Gert De Winter, CEO der Baloise Group, im Interview

Gert De Winter, CEO der Baloise Group, im Interview
Baloise-CEO Gert De Winter. (Foto: Baloise)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr De Winter, das Geschäft mit Lebensversicherungen hielt sich im letzten Geschäftsjahr vergleichsweise wacker. Kommt jetzt durch die Zinswende Leben ins Lebensgeschäft?

Gert De Winter: Wir rechnen kurzfristig nicht mit einer starken Erhöhung der Zinsen. Allerdings haben Sie natürlich recht, von einer Zinswende wird das Lebengeschäft der Baloise profitieren. Auch wenn die Zinssituation sich mittel- bis langfristig erholen könnte, arbeiten wir dennoch an der Umschichtung im Businessmix im Lebengeschäft.

Das heisst?

Das bedeutet weniger kapitalintensive traditionelle Lebensversicherungen, zum Beispiel Vollversicherungslösungen in der Pensionskasse, und mehr sogenannte moderne Lebensversicherungen mit weniger oder keinen Zinsgarantien. Der Kunde partizipiert dafür umfänglicher an der Performance der angelegten Gelder. Unsere Aktionäre profitieren von dieser Umschichtung, weil dadurch die Ertragskraft des Lebengeschäfts stabilisiert und die Ausschüttungsfähigkeit erhöht wird. Diese neuen Dienstleistungen sind im garstigen Zinsumfeld beliebt. Unsere teilautonome Sammelstiftung «Perspectiva» verzeichnete 2016 ein Wachstum von 180%.

Mit Ausnahme eines Ausreissers im 2013 konnte die Baloise in den letzten vier Jahren die Schaden/Kosten-Quote Schritt für Schritt bis auf beachtliche 92,2 Prozent senken. Sind Sie, wenn das so weitergeht, unter 90%?

Das Zielband für die strategische Periode bis 2021 liegt für die Combined Ratio zwischen 90% und 95%. Natürlich arbeiten wir weiter daran, eine der profitabelsten Versicherungen im Nichtlebengeschäft in Europa zu bleiben. Dank unseres Zielkundenmanagements, den Verbesserungen im Nichtlebenportfolio unserer Deutschen Einheit und den permanenten, konsequent umgesetzten Geschäftsoptimierungsmassnahmen, wie der Implementierung neuer digitaler Technologien, sind wir überzeugt, in normalen Schadenjahren im unteren Drittel des Zielbandes zu liegen.

In der Schweiz liegen Sie aber bei rekordverdächtigen 81,2 Prozent…

Das ist korrekt. 2016 war für das Schweizer Nichtlebengeschäft ein sehr gutes Jahr. Die gute Combined Ratio ist – neben dem erwähnten erfolgreichen Zielkundenmanagement – beeinflusst durch die tiefe Belastung an Elementarschäden sowie Abwicklungsgewinnen. Beide Faktoren variieren von Jahr zu Jahr.

«In Deutschland ziehen wir uns aus Geschäft zurück, das für uns nicht mehr lukrativ beziehungsweise zu risikoreich ist und konzentrieren uns auf Retail- sowie KMU Kunden, die eher unserem Risikoprofil entsprechen.»
Gert De Winter, CEO Baloise

In Deutschland hingegen sind es 109,7%. Wieso liegen dazwischen Welten? Warum ist in Deutschland auch der Schadensatz im Vergleich zu Belgien, Luxemburg und der Schweiz am höchsten?

In Deutschland befinden wir uns am Turnaround. Die hohe Combined Ratio ist vor allem auf zwei Faktoren zurückzuführen: Einerseits haben wir im Nichtlebengeschäft die Reserven im Umfang von brutto 55 Millionen CHF gestärkt. Diese Reserveverstärkung ist einmalig, macht die Basler Deutschland resistenter und stellt sie auf gesündere Beine. Zweitens hatten wir einige Gross- und Elementarschäden, die das Ergebnis belasteten.

Ausserdem überarbeiten wir zurzeit die Zusammensetzung unseres Nichtlebenportfolios. Wir ziehen uns aus Geschäft zurück, das für uns nicht mehr lukrativ beziehungsweise zu risikoreich ist und konzentrieren uns auf Retail- sowie KMU Kunden, die eher unserem Risikoprofil entsprechen. Mit der Nachreservierung sowie der laufenden Portfoliooptimierung zielen wir in Deutschland für das Geschäftsjahr 2017 auf eine Combined Ratio von unter 100% und somit eine Annäherung an das Niveau der Gruppe.

Welches werden die Eckpfeiler der Restrukturierung des deutschen Nicht-Leben-Geschäfts?

Die Restrukturierungen in Deutschland haben ihren Wendepunkt erreicht und sind somit schon weit fortgeschritten. Wir haben in den letzten Jahren harte Arbeit in Deutschland geleistet, mehrere Gesellschaften entflechtet und zusammengeführt. Und wir haben deutlich über 300 Stellen abgebaut. Diese Prozesse brauchten ihre Zeit, eine wichtige Etappe ist aber erreicht. In den kommenden Jahren werden wir unsere Energie somit nicht mehr für die Restrukturierung verwenden, sondern uns auf die erwähnten Felder konzentrieren, in denen wir stark und profitabel wachsen wollen. Ein Schritt dazu ist zum Beispiel der Ausbau unserer Vertriebskraft, welchen wir zurzeit vorantreiben. Aber auch Investitionen in Produkte und Infrastruktur, mit denen wir bei unseren Kunden und Partnern einen möglichst hohen Zufriedenheitsfaktor erzielen können.

Letztens mussten Sie ein Drittel weniger Ertragssteuern zahlen. Auf welchen Kniff ist dies zurückzuführen?

Der Rückgang ist hauptsächlich auf die nicht zu entrichtenden Ertragssteuern in Deutschland aufgrund des Verlusts, sowie einer Anpassung in der Struktur in der Rückversicherung zurückzuführen.

«Dank Investitionen in ertragsstabile Assets wie beispielsweise langlaufende Anleihen, Dividendentitel und Renditeliegenschaften wird die Anlagerendite mittel- bis langfristig auf einem ansprechenden Niveau verbleiben, auch wenn das Tiefzinsumfeld an den laufenden Erträgen nagt.» 

Im hauseigenen Anlageportfolio wurde die Duration Ihres Obligationenportfolios erhöht. Macht Sie das nicht anfällig, wenn die Anleiherenditen weiter steigen?

Die Erhöhung der Duration haben wir vor allem in den Lebenportfolien vorgenommen, wo wir unsere Anlagen unter Asset Liablility-Management-Aspekten verwalten. Die Erhöhung ist auf die erneut tieferen Zinsen zurückzuführen. Diese Erhöhung macht uns tatsächlich anfälliger für einen Anstieg. Aus Asset Liability Management-Sicht ist sie aber sinnvoll. Grundsätzlich begrüssen wir aber höhere Anleiherenditen, da sie die Wiederanlage vereinfachen würde.

Die gesamte Anlagerendite Ihres Portfolios liegt bei 2,9%. Das ist gut, wenn man bedenkt, wie konservativ das Baloise-Portfolio strukturiert ist. Mit welcher Rendite rechnen Sie in Zukunft?

Ja, als Versicherer haben wir ein eher konservatives und auf Langfristigkeit ausgelegtes Portfolio. Wir versuchen, die Anlagerendite auf dem in diesem schwierigen Umfeld ansprechenden Niveau berechenbar zu halten. Dank Investitionen in ertragsstabile Assets wie beispielsweise langlaufende Anleihen, Dividendentitel und Renditeliegenschaften wird die Anlagerendite mittel- bis langfristig auf einem ansprechenden Niveau verbleiben, auch wenn das Tiefzinsumfeld an den laufenden Erträgen nagt. Als flankierende Massnahmen kommen noch Investments in US-Dollar wie sogenannte Senior Secured Loans hinzu. Mit dieser Anlagestrategie sind wir in den letzten Jahren erfolgreich dem Tiefzinsumfeld begegnet.

Der Gesetzgeber liesse doch bei Ihnen problemlos eine höhere Quote an alternativen Anlagen zu?

In der Tat lässt der Gesetzgeber in der Schweiz neu bis zu 15% Anlagen in Alternative Anlagen zu. In unserem Schweizer Nichtlebengeschäft halten wir rund 11% in Alternativen Anlagen (Private Equity, Hedge Funds, Senior Secured Loans), im Lebengeschäft ist die Quote tiefer bei rund 6%. Eine weitere Erhöhung ist aus Solvenzbetrachtungen heraus, insbesondere im Lebengeschäft, für uns als Versicherung nicht sinnvoll.

Ihre Banking-Aktivitäten, Baloise Asset Management und die Baloise Bank SoBa trugen beide ungefähr gleichermassen je gut 40 Millionen Franken zum Bruttogewinn bei. Bei der SoBa aber dank einer Pensionsplanänderung. Was bedeutet das für die Bankmitarbeiter?

Aufgrund der tiefen Zinsen musste bei der Pensionskasse der Basler Versicherung und Baloise Bank SoBa der Umwandlungssatz gesenkt werden. Aufgrund unserer verwendeten Rechnungslegung (IAS 19) hatte diese Anpassung den von Ihnen angesprochenen Effekt zur Folge. Es wird für die Rentenverpflichtungen weniger Kapital gebunden. Allerdings ist dieser Effekt rein buchhalterischer Natur. Ziehen die Zinsen wieder an und wird deshalb der Umwandlungssatz wieder angehoben, würde entsprechend ein Aufwand im Ergebnis der SoBa entstehen und somit eine Belastung.

«Mit dem Wachstum in Luxemburg bin ich generell sehr zufrieden.»

In Luxemburg verzeichneten Sie vor allem bei Risikoprodukten für den Todesfall sehr starkes Wachstum. Wieso?

Wir haben in Luxemburg unsere Vertriebsstruktur gestärkt und sind Partnerschaften eingegangen, die den Verkauf dieses Produktes vorangetrieben haben. Mit dem Wachstum in Luxemburg bin ich generell sehr zufrieden. Im Nichtlebengeschäft sind wir zum Beispiel über 7% gewachsen, vor allem im lukrativen Markt mit Motorfahrzeugversicherungen. Die Baloise in Luxemburg geht das Thema Versicherung von Kraftfahrzeugen auf eine innovative Art und Weise an. Mit dem Fahrverhalten-Analyse-App «Game of Roads» haben wir uns bei Junglenkern einen Namen gemacht. Vor kurzem haben wir mit «GoodDrive» die erste «connected car» Versicherung von Luxemburg lanciert, basierend auf den Daten, die wir über die App gewinnen konnten. GoodDrive richtet sich an junge Fahrer. Je vernünftiger der Junglenker fährt, desto tiefer ist die Prämie, die er oder sie zahlen muss. Der Preisnachlass kann durch vorsichtiges Fahren bis zu 30% betragen. Ein schönes Beispiel, wie neue, digitale Technologien in der Versicherungsbranche zum Nutzen aller eingesetzt werden können.

Zur Person:
Gert De Winter (1966, BE, MSc) studierte angewandte Wirtschaftswissenschaften an der Universität Antwerpen. Von 1988 bis 2004 hatte er bei Accenture, Brüssel, verschiedene Funktionen für Fragen zu IT- und Geschäftstransformationsmanagement im Finanzsektor inne. 2000 wurde er Partner. 2005 trat er als Chief Information Officer (CIO) und Leiter HR der Mercator Versicherungen, Belgien, in die Baloise Group ein. Von 2009 bis 2015 hatte Gert De Winter als Chief Executive Officer die Leitung der Baloise Insurance inne, die 2011 aus der Zusammenführung der drei Versicherungen Mercator, Nateus und Avéro hervorgegangen ist. Seit dem 1. Januar 2016 ist Gert De Winter Vorsitzender der Konzernleitung (Group Chief Executive Officer). Seit Juni 2016 ist er Vorstandsmitglied der Handelskammer beider Basel.

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