dreiteilige Triebzüge mit einem Auftragsvolumen von rund CHF 150 Millionen. Die Planung sieht eine weitere Bestellung von insgesamt 27 Zügen für über CHF 300 Millionen vor. Das wäre die grösste Rollmaterialbeschaffung in unserer Geschichte. Die ersten Züge wollen wir 2023 auf der Schiene haben. Die werden dann nochmal auf einem ganz anderen technischen Niveau und natürlich auch viel energieeffizienter unterwegs sein, beispielsweise durch den Einsatz von besonders effizienten Traktionskomponenten oder ölfreien Trockentransformatoren mit niedrigerem Energieverbrauch. Auf technischer Seite sicher auch noch erwähnenswert bei den neuen Zügen ist die ganzheitliche Kameraüberwachung mit Rückfahrkamera und der Überwachung der Einstiegsbereiche für eine erhöhte Sicherheit oder auch das neuartige Fahrgastzählsystem.

Die Gornergratbahn ist voll im Besitz der BVZ Holding. Die Matterhorn Gotthard Bahn, die Zermatt Bergbahnen AG und der Glacier Express nur zum Teil. Sind die prozentualen Anteile in Stein gemeisselt?

Die Beteiligungen sind ebenso wie die Immobilien eines der vier strategischen Geschäftsfelder der BVZ Gruppe. Ebenso wie diese bilden sie eine sinnvolle Ergänzung und Absicherung des Kerngeschäftes. Darüber hinaus können wir durch die signifikanten Anteile am Matterhorn Terminal Täsch und an den Zermatter Bergbahnen einen gewissen Einfluss auf die strategische Ausrichtung und Entscheidungen von für uns besonders wichtigen Partner nehmen. Eine substanzielle Veränderung der Anteile ist nicht geplant. Etwas anders ist der Glacier Express. Hierbei handelt es sich um ein international bekanntes Topprodukt zweier gleichberechtigter Partner, die jeweils zu gleichen Teilen daran beteiligt sind. Dieses Model zusammen mit der Rhätischen Bahn hat sich bewährt und wird auch zukünftig so weitergeführt.

Der Regionalverkehr steuert rund die Hälfte am Personenverkehrsumsatz Ihrer Unternehmensgruppe bei. Als Folge der Eröffnung des Lötschberg-Basistunnels konnte dieser um fast ein Drittel gesteigert werden. Wo sehen Sie kurzfristig beim Personenverkehr den nächsten Nachfrageschub?

Eigentlich sehen wir auf allen Streckenabschnitten Zuwächse. Dies spiegelt die allgemeinen Trends im öffentlichen Verkehr und im Tourismussektor wider, von denen wir natürlich ebenfalls profitieren. Stand heute sieht es aus, als ob diese Entwicklung auch in Zukunft so weitergeht. Wir versuchen uns darauf vorzubereiten, indem wir eine bestmögliche Verfügbarkeit der Züge sicherstellen und mit der Bestellung der neuen Züge eine noch höhere Zuverlässigkeit erreichen wollen.

Der frisch eröffnete ÖV-Hub in Fiesch ist für einmal ein Paradebeispiel gelungener Private-Public-Partnership. Was braucht es zum Gelingen eines PPP-Projekts, gute Vermittlung und volle Transparenz bei der Finanzierung?

Bei uns in der Gruppe braucht es vor allem ein Verständnis vom Zusammenwirken der privatwirtschaftlichen und öffentlichen Teile. Am Ende profitieren alle Seiten davon: Der privatwirtschaftliche Sektor, indem die öV-Anbindung als Zubringer für Gornergrat Bahn und Glacier Express wirkt und unsere Zugbegleiter auf der MGBahn aktiv die touristischen Produkte bewerben können. Der Service Public-Bereich und damit letztendlich die öffentliche Hand ziehen ihren Nutzen aus einem stark ausgeprägten privatwirtschaftlichen Denken bei unseren Entscheiden und Handlungen. Und beide Seiten von Synergien bei Personal-, Sachmittel- und Finanzressourceneinsatz. Natürlich spielt die Transparenz bei Kostenzuordnung und Finanzierung auch eine grosse Rolle, insbesondere hinsichtlich der Akzeptanz auf allen Seiten. Diese Offenheit und Klarheit haben uns die Eidgenössische Finanzkontrolle zuletzt 2016 bei einer eingehenden Überprüfung bestätigt. Und selbstverständlich lässt sich dieses Modell dann auch auf Gemeinschaftsprojekte mit Partnern aus dem öffentlichen und privaten Sektor übertragen. Das neue öV-Drehkreuz in Fiesch dient sicherlich als gutes Beispiel.

Mit knapp über 30 Millionen Franken sind die Abgeltungen der öffentlichen Hand Ihr stabilster Ertragsposten. Wird sich an dieser Zahl mittelfristig etwas ändern? Das Netz verbessert sich ja stetig.

Hier spielt das Finanzierungsmodell im Service Public-Bereich die entscheidende Rolle. Die öffentliche Hand – in unserem Fall die Bestellerkantone Graubünden, Uri und Wallis sowie das Bundesamt für Verkehr – beauftragen uns mit dem Anschluss der Regionen Surselva, Urserental, Goms und Mattertal an das öV-Netz. Wir wiederum unterbreiten daraufhin ein Angebot, welches auf denen Erfahrungen und Erwartungen bei der Nachfrage basiert. Gleichzeitig weisen wir die bei uns dafür anfallenden Kosten auf und stellen diesen die zu erwartenden Einnahmen gegenüber. Das ist der so genannte Deckungsbeitrag.

«Auf der Strecke Brig-Visp-Zermatt lag unser eigener Deckungsbeitrag im vergangenen Jahr erstmalig nahe 100 Prozent.»

Aber bei der bei der überwiegenden Mehrheit der Strecken im öV weist dieser Abgleich doch eine Unterdeckung auf?

Das stimmt. Diese Unterdeckung wird durch die öffentliche Hand in Form von Abgeltungen ausgeglichen. Wir können erfreulicherweise einen im Vergleich recht hohen Deckungsbeitrag ausweisen. Auf der Strecke Brig-Visp-Zermatt lag dieser im vergangenen Jahr erstmalig sogar nahe 100 Prozent. Darauf können wir stolz sein. Hier kommt erneut das schon erwähnte privatwirtschaftliche Denken und Handeln zum Tragen. Vor diesem Hintergrund konnten wir den Abgeltungsbetrag in den vergangenen Jahren mit leichten Abweichungen nach unten und oben recht stabil halten und gehen davon aus, dass dies weitestgehend so bleibt. Wenn die Auftraggeber ein Angebotsausbau wünschen, kommt die gleiche Mischkalkulation zur Anwendung, was dann zumeist mit einem höheren Abgeltungsbeitrag einhergeht.

Satt und stabil liegt auch der Eigenfinanzierungsgrad – und zwar bei 100%. Ist das Absicht?

Der Eigenfinanzierungsgrad der Einzelgesellschaft BVZ Holding AG liegt mit rund 100% sehr hoch. Für die richtige Interpretation der Selbstfinanzierung ist auch der konsolidierte Eigenfinanzierungsgrad der BVZ Gruppe zu betrachten. Dieser beinhaltet die Fremdfinanzierungen der Tochtergesellschaften und betrug im Halbjahr 2019 46.5%. Das Fremdkapital bezieht sich hauptsächlich auf die öffentlichen Unternehmensteile und ist vollumfänglich durch eine Solidarbürgschaft des Bundes abgesichert. Die privaten Unternehmensteile der BVZ Gruppe weisen damit eine sehr hohe Selbstfinanzierung und damit eine einwandfreie Bonität aus.

Werden die Rollenden «Aussichten» – Kunstausstellungen im Zug bei der Matterhorn Gotthard Bahn – auch in diesem oder im nächsten Jahr eine Fortsetzung finden?

Die «rollenden Aussichten» waren ein sehr schönes Projekt, was wir mit Künstlern hier in der Region realisieren durften. Derzeit gibt es keine konkreten Planungen, das im gleichen Stil fortzusetzen. Aber wir sind immer offen für solche Ideen, sofern sie zu uns passen und deren Umsetzung im vertretbaren Rahmen möglich ist. Das erhöht ja auch die Attraktivität der Marke, stärkt unser Image und führt zu einer noch grösseren Akzeptanz in der Region. Wir hatten Ende 2018 auch eine Modenschau einer lokalen Boutique in unseren Werkstätten. Das war eine ganz spezielle Kulisse für eine solche Veranstaltung.

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