Jens Breu, CEO SFS, im Interview

Jens Breu, CEO SFS, im Interview
SFS-CEO Jens Breu. (Foto: SFS)

von Bob Buchheit

Moneycab.com: Herr Breu, SFS hat jetzt beim Umsatz die Dreimilliardengrenze geknackt. Hauptverantwortlich war die 2022 übernommene deutsche Hoffmann. Wo lag innerhalb dieser Gruppengesellschaft der grösste Treibsatz?

Jens Breu: Einerseits verzeichnete die Division Distribution & Logistics International, also Hoffmann, während des ganzen Geschäftsjahrs 2023 anhaltend hohe Auftragsbestände, welche die teilweise nachlassende Nachfrage kompensierten. Andererseits ist die Division gut aufgestellt, um die Bedürfnisse ihrer Kunden hinsichtlich Lieferantenkonsolidierung, Effizienzsteigerungen und Digitalisierung gezielt zu erfüllen. Dazu gehören das umfassende Leistungsangebot, die hohe Produktverfügbarkeit sowie die kurzen Lieferfristen dank der erhöhten Effizienz durch die LogisticCity in Nürnberg, Europas leistungsfähigstem Logistikcenter. Darüber hinaus trugen Konsolidierungseffekte durch den erstmalig ganzjährigen Einbezug von Hoffmann zum Umsatzwachstum bei.

Die gute Performance in Deutschland erstaunt vor dem Hintergrund der Bürokratieprobleme im dortigen Baugewerbe…

Der Umsatzanteil des Geschäfts in Deutschland ist bei Hoffmann signifikant, der strategische Fokus liegt allerdings in der industriellen Fertigung, nicht im Baugewerbe. Die Herausforderungen in der Bauindustrie spürt vor allem unsere Division Construction. Diese war insbesondere in der zweiten Jahreshälfte 2023 mit einem Rückgang der Nachfrage in ganz Europa und Nordamerika konfrontiert. Grund dafür war die sich abschwächende Konjunktur, ausgelöst durch die hohe Inflation und die stetig steigenden Zinsen. Die Lieferengpässe während der COVID-19-Pandemie führten zu hohen Lagerbeständen in der gesamten Lieferkette, was sich nun ebenfalls negativ auf die Nachfrage auswirkte.

«Knapp ein Drittel unseres Umsatzes wird in Deutschland erzielt, daher spüren wir die abgeschwächte Konjunktur und den erwähnten Nachfragerückgang ebenfalls.»
Jens Breu, CEO SFS

Deutschland gilt zurzeit als Konjunkturbremse Europas. Bekommt SFS davon etwas mit?

Knapp ein Drittel unseres Umsatzes wird in Deutschland erzielt, daher spüren wir die abgeschwächte Konjunktur und den erwähnten Nachfragerückgang ebenfalls. Die SFS Group ist jedoch, wie bereits erwähnt, gut positioniert, um die Bedürfnisse der Kunden gezielt zu bedienen. Unsere Diversifizierung in verschiedene Endmärkte und Regionen ist ein wichtiger Treiber für unsere stabile Entwicklung.

Ihrem EBIT-Margenziel im Gesamtkonzern von 12 Prozent kamen Sie ganz nah. Dieses dürfte 2024 erreichbar sein?

Wir gehen davon aus, im laufenden Jahr eine EBIT-Marge etwa auf Vorjahresniveau zu erreichen.

Wie stark wird sich die Verschiebung zu tieferen Steuerraten im 2024 auswirken?

Wir erwarten, dass die effektive Steuerrate im Jahr 2024 wieder sinken und sich der Steuerrate von 2023 annähern wird. Der Konzerngewinn dürfte entsprechend davon profitieren.

Sunil SFS Automotive Parts Co., Ltd. Ihr bedeutendes südkoreanisches Joint Venture für Präzisionsformteile und Befestiger, verkauft hauptsächlich an die chinesische Autoindustrie. Wie stark ist auf diesem Feld die innerchinesische Konkurrenz für SFS?

Die Lieferketten in der chinesischen Automobilindustrie unterscheiden sich von der Lieferantenstruktur in Europa. Etablierte «Tier-2-Lieferanten» wie SFS bedienen dort sowohl die lokalen «Tier-1-Lieferanten» als auch direkt die OEM’s, also die Automobilhersteller. Wir sind überzeugt, dass die Division Automotive mit ihrer strategischen Positionierung als Entwicklungs- und Lieferpartner für Automobilanwendungen mit hohem Wachstumspotenzial auch in China sehr gut aufgestellt ist. Unser Know-how in den spezifischen Automobilanwendungen sowie die lokale Fertigungskompetenz sind wichtige Differenzierungsmerkmale gegenüber dem Wettbewerb. Wir produzieren in China allerdings nicht nur bei Sunil SFS Automotive Parts Co., Ltd. für die lokale Automobilindustrie. Auch in unserer Produktionsplattform in Nantong fertigen wir neben Produkten für die Elektronikindustrie und Medizinaltechnik auch Präzisionskomponenten für die Automobilindustrie.

Metall und Plastik sind die Kernrohstoffe von SFS. Allein 271 Spritzgussmaschinen an neun Standorten sorgen für schnelle kundenspezifische Fertigung. Ich nehme an, dass sich die Produktionsgeschwindigkeit in entsprechend hoher Pricing Power niederschlägt?

Im Bereich Kunststoffspritzguss erlauben uns die hohe Prozesseffizienz und die grossen Mengenleistungen, den Kunden wirtschaftliche Lösungen anzubieten. Wichtig dabei ist, dass unsere Fachspezialistinnen und -spezialisten frühzeitig in den Entwicklungs- und Fertigungsprozess eingebunden werden. Wenn alle Beteiligten ihr Wissen bereits in einer frühen Projektphase einbringen können, entstehen schnelle und kostengünstige Anwendungen. Auch im Bereich des Kunststoffspritzgusses verfolgen wir unsere «Local-for-Local»-Strategie: Die dezentrale Fertigung durch unsere globale Entwicklungs- und Produktionsplattform ermöglicht kurze Kommunikationswege, reduziert transportbedingte CO2-Emissionen und gewährleistet eine hohe Versorgungssicherheit. 

Ist der Lagerabbau bei den Kunden jetzt weitestgehend abgeschlossen?

Der Lagerkorrektur-Zyklus verläuft je nach Endmarkt unterschiedlich. In der Elektronikindustrie sehen wir, dass der Lagerabbau grösstenteils vorüber ist, und wir erwarten eine positive Entwicklung im Jahresverlauf. In der Bauindustrie sind wir dagegen noch mitten im Korrekturzyklus. Das wirtschaftliche und geopolitische Umfeld bleibt weiterhin angespannt. Insgesamt bleibt die Visibilität allerdings gering und der Ausblick daher ungewiss.

Über die US-Tochter Triangle Fastener Corporation (TFC) ist SFS in der gewerblichen US-Bauindustrie engagiert. Ist die private Bauindustrie dort weniger interessant, weil viel mit Holz gebaut wird?

Nein, das ist nicht der Grund. Unser strategischer Fokus in der Bauindustrie liegt hauptsächlich auf gewerblichen und öffentlichen Bauprojekten und weniger im privaten Wohnungsbau. Die Division Construction beliefert ihre Kunden in Europa und Nordamerika mit Befestigungslösungen für die gesamte Gebäudehülle, also beispielswiese für Dächer und Fassaden, aber auch für strukturelle Anwendungen in den Bereichen Metall- und Holzbau. Der konstruktive Holzbau gehört also ebenfalls zu den Anwendungsbereichen unserer Befestigungslösungen. Durch die Akquisition von TFC im Jahr 2018 konnte die SFS Group ihr Vertriebsnetz auf dem US-amerikanischen Markt erweitern und ihre Marktposition stärken. TFC verfügt über 27 eigene Verkaufsniederlassungen in den USA.

«Durch die Akquisition von TFC im Jahr 2018 konnte die SFS Group ihr Vertriebsnetz auf dem US-amerikanischen Markt erweitern und ihre Marktposition stärken. TFC verfügt über 27 eigene Verkaufsniederlassungen in den USA.»

Moderne Technologien wie Ultraschall- und Rotationsschweissen hilft immer anspruchsvollere Verbindungen herzustellen. Sind diese Techniken langfristig günstiger und skalierbarer?

Diese beiden Fügetechniken zur Verbindung von Thermoplasten substituieren unsere Verbindungslösungen nicht, sondern sind komplementäre Technologien, die in anderen Anwendungen zum Einsatz kommen. Auch wir nutzen beispielsweise die Ultraschall-Schweisstechnologie zur Verbindung mehrerer Spritzgusskomponenten zu einem komplexen Bauteil. Generell sehen wir, angetrieben durch den Trend zu mehr Recycling und Wiederverwendbarkeit, einen verstärkten kundenseitigen Bedarf nach demontierbaren Lösungen. Diese Entwicklung erhöht den Wertanteil von SFS-Produkten in den von uns verfolgten strategischen Anwendungsgebieten.

Aus Gründen der Versorgungssicherheit mussten Sie den Anteil der «Erneuerbaren» an Ihrer Stromversorgung von 50% auf 40% zurückfahren. Holt uns alle die Realität ein?

Die temporäre Anpassung unseres Energiemixes in der Schweiz war eine Reaktion auf die Energielage im Winter 2022/2023. Wir haben uns entschieden, neben Strom aus erneuerbaren Quellen auch Elektrizität aus Kernenergie einzukaufen. Diese Massnahme beeinflusst unsere CO2-Bilanz nicht, was im Hinblick auf die dringlichste Herausforderung – die Verminderung der Auswirkungen des Klimawandels – von höchster Priorität für uns ist. Wir sind zuversichtlich, dass wir in der Schweiz bald wieder auf 100% erneuerbare Elektrizität umstellen können. Auch unser Ziel, weltweit bis 2025 mindestens 50% und bis 2030 mindestens 90% der elektrischen Energie aus erneuerbaren Quellen zu beziehen, bleibt weiterhin gültig.

«Der Fortschritt zur Senkung der Unfallrate in den letzten zwei Jahren entspricht nicht unseren Erwartungen. Aus diesem Grund haben wir die «Vision Zero» ins Leben gerufen.»

Die Nachhaltigkeitsziele von SFS sehen auch eine Senkung der Unfallrate um 40% in zwei Jahren vor. Bei jetzt nur vier Unfällen pro Million Arbeitsstunden, haben Sie doch so gut wie kein Problem…

Jeder Unfall ist einer zu viel. Der Fortschritt zur Senkung der Unfallrate in den letzten zwei Jahren entspricht nicht unseren Erwartungen. Aus diesem Grund haben wir die «Vision Zero» ins Leben gerufen – einen Massnahmenplan, der unsere Zielsetzung unterstützt, die Unfallrate bis 2025 gegenüber 2020 zu halbieren und bis 2030 auf null zu senken.

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