Ingo Steinkrüger, CEO Interroll, im Interview

Ingo Steinkrüger, CEO Interroll, im Interview
Ingo Steinkrüger, CEO Interroll. (Foto: Interroll)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Steinkrüger, trotz hervorragender Zahlen fürs H1 2021 hatte die Analystenschar mehr erwartet. Wie betreiben Sie «Expectation Management»?

Ingo Steinkrüger: Wir betreiben traditionell kein Erwartungsmanagement und geben auch keine Guidance. Detaillierte Prognosen sind die Sache der Analysten. Wir versuchen stets ein möglichst realistisches Bild unserer Leistungen und der Faktoren, die unseren künftigen Geschäftsverlauf beeinflussen könnten, abzugeben. Gerade seit der Corona-Pandemie sind marktseitige Effekte allerdings auch etwas schwieriger einzuschätzen – sowohl für uns als auch die Analysten.

Diese streiten sich darüber, in welchem zweistelligen Bereich Ihre EBIT-Marge zu liegen kommt. Wo sehen Sie diese langfristig?

Wir arbeiten natürlich stets daran, produktiver zu werden und so die EBIT-Marge stetig zu verbessern. Aber auch externe Faktoren wie Preisentwicklungen auf den Rohstoffmärkten haben einen Einfluss. Wir sehen hier durchaus langfristiges Potenzial, auch das starke erste Halbjahr 2021 noch zu übertreffen. Unser langfristig angelegter Ausbau der Service-Aktivitäten, welche wir als margenstark einschätzen, wird hierzu einen positiven Beitrag leisten können. Kurzfristig allerdings sind wir eher vorsichtig: Derzeit gibt es im Beschaffungsmarkt zum Teil unübersichtliche Preisentwicklungen, beispielsweise bei Halbleitern und Stahl, die sich auf die Marge auswirken. Entsprechend haben wir unseren Ausblick zu den Halbjahreszahlen auf «vorsichtig optimistisch» belassen.

«Wir arbeiten natürlich stets daran, produktiver zu werden und so die EBIT-Marge stetig zu verbessern. Aber auch externe Faktoren wie Preisentwicklungen auf den Rohstoffmärkten haben einen Einfluss.»
Ingo Steinkrüger, CEO Interroll

Das Auftragsbuch von Interroll ist einmal mehr voll. Wie stabil ist die Wertschöpfungskette?

Dass unsere Technologieplattform im Markt so stark nachgefragt wird, unterstreicht den Erfolg unseres Geschäftsmodells als Hersteller von modularen, skalierbaren und flexiblen Lösungen für den Materialfluss. Unsere Lieferkette ist einigermassen stabil. Allerdings sind einige Komponenten, wie beispielsweise Halbleiter für die Fertigung, derzeit deutlich schwieriger zu beschaffen und werden dies für einige Zeit auch bleiben. Davon betroffen sind ganze Industriezweige, wie etwa die Automobilbranche und der Maschinen- und Anlagenbau.

Wir haben hier grösstenteils auch unter erschwerten Umständen gute Lösungen für unsere Kunden erreichen können. Vereinzelt kam es aber auch zu Verzögerungen bei der Auslieferung. Für Stahl und Polymere sehen wir derzeit allerdings durchaus Entspannungstendenzen. Die Wertschöpfungsketten sind aber noch nicht so stabil wie vor der Pandemie.

Beim Auftragseingang haben sich die «Americas» fast verdoppelt. Wieso lief das so extrem?

Zum einen haben wir den Kapazitätsausbau unseres Standorts in Atlanta ja bereits 2020 abgeschlossen. Bei den Sortern gab es eine Verdopplung der Neuaufträge, die auch Aufträge unseres neuen High-Performance Crossbelt Sorters sowie zwei Grossprojekte umfassen. Das Neuauftragsvolumen bei Förderern konnte nach einer schwachen Nachfrage im Vorjahreszeitraum nahezu verdreifacht werden. Alle Produktgruppen verzeichneten Wachstum. Die hervorragende Dynamik hängt einerseits mit unserem innovativen Produktportfolio zusammen, andererseits gibt es, insbesondere in den USA, einen spürbaren Automatisierungsschwung.

In Asien ging lediglich in Thailand die Nachfrage zurück. Das war pandemiebedingt. Besteht diese Gefahr nun in Australien?

Eine geringere Nachfrage kann grundsätzlich überall entstehen, wo härtere Lockdown-Szenarien eingeleitet wurden.

Wieso hat denn der neue Smart Pallet Mover bereits vor seiner jetzigen Markteinführung Preise gewonnen?

Der Interroll Smart Pallet Mover, kurz SPM, steigert signifikant Produktivität und Sicherheit in der Produktionslogistik, indem er die Materialzu- und abführung bei Fertigungsmaschinen auf eine neue Art und Weise automatisiert. Das Design basiert auf einem disruptiv-innovativen Technologiekonzept, das die Funktionen „Tragen“ und „Antreiben“ voneinander trennt. Das ermöglicht einen einfachen modularen mechanischen Aufbau, bei dem Antrieb und Steuerung in einer mobilen Einheit vereint werden, der wiederum den „tragenden“ Förderer steuert und antreibt. Von den Fachleuten wurde dieser Ansatz als hochinnovativ eingestuft. Wir konnten sowohl den IFOY- als auch den Red Dot Design-Award gewinnen. Das System ist übrigens bereits bei Betatestern installiert, die hervorragende Erfahrungen damit gemacht haben.

«Der Smart Pallet Mover eröffnet uns völlig neue Kundensegmente in der Produktionslogistik.»

Welchen Umsatzbeitrag erwarten Sie von dieser Neuigkeit für die kleinste der vier Interroll- Produktgruppen Pallet Handling?

Der Pallet Handling-Markt ist eher konservativ ausgerichtet. Es dauert immer ein wenig, bis eine neue Lösung sich im Markt etabliert. Das sollte man berücksichtigen. Langfristig sehen wir das Potenzial unserer SPM-Lösung im zweistelligen Millionenbereich. Wichtig ist aber auch die strategische Perspektive: Der SPM eröffnet uns völlig neue Kundensegmente in der Produktionslogistik, die wir auch mit weiteren Lösungen bedienen können.

Hat das coronabedingt veränderte Flugverhalten langfristig Auswirkungen auf «Conveyers&Sorters»?

Temporär gab es Verzögerungen bei Investitionsentscheidungen. Mittelfristig dürfte sich der Markt aber stabilisieren. Investitionen in die Flugverkehrsinfrastruktur sind langfristig ausgerichtet.

Zu Jahresbeginn hatte Interroll ja die österreichische Software & Elektronik-Schmiede «Mitmacher» übernommen. Welche neuen Ideen konnte die junge Truppe einbringen?

Der Ausbau unserer Steuerungsfamilie wird durch das neue Center of Excellence forciert. So bieten wir jetzt dank unserer neuen Kollegen etwa eine eigene Sortersteuerung an, welche die Arbeit unserer Kunden deutlich vereinfacht. Der Standort Linz wird eine wichtige Rolle dabei spielen, die Lösungen von Interroll noch smarter zu machen.

«Der Standort Linz wird eine wichtige Rolle dabei spielen, die Lösungen von Interroll noch smarter zu machen.»

Wer hatte denn im Marketing die Idee mit einem LKW auf Roadshow zu gehen, um den Kunden Interroll näher zu bringen?

Die Idee zu einer Roadshow hatte unser Marketing-Vorstand, und sie wurde hochaktuell, als die LogiMAT als wichtige Leitmesse unserer Branche 2020 wegen der Coronapandemie abgesagt werden musste. Als global führender Partner für Materialflusslösungen schätzen wir natürlich den persönlichen Kontakt auf Augenhöhe mit unseren Kunden und Anwendern. Da Messen als Forum dafür auf absehbare Zeit schwer planbar waren und weiterhin sind, haben wir uns für die Flexibilität entschieden, die eine Roadshow bietet. Unsere Partner, Kunden und Gäste sind davon begeistert.

Sie sind jetzt seit fünf Monaten CEO. Gibt es einen Geheimtip, den Ihr langjähriger Vorgänger Paul Zumbühl für Sie eingeflüstert hat?

Herr Zumbühl mit seiner langjährigen und einzigartigen Erfahrung in der Intralogistik und ich mit meiner langjährigen Führungserfahrung und dem Know-how in den Bereichen Automatisierung und Digitalisierung haben gemeinsam neue Geheimtipps kreiert. Ich würde Ihnen gern mehr Details zu diesem hervorragenden Teamwork erzählen, aber dann wären es keine Geheimtipps mehr.

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